Moskau. In Moskau wird spekuliert, dass der Kremlchef an Krebs oder Parkinson leide und bald zurücktreten werde. Hauptquelle ist ein Historiker.

Roman Rotenberg, der Sohn von Boris Rotenberg, Putins altem Judo-Trainingsgefährten, spielte für die „Weißen“. Der Wirtschaftsmagnat Wladimir Potanin und der Eishockey-Weltstar Alexander Owetschkin spielten für „Roten“. Nur Wladimir Putin fehlte, als am Samstag in einem Eisstadion bei Moskau berühmte Profis und kremlnahe VIPs die Saison der „Nächtlichen Hockey-Liga“ starteten.

Der 68-jährige russische Präsident hatte nur ein Grußwort gesandt, Potanin verlas es. Die Promi-Liga gilt als Lieblingskind Putins, seit 2011 jagt er hier selbst den Puck. Dieses Jahr aber hat der begeisterte Sportler noch bei keiner der Hockey-Galas mitgespielt.

Wladimir Putin beim Eishockey. Die Promi-Liga gilt als Lieblingskind Putins, seit 2011 jagte er hier regelmäßig selbst den Puck, doch in diesem Jahr sendet der russische Präsident lediglich ein Grußwort. (Archivbild 2018)
Wladimir Putin beim Eishockey. Die Promi-Liga gilt als Lieblingskind Putins, seit 2011 jagte er hier regelmäßig selbst den Puck, doch in diesem Jahr sendet der russische Präsident lediglich ein Grußwort. (Archivbild 2018) © imago/ITAR-TASS | Alexei Nikolsky

Putin: Der liberale Fernsehkanal TV Doschd berichtete von einem Hustenanfall

Seit Wochen wird über die Gesundheit des 68-jährigen diskutiert. In Moskau gehen Gerüchte um, Putin sei schwer krank und werde deshalb im kommenden Januar seinen Rücktritt verkünden. Dabei wirkte der Staatschef bei seinen jüngsten Auftritten keineswegs wie ein von Krankheit Gezeichneter. Aber auch Russlands starker Mann altert.

Der liberale Fernsehkanal TV Doschd berichtete Mitte November von einem Hustenanfall , nachdem Putin sich bei einer Videokonferenz mehrfach stark geräuspert hatte. Und eine Moskauer Masseurin, die auch Parlamentarierinnen durchknetet, erzählte ihren Kunden, in der Staatsduma erwarte man „gewaltige Veränderungen“ zu Beginn des Jahres.

Angeblich arbeiten russische Wissenschaftler an einem Anti-Krebsmittel für Putin

Hauptquelle der Gerüchte ist der Historiker Waleri Solowej , ein erklärter Regierungskritiker, der sich trotzdem enger Kontakte zum Kreml rühmt. Er verkündete schon im Mai in einem Interview, Putin werde bald gezwungen sein, zurückzutreten, weil er Medikamente mit starken Nebenwirkungen einnehme.

Im Oktober schob er nach, russische Wissenschaftler, darunter auch Putins eigene Tochter, arbeiteten fieberhaft an der Entwicklung eines Anti-Krebsmittels für den Staatschef. Dem britischen Boulevardblatt „Sun“ versicherte er im November, Putin leide an Parkinson und werde im Januar auf Druck seiner Töchter und seiner mutmaßlichen Lebensgefährtin Alina Kabajewa in Rente gehen.

Wladimir Putin, Präsident von Russland, nahm vor Kurzem am virtuellen G20-Gipfel teil. Eigentlich sollte der Gipfel erstmals in der saudischen Hauptstadt Riad stattfinden. Wegen der Corona-Pandemie werden die Gespräche aber nur per Video-Schalte geführt.
Wladimir Putin, Präsident von Russland, nahm vor Kurzem am virtuellen G20-Gipfel teil. Eigentlich sollte der Gipfel erstmals in der saudischen Hauptstadt Riad stattfinden. Wegen der Corona-Pandemie werden die Gespräche aber nur per Video-Schalte geführt. © dpa | Aleksey NikolskyiKremlin Pool

„Putins Gesundheit ist in diesem Alter nicht mehr ideal“

Kremlsprecher Dmitri Peskow allerdings bezeichnete alle Spekulationen als Unsinn, der Präsident besitze eine ausgezeichnete Gesundheit . „Es gibt keinerlei Anlass für einen Rücktritt aus Gesundheitsgründen“, sagte der kremlnahe Politologe Alexei Muchin unserer Redaktion. „Sicher ist Putins Gesundheit in diesem Alter nicht mehr ideal. Aber er wird medizinisch bestens betreut.“

Am Dienstag schlenderte Putin gewohnt lässig vor den Kameras umher, als er Journalisten staatlicher TV-Kanäle ein Erholungszimmer hinter seinem Dienstkabinett auf dem Landsitz Nowo-Ogarjowa bei Moskau zeigte. In dem spartanisch möblierten Raum gab er ein gewohnt wortreiches Interview, sein Gesicht wirkte vielleicht etwas gerötet, aber inhaltlich war Putin wie üblich Herr der Lage. Er sah weder wie ein Kranker aus noch wie ein Greis.

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Putin verbringt immer mehr Zeit in seiner Sommerresidenz am Schwarzen Meer

Allerdings scheint Putin immer mehr Zeit in Nowo-Ogarjowo und vor allem in seiner Sommerresidenz in Sotschi am Schwarzen Meer zu verbringen. Im Kreml taucht er nur noch selten auf. Kritische Politologen erklären das ebenso wie seinen Verzicht auf die Eishockey-Auftritte mit Putins Angst vor Covid-19 .

Aber Anfang des Monats versammelte der Präsident zum Tag der Volkseinheit auf dem Roten Platz zwei Dutzend uniformierter Jugendlicher und Journalisten um sich, Masken trug niemand. Und die Neigung zum Home-Office im sonnigen Süden erklärte der Blogger Oleg Kaschin schon 2016 mit Putins Sorge um die eigene Gesundheit.

„Sie haben sich an ihre Posten geklammert, bis sie das Bewusstsein verloren haben“

Aber der Präsident verliert offenbar langsam nicht nur die Lust am Eishockey – einem Sport, der großes Tempo und Wendigkeit erfordert. Auch politisch manövriert er nicht mehr so entschlossen und flexibel wie früher. Auf die Pandemie reagierte Putin nach Ansicht vieler Beobachter mit ähnlichem Desinteresse wie auf den Ausbruch des Krieges in Bergkarabach .

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Und in Belarus unterstützt er bisher stur den brutalen Kurs seines Amtskollegen Alexander Lukaschenko. Die Möglichkeit, den exzentrischen Gewaltherrscher zu entmachten, damit die protestierenden Weißrussen für sich zu begeistern und sein Image im Westen aufzubessern, nutzte er nicht.

Der liberale Politologe Juri Korgonjuk glaubt, dass Putin die Macht noch lange nicht hergeben wird. „Das ist eine Maschine ohne Rückwärtsgang.“ Der russische Präsident drohe im Amt zu vergreisen wie einst die sowjetischen Generalsekretäre Leonid Breschnew oder Juri Andropow. „Sie haben sich an ihre Posten geklammert, bis sie das Bewusstsein verloren haben.“