Washington. US-Präsident Trump hat die Corona-Gefahren bewusst kleingeredet. Es ist ein Fall unterlassener Hilfeleistung historischen Ausmaßes.
Die Wirklichkeit kann kaum zynischer sein. Am Tag, als Donald Trump für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wird, über die Berechtigung lässt sich naturgemäß streiten, kommt heraus, dass der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sein Volk in einen „Krieg” geschickt hat, in dem Zehntausende den Tod fanden. Überflüssigerweise.
Nichts anderes ist das Substrat der schockierend selbstgefälligen Geständnisse, die Watergate-Enthüller Bob Woodward Trump in Interviews (!) über Monate (!) entlockt hat.
Demnach wusste der Präsident bereits Ende Januar durch seine Top-Berater, dass Corona eine weltumspannende, überaus tödliche Gefahr darstellt und die größte Bewährungsprobe für seine Präsidentschaft wird. Aber das behielt Trump für sich. Um keine Panik auszulösen, wie er am Mittwoch bekräftigte.
Trump zu Corona: „Ich wollte es herunterspielen“
Anstatt die Bevölkerung mit einer nüchternen Beurteilung über den Ernst der Lage zu versorgen, anstatt mit einem unzweideutigen Appell dafür zu werben, schnell die simpelsten Vorsichtsmaßnahmen gegen Ansteckung kollektiv einzuüben, anstatt seiner vornehmsten Pflicht nachzukommen, Schaden von seinem Volk abzuwenden, hat der erste Mann im Staate verharmlost, geleugnet, untertrieben, in die Irre geführt, gelogen, beschwichtigt, verniedlicht und betrogen.
Und das, wie die Tonbänder, die der eitle Trump in klammheimlicher Verehrung dem Ausnahme-Reporter Woodward ebenso bereitwillig wie erschreckend unüberlegt füllte, mit voller Absicht. O-Ton: „Ich wollte es herunterspielen.”
Rund 190.000 Tote – mit weitem Abstand mehr als in jedem anderen Land der Erde – sind das niederschmetternde Ergebnis dieser historischen Form von unterlassener Hilfeleistung, die für sich genommen zwei Amtsenthebungsverfahren rechtfertigen würde. Denn Rücktritt, für Trump ohnehin ein Tabu, wäre in diesem Fall viel zu einfach.
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Mitnichten war Anfang des Jahres die Situation gegeben, in der ein Präsident sensible Informationen von Bedeutung für die nationale Sicherheit für sich behalten muss, um Panik-Reaktionen in der Öffentlichkeit zu verhindern.
Amerika war nie ein Volk von leicht verschreckbaren Kindern, denen man die Wahrheit nicht zumuten kann. Im Gegenteil. Nur konsistent und umfassend mit belastbaren Risikoeinschätzungen versorgte Menschen können für sich und ihre Familien zeitnah die richtigen Entscheidungen treffen.
Trump vermittelte in den USA falsches Gefühl von Sicherheit
Trumps Zaudern und Zickzackkursfahren in den ersten Wochen der Krise haben wertvolle Zeit gekostet, das Riesenland von A bis Z auf den Ausnahmezustand vorzubereiten. Frühere „lockdowns”, die das öffentliche Leben vorübergehend lahmlegen, hätten das schleichende Wuchern der Epidemie verlangsamen, wenn nicht stoppen können. Eine konzertierte, entschlossene Aktion der Zentralregierung hätte Engpässe bei medizinischer Ausrüstung und Virus-Tests verhindern können.
Die bittere Realität: Trumps permanentes Abwiegeln und Verharmlosen – „Das Virus wird bald verschwinden”, „Wir haben alles unter Kontrolle” – hat Amerika von Beginn an ein falsches Gefühl von Sicherheit vermittelt. Immer dann, wenn Trump gegen den Rat von wirklichen Experten, die nach und nach mundtot gemacht wurden, die Botschaft aussendete, dass Amerika die Pandemie nicht wirklich ernst nehmen muss, dass die Warner und Mahner um Virologen wie Anthony Fauci Hysteriker sind, wurde das Sammelbecken der Desensibilisierten größer. Und damit die Zahl der Opfer. Man greift nicht zu weit, wenn man konstatiert, dass Trump den Tod Zehntausender mitverursacht hat.
Bis heute wirkt sein Unvermögen übel nach. Obwohl international lange Konsens besteht, dass Abstandhalten und Atemschutzmasken zur Grundausstattung einer aufgeklärten Corona-Gesellschaft zählen, unterläuft Trump (bis auf rare Ausnahmen, die für die Fernsehkameras inszeniert waren) immer noch die Maßgaben seiner eigenen Fachleute durch fahrlässige Masken-Abstinenz.
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Experten prognostizieren 400.000 Corona-Tote in den USA – bis Ende des Jahres
Bei Trump-Veranstaltungen herrscht darum heute Gedränge wie in Vor-Corona-Zeiten. Nur eine Minderheit trifft Sicherheitsvorkehrungen. Und muss sich dafür nicht selten von der Mehrheit, die das Stück Stoff im Gesicht nicht selten unter Berufung auf Trump als nichtsnutzig oder bevormundend empfindet, verspotten lassen.
Wie fatal das alles ist, wie groß das Chaos ist, das die präsidiale Ansprache bis heute auslöst, mag man in Umfragen am wachsenden Widerstand in der Bevölkerung gegen den von Trump allein aus Wahlkampf-Imagegründen herbeigeredeten Impfstoff ablesen.
Nur 20 Prozent der Amerikaner würden sich heute pieksen lassen, selbst wenn das Corona-Gegenmittel kostenlos wäre. 65 Prozent glauben, dass der Impfstoff, der zuerst auf den Markt kommt, durch die Prüfverfahren gepeitscht wurde und nicht hundertprozentig sicher ist.
Auch darum darf man die Prognosen von Forschern nicht auf die leichte Schulter nehmen, die den beratungsresistenten Präsidenten immer noch zu beraten versuchen. Sie gehen von rund 400.000 Corona-Toten in Amerika bis Ende dieses Jahres aus.