Berlin. Die Mutation des Coronavirus stürzt Großbritannien nun zusätzlich zum Brexit endgültig ins Chaos, meint unser Kommentator Jörg Quoos.
Zuerst hatten sie kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu. An diese alte Fußballer-Weisheit muss man denken, wenn man in diesen Tagen auf unsere britischen Nachbarn blickt. Für niemanden in Europa könnte dieses Annus horribilis 2020 schlimmer enden als für sie.
Von einer schlechten Regierung in eine verhängnisvolle Brexit-Entscheidung getrieben, sind sie dann mit einer noch schlechteren Regierung in den Chaos-Brexit getaumelt. Und jetzt kommt noch der Corona-Super-Gau: Eine lausige Pandemie-Politik von Boris Johnson wird mit einem mutierten Virus bestraft, das das Land endgültig ins Chaos stürzt.
Hintergrund:Großbritannien: Zum Brexit-Chaos kommt das Corona-Chaos
Wie Großbritannien die Nach-EU-Zeit bewältigen will, bleibt ein Rätsel
Den Hinweis der britischen Regierung, das Virus sei „außer Kontrolle“, hätte man sich glatt sparen können. Gar nichts ist im United Kingdom unter Kontrolle, und die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger. Beim Brexit wie bei Corona. Das Land könnte in diesem Jahrzehnt zu einem Paradebeispiel schlechten Regierungshandelns werden. Nicht einmal der Weihnachtsbraten und die Flasche Bordeaux dazu scheinen den Briten derzeit sicher zu sein.
Lesen Sie auch:Großbritannien: Zum Brexit-Chaos kommt das Corona-Chaos
Wie Großbritannien so die Herausforderungen der Nach-EU-Zeit bewältigen will, bleibt ein Rätsel. Und es scheint britische Regierungspolitiker auch nicht weiter zu kümmern. Hauptsache raus aus Europa, und der Dorsch bleibt britisch.
Jetzt rasseln zunächst wieder Schlagbäume hinunter, der Eurotunnel ist zugenagelt, der Flugverkehr quasi stillgelegt. Britische Reisende werden – auch in Deutschland – wie Aussätzige behandelt und müssen auf Feldbetten im Flughafen schlafen. Passagierjets fliegen voll nach Großbritannien und kehren leer zurück. Jedes Land Europas schottet sich in diesen Stunden nach eigenem Gusto von den Briten ab. Europäische Abstimmung? Schon wieder Fehlanzeige.
Die teils konfusen Einzelmaßnahmen der EU-Mitglieder zur Eindämmung des mutierten Corona-Virus zeigen, wie wenig Zusammenspiel die Europäische Union zehn Monate nach Ausbruch der Pandemie gelernt hat.
- Das Virus bleibt: Neue Corona-Variante – Sorgt KP.2 für eine Sommerwelle?
- AstraZeneca: Corona-Impfstoff in der EU nicht mehr zugelassen – die Gründe
- Nach Corona: Diese Viren könnten eine neue Pandemie auslösen
- Studie: Depressionen möglich? Corona attackiert die Glückshormone im Gehirn
- Jugendliche: Was eine verfrühte Pubertät mit der Corona-Pandemie zu tun hat
Das Virus schlüpft immer durch die größte Masche
24 Stunden Abriegelung, Abriegelung bis auf Weiteres, keine Abriegelung, aber Quarantäne. Oder auch gar keine Maßnahmen. Europa hat alles im Programm, nur kein einheitliches Vorgehen gegen die Corona-Pandemie.
Da wir wohl noch eine Weile mit dem Virus leben müssen, sollte Brüssel doch noch versuchen, die Kraft zu einer einheitlichen Pandemie-Bekämpfung aufzubringen. Denn eines steht fest: Das Virus schlüpft immer durch die größte Masche. Und die besten Schutzkonzepte nützen nichts, wenn sie nicht von allen konsequent umgesetzt werden.
- Medizinprodukte: Corona-Test abgelaufen – Kann man ihn noch benutzen?
- Richtiges Verhalten: Corona-positiv ohne Symptome – Kann ich arbeiten gehen?
- Infektion: Corona-Test ist positiv? Das müssen Sie jetzt tun
Beim Impfen ist jetzt noch mehr Eile geboten
Jetzt ist also noch mehr Eile geboten, auch beim Impfen. Sollte das neue, mutierte Virus tatsächlich um 70 Prozent ansteckender sein, sind die Folgen klar: Die Zahl der Neuinfektionen wird hochschnellen, die Kliniken werden noch eher an ihre Belastungsgrenzen kommen, und die Todeszahlen werden entsprechend steigen.
Daher ist es mehr als ein Trost, dass gestern die EU-Kommission den Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer offiziell zugelassen hat. Ab dem 27. Dezember – zwei Wochen nach den ersten Impfungen in den USA – werden die Vakzine auch in Deutschland gespritzt. Das sind zwei Wochen Verzug, die niemand so richtig erklären konnte. Daher ist es umso wichtiger, dass die deutsche Impfwelle jetzt perfekt rollt und sich niemand organisatorisch im Wege steht.
Lesen Sie hier:Corona: Wie gut hilft der Biontech-Impfstoff gegen Covid-19?
Die deutsche Pandemie-Politik hat sich zurückblickend doch mehr Fehler geleistet, als man vermuten konnte. Jetzt darf im Endspurt ums Impfen nichts mehr schiefgehen. Sonst muckt der Bürger doch noch auf. Am Wahltag im September hätte er die Gelegenheit dazu.