Washington. Donald Trump verliert mit Kellyanne Conway seine Chefberaterin. Der Grund: die Familie. Wir erklären die Hintergründe des Rücktritts.
- Kellyanne Conway ist als Chefberaterin von Donald Trump zurückgetreten
- Die 53-Jährige, Begründerin des Begriffes „alternative Fakten“, will sich mehr um ihre Familie kümmern
- Conways Ehemann George gilt als Trump-Kritiker, auch ihre Tochter Claudia wettert öffentlich: „Der Job meiner Mutter hat mein Leben ruiniert”
Sie war die Erfinderin der „alternativen Fakten” und Präsident Donald Trumps dienstälteste und loyalste Top-Beraterin im Weißen Haus. Bis Sonntagabend. Da nahm Kellyanne Conway überraschend ihren Hut. Ende des Monats ist für die 53-Jährige aus New Jersey Schluss, berichten diverse US-Medien. Die Begründung ist ebenso privat wie schillernd.
Denn nicht nur Frau Conway zieht beruflich vorläufig einen Schlussstrich. Auch ihr Ehemann George Conway, der seit Jahren zu den erbittertsten Gegnern und Kritikern Trumps gehört und regelmäßig an dessen Zurechnungs- und Amtsfähigkeit zweifelt, tritt zurück. Und zwar vom „Lincoln Project”.
Das ist eine Gruppe von Top-Republikanern, die mit provokanten, sehr professionell gemachten Videos in sozialen Medien seit Wochen Trump angreifen und seine Wiederwahl am 3. November unbedingt verhindern wollen. Auch bei Twitter, wo George Conway bis zuletzt täglich gegen Trump zu Felde zog und Trump als „geistesgestörten Narzissten“ bezeichnete, will sich der bekannte Anwalt ab sofort Schweigen auferlegen.
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Corona: Ehepaar Conway will mehr Zeit für die Familie
Stellungnahmen der Eheleute weisen darauf hin, dass sie im Zeitalter von Corona mehr Zeit für ihre vier Kinder haben wollen, die wie Millionen andere junge Amerikaner auch in diesem Herbst für längere Zeit virtuellen Schul-Unterricht erhalten werden und zuhause bleiben. „Wir sind uns bei vielen Dingen uneins”, sagt Kellyanne Conway mit Blick auf den rigorosen Anti-Trump-Kurs ihres Gatten, den Trump einmal öffentlich eine „völlige Niete” genannt hatte. „Aber wir sind vereint, wenn es um das Wichtigste geht: die Kinder.”
Hier geht es vor allem um die 15-jährige Claudia Conway. Sie hatte am Wochenende massiv öffentlich Front gemacht gegen Frau Mama. „Ich bin am Boden zerstört, dass meine Mutter bei den Republikanern spricht“, schrieb die 15-Jährige auf Twitter mit Blick auf den Parteitag und kündigte an, sich von ihren Eltern bei nächster Gelegenheit offiziell lossagen zu wollen. „Der Job meiner Mutter hat mein Leben ruiniert. Es zerreißt mir das Herz zu sehen, wie sie immer weiter macht, obwohl sie jahrelang dabei zugesehen hat, wie ihre Kinder leiden. Egoistisch. Es geht nur ums Geld und um Ruhm, meine Damen und Herren.”
Der Teenager machte in vorherigen Beiträgen deutlich, dass sie auch mit ihrem Vater in den meisten Angelegenheiten im Clinch liege. Ausnahme: die gemeinsam geteilte Überzeugung, dass Trump als Präsident eine Katastrophe sei.
George Conway gestattete sich eine ironische Note, als er die Bedeutung der Entscheidung beider Eheleute einzuordnen versuchte: „Fürs erste, und für meine heißgeliebten Kinder, wird es weniger Drama und mehr Mama geben.”
Dabei war George Conway, ein Konservativer durch und durch, 2016 am Wahlabend noch voll der Freudentränen über Trumps Sieg. Die beiden Männer, hier der erfolgreiche Top-Anwalt, dort der Immobilien-Mogul, kannten sich. Conway wohnte einst in Trumps World Tower in Manhattan. Schon nach wenigen Amtswochen ging Conway auf Konfrontationskurs.
Er ist heute der mit Abstand gnadenloseste Kritiker des Präsidenten, dem er eine schwere narzisstische Persönlichkeitsstörung bescheinigt. Trump hatte ihn lange ignoriert. Später ließ er die These lancieren, George Conway sei auf seine im Rampenlicht stehende Frau „neidisch”. Außerdem habe er einen Job in der Trump-Regierung haben wollen – aber nicht bekommen. Conway bestreitet das. Er sagt, Trump sei intellektuell und psychisch absolut ungeeignet für sein Amt, weil ihm der Respekt davor fehle. Trump sei „ein Krebsgeschwür auf der Präsidentschaft”.
Die Frage, wie die Conways privat mit ihrer Trump-Hass-Liebe umgehen, beschäftigt seit Jahren die politische Klasse in Washington. Insider glaubten an eine große Inszenierung, andere an eine zutiefst zerrüttete Familie, die jeden Tag auf der Rasierklinge reitet. Damit ist bis auf weiteres Schluss.
Kellyanne Conway: Sie ist die Erfinderin der „alternativen Fakten“
Kellyanne Conway, Inhaberin eines Umfrageunternehmens, war in der heißen Phase des Wahlkampfes 2016 gemeinsam mit dem rechtspopulistischen Ideologen Steve Bannon zum Team des damaligen Kandidaten Trump gestoßen. Seit der Amtseinführung Trumps im Januar 2017 war Conway offiziell als Beraterin im Weißen Haus tätig und gehörte zu den sichtbarsten Verteidigerinnen des Präsidenten im Fernsehen.
Zu Beginn ihrer Tätigkeit sorgte Conway für Aufsehen, als sie Trumps notorische Unwahrheiten „alternative Fakten” taufte. Neben dem Unwort bleibt sie auch in Erinnerung für einen erfundenen Terroranschlag. Hintergrund: Zur Rechtfertigung der von Trump 2017 verhängten Einreiseverbote gegen Muslime verwies Conway auf ein „Massaker”, das zwei Iraker in Bowling Green im Bundesstaat Kentucky begangen haben sollen.
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Viele Amerikaner, sagte Conway damals live im Fernsehen, wüssten nichts davon, weil darüber „nicht berichtet“ worden sei. Worauf die „Washington Post“ stellvertretend für viele Medien anmerkte: „Über das Bowling-Green-Massaker ist nicht berichtet worden, weil es sich nicht ereignet hat.“ Conway korrigierte sich am Tag danach.
Kellyanne Conway war als Rednerin beim Republikaner-Parteitag eingeplant
Ihren Hang zu Provokation lebte Kellyanne Conway auch aus, nachdem die Kaufhauskette Nordstrom Ivanka Trumps Kollektion 2017 wegen angeblich schwacher Verkaufszahlen abbestellt hatte. „Los, kauft Ivankas Sachen”, polterte sie im US-Fernsehen. Der Ethikrat des Weißen Hauses ermittelte. Conway blieb bis zuletzt über die Kritik an ihr gelassen. Sie war bis zum Sonntag als Rednerin auf dem am Montag beginnenden Nominierungsparteitag für Präsident Trump vorgesehen. Ob sie am Mittwoch vors Mikrofon tritt, ist mehr denn je offen. Zuzutrauen ist ihr vieles. Sie habe „Eis in den Venen”, schrieb einmal die New York Times.
Tochter Claudia muss es am Wochenende zum Schmelzen gebracht haben. Über sich selbst erschrocken schrieb das Mädchen, dass sie sich zur Pflege ihrer geistigen Gesundheit eine Pause in den sozialen Medien verordnet habe. Ihr letzter Appell: „Bitte keinen Hass gegenüber meinen Eltern!“