Berlin. Maue Umfragewerte, innerparteilicher Streit: Es lief schon besser bei der AfD. Jetzt setzt die Partei auf einen Anti-Anti-Corona-Kurs.
Als in der vergangenen Woche im Bundestag die Novelle des Infektionsschutzgesetzes beraten wurde, sparte Alexander Gauland nicht mit Superlativen: Das Gesetz sei die „größte Grundrechtseinschränkung in der Geschichte der Bundesrepublik “, sagte der Fraktionschef der AfD , die Maßnahmen gegen die Pandemie seien „Symptome einer nahenden smarten Gesundheitsdiktatur“.
Draußen standen später an diesem Tag Fraktionskollegen von Gauland und winkten den Demonstranten zu, die sich am Spreeufer versammelt hatten. Drinnen bedrängten währenddessen Youtuber aus dem „Querdenker“ -Spektrum Abgeordnete anderer Fraktionen im Reichstagsgebäude – hereingelassen als Gäste der AfD. Lesen Sie dazu: Esken: Verfassungsschutz soll AfD stärker beobachten
AfD sieht sich jetzt als Anti-Anti-Corona-Partei
Gut ein halbes Jahr nach dem Start der Pandemie hat die AfD klar entschieden, welche Rolle sie in dieser Zeit spielen will: Man gibt die Anti-Anti-Corona-Partei. Gegen Masken, gegen Lockdown, gegen die Tracing-App.
Kurzzeitig hatte die Pandemie im Frühjahr das Geschäftsprinzip der AfD – immer genau in die entgegengesetzte Richtung der Regierung zu argumentieren – ins Wanken gebracht. Damals geißelte Gaulands Co-Fraktionschefin Alice Weidel die Bundesregierung noch, sie habe zu zögerlich auf die Bedrohung reagiert. Doch je deutlicher die Gefahr durch die Pandemie wurde und je härter die Gegenmaßnahmen der Politik, umso lauter wurden andere Töne aus der Partei.
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Die AfD-Botschaft: Covid-19 ist eine Art Grippe
Nach dem anfänglichen Schlingerkurs ist die Richtung mittlerweile klar: Glaubt man der AfD, ist Covid-19 „vom Krankheitsverlauf und der Letalität mit einer Influenza zu vergleichen“ ( Detlev Spangenberg , gesundheitspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion), der Lockdown hat „keine wissenschaftliche Grundlage“ ( Axel Gehrke , Mitglied im Gesundheitsausschuss) und Masken haben „keine nachweisbare Schutzwirkung“ (ebenfalls Gehrke).
Im Sommer und Herbst machten Abgeordnete der Partei immer wieder Schlagzeilen, weil sie die Masken-Pflicht nicht ernst nahmen. So provozierte der bayerische Landtagsabgeordnete Stefan Löw , indem er mit einer Gasmaske ans Rednerpult im Landtag trat. Im Bundestag trug Parlamentarier Thomas Seitz demonstrativ eine Maske mit Löchern, bis Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth ihn zwang, eine geschlossene zu tragen.
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Ständige Verstöße gegen die Maskenpflicht
Dass die Abgeordneten im Bundestag überhaupt Maske tragen müssen, hatte die Fraktion versucht mit einer Klage zu kippen – ohne Erfolg. Außerhalb der Parlamente sind Vertreter der AfD immer wieder auf Demonstrationen gegen die Anti-Corona-Maßnahmen zu sehen.
Der Anti-Infektionsschutz-Kurs ist der Versuch einer angeschlagenen Partei, sich neue Wähler zu erschließen. Die AfD will den Unmut gegen die Corona-Maßnahmen so zu ihrem Thema zu machen wie einst die Opposition gegen Geflüchtete und Migranten .
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Denn das alte Kernthema will nicht mehr so recht ziehen, nach Höhenflügen in den Umfragen 2018 dümpelt die Partei seit einiger Zeit bei bundesweit etwa 10 Prozent herum.
Streit um Andreas Kalbitz hat Umfrageergebnisse gedrückt
Auch der heftige innerparteiliche Streit um das Ende von Andreas Kalbitz als AfD-Politiker und Galionsfigur des ehemaligen „Flügels“ und die drohende Beobachtung der gesamten Partei durch den Verfassungsschutz drücken die Umfrageergebnisse. Lesen Sie mehr: AfD: Kalbitz-Nachfolger ist „erwiesener Rechtsextremist“
Ganz auf die Linie von Corona-Leugnern will man sich offenbar aber auch nicht begeben. Stattdessen wird immer wieder auch die Eigenverantwortung im Umgang mit Corona betont, Gauland plädierte im Oktober im Bundestag für den besonderen Schutz von Risikogruppen .
Basis steht nicht geschlossen hinter Corona-Kurs der Führung
Denn in der Parteiführung weiß man, dass die eigene Klientel beim Thema Corona durchaus gespalten ist. So gaben 54 Prozent der AfD-Anhänger in einer Umfrage Mitte November an, dass sie die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen gut finden.
Das ist zwar deutlich mehr als bei allen anderen Parteien (im Schnitt befürworteten 12 Prozent der Befragten die Demonstrationen), doch eine Basis, die überzeugt hinter der eigenen Partei steht, sieht anders aus.
Sozialparteitag soll neuen Schwung bringen
Neuen Schwung erhofft sich die Partei jetzt von dem Treffen, das am kommenden Wochenende in Nordrhein-Westfalen stattfinden soll. In Kalkar will die AfD zusammenkommen, um ihren mehrmals verschobenen Sozialparteitag abzuhalten – und das nicht digital, sondern persönlich.
Zu den Auflagen, unter denen die Veranstaltung stattfinden soll, gehört unter anderem einen Maskenpflicht – auch dann, wenn die Delegierten an ihrem Platz sind. Gegen die hat die Partei geklagt.