Berlin. Die Bundeskanzlerin hat sich in einer Pressekonferenz zum Sieg von Joe Biden geäußert – und war dabei für ihre Verhältnisse emotional.

Der Name der frisch gewählten US-Vizepräsidentin Kamala Harris ging Angela Merkel noch nicht ganz geschmeidig über die Lippen. Das ließ sich am leichten Zögern bei der etwas komplizierteren Aussprache des Vornamens erkennen. Doch ansonsten war dem Statement der Bundeskanzlerin am Montagvormittag fast in jedem Satz die Erleichterung über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen anzumerken.

„Ganz herzlich“ gratulierte sie Joe Biden zu seiner Wahl zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten: Dieser bringe „die Erfahrung aus Jahrzehnten in der Innen- wie in der Außenpolitik mit“. Er kenne Deutschland und Europa gut. Und nicht nur das: „Ich erinnere mich gern an gute Begegnungen und Gespräche mit ihm.“

Merkel: Harris „für viele Menschen eine Inspiration“

Kamala Harris sei als erste Frau im Amt der Vizepräsidentin und als Kind zweier Einwanderer „für viele Menschen eine Inspiration“, sagte Merkel, die auch schon 2016 insgeheim darauf gehofft hatte, dass mit Hillary Clinton es erstmals eine Frau an die Spitze der USA schaffen würde: „Ich freue mich darauf, sie kennenzulernen.“

Die deutsch-amerikanische Freundschaft nannte Merkel einen „gemeinsamen Schatz“, der sich über Jahrzehnte bewährt habe. Deshalb sei es wichtig, immer neue Generationen von Deutschen und Amerikanerin zusammenzubringen.

Dann listete Merkel die „geteilten Interessen“ auf. Das klang wie eine Anti-Trump-Liste. So nannte Merkel als Herausforderungen die Corona-Pandemie, den Kampf gegen den Klimawandel, gegen den Terrorismus und für eine offene Weltwirtschaft und einen freien Handel. All diese Herausforderungen müsse man „Seite an Seite“ angehen. Es sind genau die Themen, bei denen mit Trump keine Zusammenarbeit möglich war, weil er sich etwa mit seiner eigenwilligen Corona-Politik und dem Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen für einen anderen, konfrontativen Kurs entschieden hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Joe Biden am Montag zu seinem Sieg der US-Wahl.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte Joe Biden am Montag zu seinem Sieg der US-Wahl. © AFP | Michael Kappeler

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Europäer müssen laut Merkel „mehr eigene Verantwortung übernehmen“

Und noch etwas dürfte Joe Biden gern hören. Merkel versicherte: „Wir Deutschen und wir Europäer wissen, dass wir in dieser Partnerschaft im 21. Jahrhundert mehr eigene Verantwortung übernehmen müssen.“ Eine klare Anspielung auf den Streit um die Steigerung der Verteidigungsausgaben Deutschlands auf das Nato-Ziel von zwei Prozent. Dass Deutschland deutlich drunter liegt, war schon früheren Präsidenten ein Dorn im Auge. Aber erst Trump übte massiven Druck aus, drohte mit dem Ende der Nato – und erreichte damit, dass Deutschland seine Ausgaben deutlich steigerte. Merkel ist bewusst, dass ein Stagnieren in dieser Frage Biden in seinem Land als außenpolitische Schwäche ausgelegt werden dürfte.

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In ihrem rund fünfminütigen Statement stellte Merkel die US-Wahl in einen größeren historischen Zusammenhang. Anlässlich des Jahrestag erinnerte sie an die Maueröffnung am 9. November vor 31 Jahren und die Rolle der Vereinigten Staaten dabei. Die Wiedervereinigung wäre „ohne das Vertrauen gerade auch der Amerikaner nicht möglich gewesen“, sagte Merkel: „Dafür werde ich immer dankbar sein.“ Die Deutschen hätten direkt erlebt, „welch wichtige Rolle die Vereinigten Staaten von Amerika für die Freiheit und die Demokratie in der Welt spielen“.

Merkel und Trump fanden nie einen Draht zueinander

Es ist dieses Thema der Freiheit, was Merkel als ehemalige DDR-Bürgerin einst half zum ersten US-Präsidenten in ihrer Amtszeit als Kanzlerin, George W. Bush, trotz vieler Differenzen einen Draht zu entwickeln. Mit Donald Trump gelang ihr das nie. Erst versuchte er, Europa zu spalten, indem er kurzzeitig den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zu seinem europäischen Lieblingsregierungschef kürte (allerdings nicht für lange), dann düpierte er Merkel beim G-7-Gipfel in Kanada 2018, indem er das mühsam ausgehandelte Abschlussdokument nur Stunden später wieder widerrief.

Merkel beobachtete mit zunehmender Resignation das Verhalten des US-Präsidenten. Sie, die mit schwierigen Charakteren wie dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan oder dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einen Umgang gefunden hatte, scheiterte an Trump.

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Biden wird der 4. US-Präsident sein, mit dem Merkel als Kanzlerin zu tun hat – nach George W. Bush. Barack Obama und Donald Trump. Auch für ihre persönliche Bilanz ist es eine Erleichterung, dass sie ihre Amtszeit als Kanzlerin nicht mit zerrütteten transatlantischen Beziehungen beendet. Trump erwähnte sie nicht – und sprach damit Bände.