Washington. US-Präsident Donald Trump hofft auf die Schützenhilfe des US-Verfassungsgerichts, um die Auszählung von Briefwahlstimmen zu stoppen.
Es klang wie eine knallharte Kampfansage. „Wir haben diese Wahl gewonnen“, sagte US-Präsident Donald Trump in der Nacht zum Mittwoch im Weißen Haus. „Dies ist ein massiver Betrug an unserer Nation.“ Und: „Wir werden vor den Supreme Court ziehen. Wir wollen, dass alles Wählen endet.“ Vermutlich bezog sich Trump damit auf die nach wie vor laufende Auszählung zahlreicher Briefwahlstimmen.
Der Präsident hatte zwar nach Angaben mehrerer TV-Sender heiß umkämpfte Bundesstaaten wie Florida und Ohio gewonnen. Doch rund 100 Millionen Amerikaner haben per Frühwahl abgestimmt, die meisten davon per Briefwahl. Diese Stimmen dürfen etwa im Bundesstaat Pennsylvania bis zu drei Tage nach dem Wahltag ausgezählt werden, in anderen Staaten dauert die Frist noch länger.
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Voraussetzung ist aber, dass die Briefe rechtzeitig eingegangen sind – also spätestens den Poststempel des Wahltags tragen. Das hat das US-Verfassungsgericht kürzlich beschlossen – die Republikaner hatten zuvor vergeblich in den jeweiligen Bundesstaaten dagegen geklagt.
US-Wahl: Trump hält Briefwahl für betrugsanfällig
Experten gehen davon aus, dass vor allem die Wähler des demokratischen Kandidaten Joe Biden per Brief votiert haben. Es könnte also sein, dass Trump zwar den wichtigen Staat Pennsylvania nach Auszählung aller am Wahltag abgegebenen Stimmen gewinnt. Kommen Tage später die Briefwahlstimmen für Biden mit auf die Rechnung, könnte sich das Ergebnis drehen.
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Pennsylvania hat mit seinen 20 von 270 notwendigen Wahlmännern eine Schlüsselbedeutung für die Präsidentenwahl. Aber auch Michigan spielt in dieser Hinsicht eine bedeutende Rolle.
Trumps Aktion kommt keineswegs überraschend. Er setzt das um, was er im Wahlkampf angekündigt hatte: Briefwahl sei „Betrug“ – Belege hierfür lieferte er nicht. Nach Ansicht von Experten gab es in der Vergangenheit keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten, die den Wahlausgang verfälscht hätten.
Trumps Kalkül mit Amy Coney Barrett
Der juristische Weg sieht nun so aus: Die Republikaner müssen zunächst vor den Verfassungsgerichten der entsprechenden Bundesstaaten gegen die Auszählung der Briefwahlstimmen klagen – also in Pennsylvania, Michigan oder North Carolina. Erst wenn sie hier scheitern, können sie vor den Supreme Court in Washington ziehen.
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Diese Variante hatte Trump wohl im Blick, als er die konservative Richterin Amy Coney Barrett vor wenigen Wochen im republikanisch dominierten Senat im Eilverfahren durchdrückte. Es ist ungewöhnlich, dass eine Partei kurz vor einer Präsidentenwahl einen Kandidaten oder eine Kandidatin durchboxt.
Genau mit diesem Argument des Timings hatten die Republikaner dem demokratischen Präsidenten Barack Obama seinen Richterkandidaten acht Monate vor der Wahl im November 2016 verwehrt. Die Verfassungsrichter werden auf Lebenszeit ernannt.
Trump setzt nun auf den Supreme Court als letzte Instanz, um die Auszählung der Briefwahlstimmen zu stoppen. Sein Kalkül: Mit Amy Coney Barrett verfügt das höchste Gericht des Landes über eine 6:3-Mehrheit konservativer Richter. Ob die Rechnung aufgeht, ist allerdings nicht garantiert.
Erstens hat sich Barrett noch nicht zur Briefwahlmaterie geäußert. Zweitens gab es in der Vergangenheit auch Fälle, bei denen das Oberste Gericht gegen die Trump-Linie urteilte. Lesen Sie auch: Warum Angela Merkel mit Donald Trump abgeschlossen hat
Trump vs. Biden: Die Anwälte stehen bereit
Außer bei der Verlängerung der Briefwahlauszählung in Bundesstaaten traf dies auch beim Reizthema der Steuerunterlagen Trumps zu. So sprach der Supreme Court dem Präsidenten im Juli „absolute Immunität“ – also Straffreiheit – ab. Das Gericht gestand der Bezirksstaatsanwaltschaft in Manhattan das Recht zu, grundsätzlich Finanzunterlagen Trumps einsehen zu können. Der Präsident hatte sich zuvor immer wieder geweigert.
Trump hat mit seinem Supreme-Court-Manöver wohl auch den umstrittenen Wahlausgang von 2000 im Blick. Damals entschied das US-Verfassungsgericht den Urnengang nach wochenlangem Auszählungsgezerre. Am Ende gewann der Republikaner George W. Bush gegen den Demokraten Al Gore mit einer hauchdünnen Mehrheit von 537 Stimmen.
Das Team von Biden scheint für eine juristische Feldschlacht gerüstet. „Niemals zuvor in unserer Geschichte hat ein Präsident der Vereinigten Staaten versucht, den Amerikanern in einer nationalen Wahl ihre Stimme wegzunehmen“, erklärte Bidens Wahlkampfchefin Jen O’Malley Dillon. Es stünden mehrere Teams an Rechtsexperten bereit, um einen möglichen Vorstoß von Trump abzuschmettern. „Und sie werden sich durchsetzen.“