Bonn/Berlin. Juso-Chef Kevin Kühnert gibt sein Amt ab. Die designierte Nachfolgerin kämpft für linke Mehrheiten. Olaf Scholz sollte auf sie achten.
Die K-Frage kann Jessica Rosenthal nicht mehr hören. K wie Kevin Kühnert, nicht wie Kanzlerkandidatur. Die 28 Jahre alte Lehrerin aus Bonn bewirbt sich an diesem Samstag bei einem digitalen Juso-Bundeskongress um die Nachfolge des omnipräsenten Überfliegers Kühnert. Als einziger Bewerberin ist ihr der neue Job praktisch sicher (das Ergebnis der Briefwahl wird aber erst am 8. Januar feststehen).
Im Video-Chat rollt sie bei der K-Frage dennoch gespielt theatralisch die Augen: „Für mich geht es überhaupt nicht darum, mich von seiner Amtszeit abzugrenzen oder eine Konkurrenzsituation zu sehen. Ich fühle da keinen Druck.“ Kevin Kühnert habe maßgeblich dazu beigetragen, dass die Jusos sich wie keine andere Jugendpartei eine Position auf Augenhöhe im politischen Diskurs erkämpft haben.
Rosenthal: „CDU betreibt Bremsklotzpolitik“
Kühnert gibt nach knapp drei Jahren vorzeitig den Chefposten beim SPD-Nachwuchs mit seinen gut 75.000 Mitgliedern auf. Der 31-Jährige will sich auf seine Kandidatur für den Bundestag und seine Arbeit als SPD-Bundesvize konzentrieren.
Außer Andrea Nahles war kein Juso-Chef medial so bekannt und einflussreich in der Partei wie Kühnert. Er war das Gesicht der No-GroKo-Bewegung in der SPD. Er setzte Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an der Basis als Vorsitzende durch und fügte Olaf Scholz damit seine größte politische Niederlage zu. Lesen Sie hier : Walter-Borjans schließt Bündnis mit Linkspartei nicht aus
Wird es für den Kanzlerkandidaten Scholz und den SPD-Regierungsapparat mit Rosenthal leichter als mit Kühnert? Da sollte niemand die Sturheit und Prinzipientreue der Pädagogin und Schnellsprecherin unterschätzen, die seit 2013 in der SPD und seit zwei Jahren Juso-Chefin in NRW ist. In ihrem Referendariat an einer Schule im Bonner Brennpunkt Tannenbusch sah sie, wohin soziale Ungleichheit führen kann.
Große Koalitionen hält sie für Mist. Daran habe die Corona-Krise nichts geändert. Die SPD-Minister leisteten gute Arbeit – „trotzdem rechnen die meisten Menschen der SPD diese Erfolge nicht an“. Dass die Union derzeit so weit vorn liegt, mag Rosenthal nicht fassen: „Die CDU betreibt eine Bremsklotzpolitik ohne Ende. Sie kümmert sich allein um ihren Machtanspruch. Diese Partei ist inhaltlich völlig entkernt.“
Friedrich Merz? Für die Jungsozialistin einer aus einem anderen Jahrhundert
Friedrich Merz hält sie für einen neoliberalen Politiker aus einem anderen Jahrhundert. „Das oberste Ziel dieses Bundestagswahlkampfes muss es sein, dass die Union aus dem Kanzleramt raus- und in die Opposition geschickt wird.“
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Aber was ist nun mit Scholz? Werden die Jusos für ihn bei Wind und Wetter Plakate kleben, obwohl sie ihn so lange politisch bekämpft haben? Bei den Plakaten lacht Rosenthal laut auf. „Ich will keine Kampagne sehen, in der es immer nur um einen einzigen Menschen geht.“ Sie will lieber ihre eigenen aufhängen in Bonn , wo sie seit einem halben Jahr SPD-Chefin ist und aller Voraussicht nach für den Bundestag kandidieren wird.
Scholz werde Wahlkampfhilfe nicht umsonst bekommen: „Olaf Scholz ist klar, dass er Angebote an die Jusos und junge Menschen machen muss. Da werde ich mich nicht vertrösten lassen.“ Auch Kühnert müsse eine prominente Rolle in der SPD-Kampagne spielen.
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Rosenthal will Vermögen breiter verteilen
Scholz und Kühnert als ziemlich beste Freunde auf einem Plakat? Das dürfte nicht wenige Wähler überfordern. Überhaupt: Kühnert schaffte es nie, in großer Zahl Jungwähler für die SPD zu mobilisieren. Im Gegenteil, diese wählen überwältigend Grün . Rosenthal erwidert, anders als die Grünen würden Jusos und SPD auch an Azubis beim Autokonzern denken.
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Nach der Wahl wünscht sie sich ein Linksbündnis . Nur so lasse sich an der krassen Vermögensungleichheit etwas ändern. „Wir sind dabei, uns bei den Vermögen wieder einer Adelsgesellschaft anzunähern.“ Der Kapitalismus beute Mensch und Natur aus: „Dieses kapitalistische Wirtschaftssystem wird auf Dauer nicht mehr funktionieren.“
Wie Kühnert hält sie eine Vergesellschaftung großer Konzerne für sinnvoll: „Keiner hat Lust, Klamotten aus Kinderhänden zu tragen. Wir wollen, dass der Bereich der Wirtschaft demokratisiert wird. Ich finde diesen Gedanken überhaupt nicht skandalös.“
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