Brüssel/Berlin. In Europas Hauptstädten und im Bundestag ist die Sorge groß, dass Trump die US-Demokratie aushebeln und es zu Unruhen kommen könnte.
Große Sorge um die Demokratie in den USA, eindringliche Appelle für mehr Eigenständigkeit Europas und erste Glückwünsche aus Osteuropa an Donald Trump – der noch ungewisse Ausgang der Präsidentschaftswahlen in den Vereinigten Staaten bewegt weltweit Regierungen und Politiker.
US-Wahl: Kramp-Karrenbauer warnt vor „Verfassungskrise“
In Deutschland meldete sich Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer zu Wort und sprach von „einer sehr explosiven Situation“ in den USA. Sie widersprach Trumps Darstellung, er habe die Wahl bereits gewonnen, obwohl in mehreren US-Bundesstaaten die Auszählung von Stimmen andauerte.
Die CDU-Vorsitzende warnte angesichts des Auftretens von Trump, der einen sofortigen Stopp der Auszählung verlangt hatte, vor „einer Verfassungskrise in den USA“.
Friedrich Merz, Bewerber für den CDU-Vorsitz, bewertete die unübersichtliche Lage zurückhaltender. Amerika definiere seine Interessen neu, unabhängig davon, ob Trump oder sein demokratischer Herausforderer Joe Biden die Wahl gewinne. „Es kann passieren, dass die Gerichte angerufen werden, um das Wahlergebnis festzustellen. Ich glaube aber, dass die Amerikaner von uns keine Belehrungen brauchen.“
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Bundeskanzlerin Merkel und EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen schweigen
Weder Kanzlerin Angela Merkel noch die EU-Spitzen wollten derweil den unklaren Wahlausgang öffentlich bewerten.
Vizekanzler Olaf Scholz pochte auf eine komplette Auszählung aller Stimmen. „Wir sollten alle gemeinsam darauf bestehen, dass demokratische Wahlen auch komplett stattfinden“, sagte der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat.
FDP-Chef Christian Lindner zeigte sich bestürzt über das Vorgehen des amtierenden US-Präsidenten. „Damit bahnt sich eine dramatische Konfliktsituation in der amerikanischen Demokratie an mit unabsehbaren Folgen.“
Es könne nun eine Situation entstehen, in der die USA „auf der internationalen Bühne überhaupt nicht handlungsfähig sind“, sagte Lindner mit Blick auf das mögliche Szenario, dass erst der Oberste Gerichtshof in einigen Wochen oder Monaten eine endgültige Entscheidung über den Wahlsieger treffen könnte.
Grünen-Chef Robert Habeck erklärte, Trump habe stärker abgeschnitten als Vorwahlumfragen vorausgesagt hätten: „Der Trumpismus ist robuster, als wir gedacht haben, und der geht auch nicht weg.“
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Die AfD-Fraktionschefin im Bundestag, Alice Weidel, lobte Trump: „Er hat das Establishment aufgebrochen“, sagte sie im ZDF. „Das war sein Wahlversprechen, und er hat das Versprechen eingehalten – das goutieren die Wähler.“
Ex-Botschafter Kornblum: EU sollte „Verantwortung tragen“
Außenpolitiker in Brüssel und in Berlin sind in Sorge, dass Trump in einer möglichen zweiten Amtszeit auch die Nato auf eine harte Belastungsprobe stellt. Er verlangt seit Langem, dass Nato-Partner wie Deutschland mehr Geld in ihre Verteidigungsbudgets stecken und besteht darauf, dass sie eine Bringschuld gegenüber der jahrzehntelangen Schutzmacht hätten.
Vor diesem Hintergrund machte sich SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich für eine stärkere Emanzipation Europas von den Vereinigten Staaten stark. „Es gibt ernst zu nehmende Stimmen auch in Europa, dass wir uns stärker abkoppeln müssen, auch von dem, was in den USA passiert. Und zu diesen Stimmen gehöre ich auch“, sagte Mützenich. Die Sorge, dass die USA aus der Nato austreten könnten, werde bei einem Wahlsieg Trumps bestehen bleiben. „Man muss es ernst nehmen.“
Der frühere US-Botschafter in Deutschland, John Kornblum, sagte dagegen unserer Redaktion: „Die EU sollte als Teil des Westens mehr Verantwortung tragen.“ Die Europäer seien im Jahr 2020 mehr von den Amerikanern abhängig als 1990.
Sloweniens Ministerpräsident gratuliert Trump vorzeitig zum Sieg
Der britische Außenminister Dominic Raab erklärte, sein Land respektiere die „checks and balances“, die gegenseitige Machtkontrolle der US-Verfassungsinstitutionen. Er sei zuversichtlich, dass diese zu einem Ergebnis führen werde.
Schottlands Premierministerin Nicola Sturgeon äußerte ihre Hoffnung, dass in diesen entscheidenden Stunden und Tagen auch Republikaner ihre Stimme für die Demokratie erhöben.
Erste Glückwünsche an Trump gingen aus dem EU-Land Slowenien ein. Ministerpräsident Janez Janša schrieb bei Twitter, es sei „ziemlich klar“, dass die Amerikaner Trump für vier weitere Jahre gewählt hätten. Weitere Verzögerungen und das Leugnen von Fakten in US-Medien würden den endgültigen Triumph für Trump noch größer machen.
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