Berlin. Trotz guter Umfragewerte drängen in der Union viele ungelöste Probleme – das größte bleibt jedoch nach wie vor ungeklärte Machtfrage.

In der Hauptstadt kehrt nach der Sommerpause der parlamentarische Alltag wieder ein. Doch unpolitisch war auch der Corona-Sommer nicht – im Gegenteil.

Lange werden die Bilder im Gedächtnis bleiben: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Markus Söder im Kanzleramt bei der Ministerpräsidentenkonferenz. Merkel mit Söder im Schloss Herrenchiemsee. Merkel mit CDU-Ministerpräsident Armin Laschet vor der Zeche Zollverein. Gesundheitsminister Jens Spahn mit Maske vor Demonstranten, die ihn nicht zu Wort kommen lassen. Und Umfragekurven für die Union, die vor allem nach oben zeigen.

CDU-Führungsfrage: Bleiben wichtige Inhalte auf der Strecke?

Eigentlich sind CDU und CSU in einer komfortablen Situation. Die Mehrheit der Bevölkerung ist mit dem Krisenmanagement der Regierung zufrieden, die Zahl der Corona-Infektionen geht gerade wieder leicht zurück. Doch in den Parteien macht sich Unruhe breit. Die ungeklärte Frage des CDU-Vorsitzes gärt in der Union.

Am Mittwoch trifft sich der Fraktionsvorstand von CDU und CSU, auch Merkel ist dabei. Nach Meinung vieler CDUler führt das personelle Vakuum an der Spitze der Partei dazu, dass inhaltliche Debatten überhaupt nicht stattfinden – und sich stattdessen wieder die gefährliche Selbstbeschäftigung breitmacht, die man nach der Unions­krise 2018 gerade mühsam überwunden hatte.

Kritik gibt es hinter vorgehaltener Hand auch an CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Sie gebe inhaltlich keine Linie vor, die CDU positioniere sich in den aktuellen Debatten um Kurzarbeit und die gesellschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu wenig. Es wirke, als habe sich Merkel die CDU-Spitze zurückgeholt, sagt ein Spitzenpolitiker.

CSU genervt von der großen Schwester CDU

In der CSU ist man genervt, dass die CDU mit ihrer Führungsfrage nicht zu „Potte kommt“, wie es einer aus der CSU-Spitze ausdrückt. Die CDU sei derzeit in einem Nebel – der sich allmählich lichten sollte, heißt es. Der Koalitionspartner SPD kürte vor Kurzem pannenlos Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten – und spart nicht mit Spott.

„CDU und CSU verrennen sich gerade zunehmend in Machtfragen und parteipolitischen Interessen“, sagte SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil. „Der Machtkampf in der Union droht, die politische Handlungsfähigkeit der Bundesregierung zu gefährden.“ Da spricht ein Konkurrent. Doch tatsächlich gibt es Probleme in der Union - ein Überblick.

Parteitag: Kann die Veranstaltung trotz Coronavirus stattfinden?

Die Parteitreffen der Union, insbesondere der CDU, sind immer pompöse Veranstaltungen. Meist zwei- bis dreitägig, mit 1001 Delegierten und einer Vielzahl an Journalisten und Gästen. Zumal dann, wenn ein neuer Vorsitzender gekürt und somit möglicherweise ein aussichtsreicher Kanzlerkandidat nominiert wird.

Der Parteitag im April fiel der Corona-Pandemie zum Opfer, im Dezember ist nun ein Treffen in Stuttgart geplant. Doch kann es stattfinden, da Großveranstaltungen gerade erst bis zum Jahresende abgesagt wurden? Und wenn ja, wie kann ein Konzept aussehen? Oder ersetzen ein digitaler Parteitag und möglicherweise auch eine Online-Befragung für die Kandidatenkür die Zusammenkunft?

Noch halten die Parteigremien an einem stark verkleinerten Präsenztreffen fest. Hygieneregeln, Abstandsgebote und die Nachverfolgung der Teilnehmerkontakte haben bei den Planungen oberste Priorität. Details will die Spitze dem Vorstand am 14. September präsentieren, dann soll entschieden werden, ob der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Finanzexperte Friedrich Merz und der Außenexperte Norbert Röttgen vor den Delegierten ihre Bewerbungsreden halten können.

Parallel soll weiter an den von den Generalsekretären der Parteien auf den Weg gebrachten Änderungen am Parteiengesetz gearbeitet werden, wonach Parteitage künftig auch digital möglich sein können – auf Personalwahlen wird das aber voraussichtlich keinen Einfluss haben.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble jedenfalls ist strikt gegen eine Verschiebung: „Die Amerikaner – Demokraten wie Republikaner – haben gerade gezeigt, dass das geht. Weshalb sollte das der CDU Deutschlands nicht gelingen?“

Annegret Kramp-Karrenbauer – hier im Kanzleramt nach dem letzten Koalitionsausschuss Mitte August – tritt als CDU-Chefin öffentlich nicht mehr oft in Erscheinung.
Annegret Kramp-Karrenbauer – hier im Kanzleramt nach dem letzten Koalitionsausschuss Mitte August – tritt als CDU-Chefin öffentlich nicht mehr oft in Erscheinung. © Getty Images | Pool

Kandidaten: Wer wird der neue CDU-Chef?

In der Union wird derzeit auf zwei Ebenen um Führung gerungen. Zuerst soll im Dezember ein neuer CDU-Chef gewählt werden. Erst danach soll der Kanzlerkandidat gekürt werden. Neben dem neuen CDU-Vorsitzenden wird dafür auch Söder gehandelt. Und zwar auf allen Ebenen der Parteien. Was, wenn der CSU-Chef trotz der jüngsten Testpanne in seinem Bundesland in den Umfragen weiter vorne liegt und alle CDU-Kandidaten hinter sich lässt?

CDU sucht den Kanzlerkandidaten

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