Washington. Kellyanne Conway gibt als Trumps Chefberaterin auf – der Familie zuliebe. Wie den Conways geht es in Zeiten Trumps vielen US-Familien.

In Amerika sind Mary Matalin und James Carville politische Legenden alten Schlages. Die beiden inszenierten einen der wuchtigsten Wahlkämpfe der US-Geschichte. Matalin managte 1992 die Kampagne des Präsidenten George Bush I. Carville trommelte für den damals fast unbekannten demokratischen Provinz-Gouverneur Bill Clinton. Die Rivalen haben sich über ihre Arbeit kennen- und lieben gelernt. Nachdem Clinton ins Weiße Haus einzog, folgte die Heirat. Die seltene republikanisch-demokratische Ehe hält bis heute.

Bei Kellyanne Conway und ihrem Gatten George, die im nächsten Jahr 20. Hochzeitstag haben, konnte man sich da zuletzt nicht immer sich sein. Je länger die Amtszeit von Donald Trump wurde, desto energischer trat Kellyanne Conway als seine wichtigste und loyalste Beraterin allen entschlossen entgegen, die den Rechtspopulisten angriffen. Wie bei kommunizierenden Röhren tat George Conway das Gegenteil. Er nannte Trump ein „bösartigen Narzissten”, zweifelte an dessen geistiger Verfassung und unternahm bis zuletzt über eine hyperaktive Lobby-Gruppe im Internet alles, um dessen Wiederwahl zu hintertreiben.

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Die Ehe der Conways – eine repräsentatives Beispiel für die politische Spaltung Amerikas

Wurde das Paar in der Öffentlichkeit auf den krassen Dissens angesprochen, herrschte meist beredtes Schweigen. Man könne Berufliches und Eheleben voneinander trennen, beteuerte das Paar. Am Wochenende ist die schräge Reality-Show geplatzt. Dahinter kommt ein Familien-Drama unter Beteiligung von vier heranwachsenden Kindern zum Vorschein, das bei aller Individualität in gewisser Weise repräsentativ ist für die extreme politisch-kulturelle Polarisierung in den USA: Spaltpilz Donald Trump hat sich längst in den Wohnzimmern der Nation eingenistet. Oder wie es der Historiker Gil Troy im vergangenen Jahr der „New York Times” über die Conways sagte: „Diese Ehe repräsentiert die Massenkarambolage, zu der unsere gegenwärtige politische Kultur geworden ist.”

Lange war Kellyanne Conway die loyale Chefberaterin an Donald Trumps Seite. Damit eckte sie sogar innerhalb ihres engsten Familienkreises an.
Lange war Kellyanne Conway die loyale Chefberaterin an Donald Trumps Seite. Damit eckte sie sogar innerhalb ihres engsten Familienkreises an. © AFP | NICHOLAS KAMM

Psychologen beschreiben seit langem aus ihrer Praxiserfahrung, dass vielerorts Familienbande gesprengt wurden, Ehepartner und Verwandte im Kalten Krieg miteinander liegen, weil sich Trump-Anbeter und Trump-Hasser unter einem Dach einfach nicht mehr aushalten können. Der Präsident, der keine Grautöne kennt, ist in dieser kranken Familienaufstellung derjenige, der von fern den Kitt aus den Fugen kratzt. Bis alles zusammenbricht. Auch interessant: „Lincoln Project“ – Diese Republikaner wollen Trump stoppen

Eines der Conway-Kinder startete einen öffentlichen Hilferuf

Bis zum Wochenende haben die Conways den Drahtseilakt im Namen innerehelicher Emanzipation aufrecht erhalten. Sie durfte gemäß ihrer Stellenbeschreibung Trump beschützen, und seien dessen Lügen auch noch so unentschuldbar. Er musste sich nicht auf die Zunge beißen, wenn ihm die Präsidentschaft wie eine Abrissbirne an allen Prinzipien der republikanischen Partei und des Konservatismus vorkam. Lesen Sie auch: Trumps Schwester drohte: „Ich werde dich platt machen“

Mindestens eines der vier Kinder hielt den Spagat nicht länger aus und startete nicht weniger als einen öffentlichen Hilferuf. In dieser prekären Situation blieb den Conways keine andere Wahl, als ihre schräg-schaurige Dreiecksbeziehung mit Trump aufzulösen und sich, sie wie er, radikal auf Entzug zu setzen.

Ob das psychische Leiden der Tochter der einzige und wahre Grund für die spektakuläre Demission war, die wie eine Stinkbombe in den gestern Abend (Montag) begonnenen Nominierungsparteitag der Republikaner platzte, steht dahin. Frau Conway ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass man ein sinkendes Schiff am besten früh verlässt. Im Falle einer Niederlage Trumps im November wäre das dem Honorar für ihre absehbaren Memoiren vermutlich zuträglich. Auch interessant: Demokratischer Kandidat Joe Biden: So wäre er als Präsident