Düsseldorf/Bochum. Die Zahl der Covid-19-Patienten steigt in NRW. Krankenhausbetreiber mahnen zu Vorsicht. Auch, weil die saisonale Grippewelle nun erwartet wird.

In den Krankenhäusern wird es zunehmend eng, warnt die Krankenhausgesellschaft NRW (KGNW). Die Zahl der schwer erkrankten Covid-19-Patienten ist von November auf Dezember um ein Viertel gestiegen. „Die Infektionszahlen müssen deutlich sinken“, fordert die KGNW deshalb, auch damit Kliniken demnächst nicht durch Grippe-Patienten zusätzlich belastet werden.

„Es wurden in Deutschland im Herbst schon Influenza-Viren nachgewiesen, allerdings bislang nur vereinzelt, was aber durchaus zu dieser Zeit normal ist“, sagt ein Sprecher des Landeszentrum Gesundheit (LZG) in Bochum. Mit der Grippewelle und steigenden Fallzahlen sei erst Anfang des neuen Jahres zu rechnen, sagt er. Laufe es wie immer, „kommt es dann zu einem sprunghaften Anstieg an Erkrankungsfällen, der sogenannten Grippewelle.“

Ab Januar könnten sich Grippefälle bemerkbar häufen

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Wenn sich die Infektionszahlen bei der Grippe ähnlich entwickeln wie im vergangenen Jahr, dann wird spätestens ab Ende Januar neben Corona auch die Grippewelle in den Krankenhäusern zu spüren sein. Ihr Höhepunkt könnte sich von Anfang Februar bis Ende März abspielen - so jedenfalls war es in der Influenza-Saison 2019/20.

Was diesmal bevorsteht, ist schwer einzuschätzen. Manches spricht dafür, dass die Grippe sich nicht so stark bei uns verbreitet. Dennoch mahnen Experten: In den kommenden Monaten ist es umso wichtiger, Ansteckungen zu vermeiden, denn die Übertragungswege bei Grippe und Corona sind im Großen und Ganzen identisch.

Krankenhausgesellschaft appelliert: „AHA-plus-L-Regeln einhalten!“

„Die Situation in den Krankenhäusern ist angespannt und die Belastung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter groß. Die Reduzierung sozialer Kontakte leistet einen wichtigen Beitrag, die Zahl der Neuinfektionen im Griff zu behalten“, sagt Jochen Brink, Präsident KGNW, Interessenvertretung der gut 340 Krankenhäuser landesweit: „Wir appellieren an die Menschen, die AHA-plus-L-Regel konsequent einzuhalten und dazu beizutragen, Neuinfektionen zu verhindern“, sagt Brink.

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Aus Sicht der KGNW wäre ein harter Corona-Lockdown bis nach Neujahr, wie ihn NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) jüngst vorgeschlagen hat, notwendig, um die Lage in den Krankenhäusern zu entspannen - auch um so Platz zu schaffen für mögliche schwerkranke Grippe-Patienten, die dort aufschlagen werden.

Fast 8000 Grippe-Erkrankte mussten 2019/20 ins Krankenhaus

Laut RKI wurden seit März diesen Jahres in NRW bis dato bereits mehr als 310.000 Corona-Infektionen gemeldet. Bei der Grippe waren es in der vergangenen Saison 2019/2020 in NRW insgesamt 26.681 Erkrankungen; Grippe gehört zu den meldepflichtigen Infektionskrankheiten. 7843 Menschen waren so schwer erkrankt, dass sie stationär in einem Krankenhaus behandelt wurden.

Die sogenannte Hospitalisierungsquote bei Grippe-Erkrankten lag in NRW in der vergangenen Grippesaison über den gesamten Zeitraum gemessen bei etwa 33 Prozent. Das kann ins Gewicht fallen, auch wenn die Zahl der Covid-19-Patienten derzeit deutlich höher liegt: Zuletzt waren in den Krankenhäusern in NRW 4704 Covid-19-Patienten in Behandlung, davon 979 auf einer Intensivstation (Stand: 11. Dezember). Sie zu behandeln, sei je nach Verlauf der Erkrankungen den bisherigen Erfahrungen nach erheblich aufwändiger, als bei Grippepatienten, erklärt man bei der KGNW.

Grippe-Saison 2020/21: "Wir sind besser gewappnet"

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Manches lässt Experten hoffen, dass die Grippe-Welle diesmal milder verläuft. "Es erschiene plausibel, auf Grund der Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie, dass auch die Influenzasaison 2020/2021 abgeschwächt verlaufen würde, da Influenzaviren im Großen und Ganzen dieselben Übertragungswege verwenden, wie SARS-CoV-2", erklärt ein Sprecher des LZG.

Beim Apothekerverband Nordrhein glaubt Vorstand Thomas Preis, dass die Grippesaison diesmal milder verlaufen wird, weil die Bevölkerung besser gewappnet sei: „Wir sind bei der Grippe-Impfung diesmal viel besser aufgestellt, als in den vergangenen Jahren“, sagt Preis, der in Köln zwei Apotheken führt. Denn die meisten der Impfungen seien bereits erfolgt - „sonst dauert er bis in den Februar hinein“, meint Preis.

30 Prozent mehr Grippe-Impfungen in der aktuellen Grippe-Saison

Die Grippe-Impfung dürfte Ende Dezember weitgehend abgeschlossen sein, schätzt Preis. „Derzeit sind die sechs Millionen Impf-Dosen, die als Impf-Reserve bestellt worden waren, bundesweit in der Auslieferung.“ Preis schätzt, dass sich in der aktuellen Grippe-Saison 30 Prozent mehr Menschen haben gegen Grippe schützen lassen, als sonst. Hintergrund: Die Grippe-Saison beginnt mit der 40. Kalenderwoche eines Jahres und endet zwischen der 15. und 20. Kalenderwoche des Folge-Jahres.

Konkrete Zahlen liegen zu den Impfungen liegen allerdings derzeit nicht vor. Bei der AOK etwa heißt es, „eine verbindliche Aussage können wir nur auf Basis der Abrechnungsdaten der Ärzte vornehmen. Diese erhalten wir rund sechs Monate nach Quartalsende.“ Inwieweit die Aufrufe zur Grippe-Impfung zum Herbstbeginn besonders die einschlägigen Risikogruppen erreicht haben, könne ebenso nicht abgeschätzt werden, heißt es bei der KGNW. Die Ständige Impfkommission (Stiko) beim Robert-Koch-)Institut empfiehlt die Grippeimpfung ausdrücklich nicht für alle in der Bevölkerung, sondern nur für bestimmte Risikogruppen, etwa Senioren.

Offenbar bisher weniger Erkältungskrankheiten

„Wir beobachten, dass die Hygiene-Maßnahmen, die die meisten Menschen beherzigen, offenbar Wirkung zeigen: Erkältungskrankheiten etwa sind aktuell bei weitem nicht so weit verbreitet, wie zur gleichen Zeit vor einem Jahr“, sagt Apotheker Thomas Preis. Er glaubt, „das wird sehr wahrscheinlich auch einer starken Verbreitung des Grippevirus verhindern helfen.“

Möglich ist auch, dass der stark eingeschränkte Flugverkehr zum Beispiel bei Interkontinental-Verbindungen diesmal mithilft, die Ausbreitung von Grippe zu mindern. Ein Sprecher des LZG erklärt dazu: „Es wird vermutet, dass die Grippe-Welle jedes Land immer zu einem bestimmten Zeitpunkt erreicht, also räumlich wandert.“