An Rhein und Ruhr. Die Grauen Wölfe hetzen gegen politische Gegner und Minderheiten. Sie sind die größte rechtsextreme Gruppierung in NRW. Jetzt gibt es Widerstand.

Anfang vergangener Woche hat Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) ein Schreiben von Serovpe Isakhanyan erhalten, dem in Köln ansässigen Bischof der armenischen Kirche in Deutschland. Der Geistliche berichtet darin über Bedrohungen von armenischen Menschen durch die Grauen Wölfe, also türkischen Rechtsextremisten.

Hintergrund war offensichtlich der Krieg zwischen Armenien und das von der Türkei unterstützte Aserbaidschan um Bergkarabach . Es ist nicht das erste Mal, das die größte rechtsextremistische Gruppierung in NRW als verlängerter Arm Ankaras politische Gegner einschüchtert. Nun aber könnte ein Verbot der Grauen Wölfe und ihrer Vereine näher rücken: Sämtliche Fraktionen im Bundestag haben am Mittwoch Anträge gestellt, in denen sie die Prüfung von Verboten fordern.

Ein Schwerpunkt der Grauen Wölfe ist in NRW

Die Grauen Wölfe sind Anhänger der sogenannten Ülkücü-Bewegung, übersetzt heißt Ülkücü so viel wie „Idealisten“. Sie sind Ultranationalisten, phantasieren von einem Reich, das sämtliche Turkvölker vereint, und gelten als Rassisten und Antisemiten. In den vergangenen Jahren haben sie auch als Propagandisten des Erdogan-Regimes in Deutschland hervorgetan.

Ein Schwerpunkt der Bewegung ist Nordrhein-Westfalen. Nach Angaben des Landesverfassungsschutzes gehören zum als Dachorganisation geltenden Verband ADÜTDF in NRW etwa 70 Vereine mit 2000 Mitgliedern. Anders als der Bundesverfassungsschutz führt der Landesverfassungsschutz den kleineren Verband ATIB noch nicht als Graue-Wölfe-Organisation auf. ATIB wiederum stellt den Vizevorsitzenden im Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD), der als wichtiger Ansprechpartner für die deutsche Politik gilt.

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Neben den Verbänden existieren auch etliche, nicht vereinsgebundene Gruppierungen der Grauen Wölfe in NRW. Ein bekanntes Beispiel war die rockerähnliche Gruppierung Osmanen Germania , die mit Übergriffen und Einschüchterungen gegen Gegner des Erdogan-Regimes auffiel und gegen die zwischen 2016 und 2018 in Nordrhein-Westfalen immer wieder Razzien vor allem im Ruhrgebiet durchgeführt wurden, bis Bundesinnenminister Horst Seehofer sie im Juli 2018 schließlich verbot.

Alle Fraktionen im Bundestag fordern Verbots-Prüfung

Die Ülkücü-Bewegung wirke der Integration türkischstämmiger Bürger in Deutschland entgegen, ziele auf eine Spaltung der Gesellschaft ab und sei eine „ernstzunehmende Bedrohung für unsere innere Sicherheit“, heißt in dem gemeinsam von Union, SPD, Grünen und FDP formulierten Antrag, in dem die Bundesregierung unter anderem aufgefordert wird, gegen die Vereine der Bewegung Organisationsverbote zu prüfen.

Die Linkspartei weist in einem eigenen Antrag darauf hin, dass die Bewegung für mehrere Morde und Mordversuche unter anderem an kurdischen und türkischen Aktivisten verantwortlich sei und fordert neben dem Verbot von Vereinen auch ein generelles Betätigungsverbot für die Grauen Wölfe sowie ein Verbot ihrer Symbole und Grußformen wie dem sogenannten „Wolfsgruß“. Auch die AfD hat einen eigenen Antrag mit ähnlicher Stoßrichtung formuliert.

Landesinnenminister Reul ist skeptisch

Landesinnenminister Herbert Reul reagiert auf den Vorstoß skeptisch. „Die Sicherheitsbehörden sehen sich die Grauen Wölfe schon länger sehr genau an“, sagte er der NRZ. Dabei würden auch immer Verbote geprüft. „Aber bevor man ein Verbot ausspricht, muss man sicher sein, dass es auch durchzusetzen ist“, betont der Landesinnenminister. Genauso wichtig sei es, „dass wir die Bürgerinnen und Bürger über die nationalistische Ideologie der Grauen Wölfe und der im Hintergrund agierenden Vereine aufklären und sensibilisieren“.

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Damit trifft Reul einen wunden Punkt: Viele der Vereine, die der Ülkücü-Bewegung zugehören, agieren unauffällig und engagieren sich auf kommunaler Ebene. Immer wieder können sie in den Städten ein Rhein und Ruhr öffentliche Veranstaltungen durchführen, ohne dass es nennenswerten Widerstand von Stadtverwaltungen oder der Zivilgesellschaft gibt. Noch immer besuchen Politiker aus demokratischen Parteien diese Veranstaltungen, sprechen Grußworte und lassen sich vor dem Logo der Bewegung ablichten. Zuletzt gab es vor den Kommunalwahlen Berichte über teils erfolgreiche Unterwanderungsversuche der Grauen Wölfe, denen beispielsweise im Duisburger Stadtrat ein CDU-Ratsmitglied nahestehen soll.

Forscher Copur fordert Bildungsoffensive

Der Essener Politikwissenschaftler und Türkei-Forscher Burak Copur, der immer wieder auf die Gefahren des türkischen Rechtsextremismus hingewiesen hat, begrüßt deswegen den Vorstoß der Parteien im Bundestag zwar, warnt aber zugleich: „Das sollte kein populistischer Aktionismus werden. Die Bundesregierung darf nicht vor Erdogan einknicken.“ Zudem könne auch ein Verbot allein nicht die Lösung sein: „Die Grauen Wölfe und ihre Ideologie lösen sich dann ja nicht in Luft auf.“

In vielen türkischstämmigen Familien, in Medien und in den sozialen Netzwerken gebe es täglich türkisch-nationalistische Gehirnwäsche, warnt Copur. Dieser Ideologie müsse der Staat etwas entgegensetzen: „Das Thema ,Minderheiten in der Türkei‘ muss zum verpflichtenden Bestandteil des Lehrplans in den Schulen werden und Themen wie der Genozid an den Armeniern, die Kurdenfrage oder die Pogrome an den Aleviten im Geschichts- und Politikunterricht behandelt werden.“ So könne den Erzählungen des türkischen Nationalismus wirkungsvoll begegnet werden.