Düsseldorf. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet will CDU-Chef und Kanzler werden. Ein Gespräch über Corona, Gerechtigkeit und Deutschlands Zukunft.

Es ist drückend heiß in Düsseldorf, trotzdem trägt der Ministerpräsident dunklen Anzug und Schlips. Auf der roten Seide des Binders schimmert dezent das Olympia-Logo – Armin Laschet würde die Spiele gerne ins Ruhrgebiet holen. Das Gespräch mit dem Ministerpräsidenten ist ausführlich, die Bandbreite der Themen groß: Längst geht es nicht ausschließlich um Nordrhein-Westfalen. Armin Laschet will im Dezember CDU-Chef werden und steht auch bereit für die Kanzlerkandidatur. Bis dahin muss er noch viele Herausforderungen meistern. Die Corona-Pandemie ist wohl die Schwierigste.

Herr Ministerpräsident, die Corona-Krise verschärft sich wieder. Ist jetzt Schluss mit der Lockerungspolitik, die viele mit Ihrem Namen verbinden?

Armin Laschet: Für mich galt und gilt: Wenn Infektionszahlen sinken, müssen Grundrechtseingriffe zurückgenommen werden, wenn Infektionszahlen steigen, müssen Schutzvorkehrungen verstärkt werden. Bildung für alle ist eine Frage sozialer Gerechtigkeit. Deshalb war es mir wichtig, früh Kitas und Schulen verantwortungsvoll wieder zu öffnen. Das ist nun deutschlandweit so. Sollte das Infektionsgeschehen sich wieder ernster entwickeln, dürfen wir nicht wieder als erstes Kitas und Schulen schließen. Wir müssen bei steigenden Infektionszahlen bessere und zielsicherere Antworten finden. Es ist jetzt zum Beispiel keine Zeit für Großveranstaltungen.

Trotz Reisewarnung heben volle Flieger nach Mallorca ab. Sind die Deutschen unvernünftig?

Laschet: Nein, der überwiegende Teil der Menschen ist sehr verantwortungsvoll. Entscheidend ist nicht, wo man ist, sondern dass man auch im Urlaub Abstand hält und Hygieneregeln beachtet.

Wieso müssen die Vernünftigen für die Unvernünftigen zahlen? Wer in Risikogebiete zum Urlauben fliegt, hat doch auch genug Geld für einen Test.

Laschet: Solche Corona-Tests für Reisende aus Risikogebieten sollten mittelfristig ähnlich wie Flughafengebühren auf den Reisepreis aufgeschlagen werden. Es ist nicht akzeptabel, dass dies auf Dauer die Allgemeinheit bezahlt. Jetzt aktuell geht es um konsequentes und schnelles Handeln zum Schutz aller. Deshalb gibt es jetzt kostenlose Pflichttests nach Rückkehr. Eine Dauerlösung ist das nicht.

Interview Armin Laschet in Düsseldorf (Büro des Ministerpräsidenten NRW)
Interview Armin Laschet in Düsseldorf (Büro des Ministerpräsidenten NRW) © Malte Krudewig | Malte Krudewig

In Bus und Bahn sieht man viele Maskenmuffel. Was nützen Verbote, wenn Sie niemand durchsetzt?

Laschet: Die Einhaltung der Maskenpflicht wird doch gerade hier in Nordrhein-Westfalen konsequent durchgesetzt. Aber es ist wie im Straßenverkehr – nicht jeder hält sich von alleine an die Regeln und da braucht es Kontrollen. Für Maskenverweigerer in Bus und Bahn haben wir ein Bußgeld in Höhe von 150 Euro eingeführt. Wir werden zum Beginn der Woche landesweit Schwerpunktkontrollen durchführen. Das Nichteinhalten der Maskenpflicht verunsichert und gefährdet Mitmenschen, deshalb werden wir das nicht durchgehen lassen. Noch wichtiger finde ich auch Verstöße gegen die Quarantänepflicht konsequent zu sanktionieren – und da reicht der mögliche Rahmen bis zu 25.000 Euro. Wer sich nicht an eine verhängte Quarantäne hält, gefährdet absichtlich die Gesundheit anderer. Diesen Regelbruch werden wir konsequenter ahnden. Wir brauchen eine Vollzugsoffensive. Das schützt am Ende alle, gerade auch die vielen Vernünftigen. Das ist nämlich weiterhin die klare Mehrheit.

Ihr „Teampartner“ Jens Spahn will den Karneval absagen. Was sagen Sie dazu?

Laschet: Eine solche Entscheidung werden wir gemeinsam mit den Karnevalsvereinen treffen. Ich teile, was Gesundheitsminister Spahn sagt: Angesichts der aktuellen Infektionszahlen fällt es schwer, sich vorzustellen, dass wir den Karneval, so wie wir ihn kennen, feiern können. Es ist aber ein großer Unterschied, ob wir über eine Party, eine Fernsehsitzung oder einen Straßenumzug sprechen. Daher werden wir das mit den Verantwortlichen besprechen und dann entscheiden. Der 11.11. kann in diesem Jahr aber sicher nicht in der Form wie bisher üblich stattfinden. Darauf habe ich schon vor dem Sommer hingewiesen.

Wann können Sie die Stadien wieder für Fans öffnen?

Laschet: Es gibt ein sehr verantwortungsvolles Schutzkonzept der Deutschen Fußball Liga. Auf dieser Grundlage gab es tatsächlich die Hoffnung, dass wir bald wieder Stadionbesuche zulassen können. Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens scheint das derzeit aber schwierig. Wir brauchen hier zeitnahe eine Absprache aller Ministerpräsidenten, wobei man aktuell hier wenig Hoffnung auf große Veranstaltungen machen sollte.

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Was würde der Bundeskanzler Armin Laschet tun, um das Land aus einer historischen Rezession zu holen?

Laschet: Die Bundeskanzlerin heißt Angela Merkel. Als Ministerpräsident eines großen Industrielandes arbeite ich daran, unser Land gut durch diese Krise bringen. Im Dialog mit Arbeitgebern und Gewerkschaften tun wir alles, um Arbeitsplätze zu erhalten. Das hat hohe Priorität, denn wir werden weiter mit der Pandemie leben. Wir müssen zunächst alles tun, damit wir industrielle Strukturen erhalten. Was einmal weggebrochen ist, kommt so nicht wieder. Wir müssen die Chance, durch Kurzarbeit Menschen in Arbeit zu halten und Arbeitslosigkeit zu verhindern, nutzen. Dies hilft den Arbeitnehmern und entlastet die Arbeitgeber, damit der Betrieb die Krise überstehen kann. Diese Regelung müssen wir jetzt verlängern und ich wünsche mir, dass der Koalitionsausschuss das so beschließt. Klar ist aber: Staatliche Subventionen sind allenfalls eine Übergangslösung. So haben wir ein Konjunkturprogramm aufgesetzt, das bewusst auf Innovationen setzt. Wenn alle staatlichen Ebenen in einem solchen Kraftakt Mittel investieren, können wir nicht nur bisherige Strukturen erhalten, sondern für unser Land daraus einen Modernisierungsschub machen.

Überlebt die Wirtschaft einen zweiten Lockdown?

Laschet: Überleben ist ein großes Wort. Die wirtschaftlichen Schäden des Lockdown vom Frühjahr werden erst im Herbst voll zu Tage treten. Ein zweiter Lockdown wäre in den Auswirkungen sicher fatal, katastrophaler als der erste. Deshalb müssen wir alles tun, um genau das zu verhindern und wenn nötig andere Antworten auf steigende Infektionszahlen parat haben.

Wie soll das Land diese immensen Schulden zurückzahlen?

Laschet: Das wird Deutschland nur schaffen, wenn es wirtschaftlich gestärkt wieder auf die Beine kommt und durch Konjunkturanreize die Steuereinnahmen steigen. Dass Deutschland so handlungsfähig ist, ist übrigens ein Ergebnis unserer soliden Haushaltspolitik der letzten Jahre. Manche haben polemisch über die Schwarze Null und die solide Finanzpolitik der letzten Jahre gelästert. Jetzt sind wir handlungsfähig, weil wir in guten Zeiten gespart haben. Und manchmal braucht es für die Stärkung der Wirtschaft auch einen Umweg wie bei dem großen europäischen Wiederaufbaufond, der ganz Europa stärkt, was gerade unserer exportorientierten Wirtschaft hilft. Wir haben ein großes Interesse daran, dass ganz Europa schnell wieder auf die Beine kommt.

Aus der SPD gibt es Vorschläge zu einem Lastenausgleich oder einer Sonderabgabe für Vermögende…

Laschet: …ja, das fällt einigen in der SPD immer als Erstes ein. Die Forderung nach einer sogenannten Reichensteuer kommt, seit ich politisch denken kann. Nur eben mit immer neuen Begründungen – diesmal ist es eben Corona. Man trifft damit besonders Personengesellschaften, zum Beispiel mittelständische Handwerksbetriebe, denn für viele ist ihr Vermögen der Betrieb, der ja Arbeitsplätze bietet. Von daher ist das Gegenteil des SPD-Vorschlags richtig: die Leute und Betriebe, die unsere Wirtschaft am Laufen halten, verdienen Vertrauen, Schutz und Entlastung – und keine Steuer-Strafe.

Deutschland diskutiert die 4-Tage-Woche. Wie stehen Sie dazu?

Laschet: Auch das ist keine Antwort auf die Herausforderungen der Krise. Im Gegenteil, das gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit der kleinen und mittleren Unternehmen.

4-Tage-Woche wegen Corona - Vorschläge von IG Metall und Linke

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    Na, da können wir uns Ihre Haltung zum bedingungslosen Grundeinkommen ja vorstellen…

    Laschet: …davon habe ich tatsächlich noch nie etwas gehalten. Arbeit ist doch viel mehr als nur Geldverdienen. Mein Ziel ist es dass möglichst viele Menschen am Wirtschaftsleben teilnehmen. Gute Arbeit, eine entsprechende Aufgabe, geben doch nicht nur Lohn und Gehalt, sondern auch Selbstwertgefühl und einen Sinn im Leben.

    Der Weg zur Kanzlerschaft führt über den Parteivorsitz. Wird der geplante Parteitag mit über 1000 Delegierten im Dezember stattfinden können?

    Laschet: Wir sind uns im Präsidium der CDU einig, dass wir diesen Parteitag durchführen wollen, wenn das irgendwie unter verantwortungsvollen Regeln möglich ist. Parteien sind gesetzlich verpflichtet, in regelmäßigen Abständen ihre Führung zu bestimmen. Das kann man nicht einfach auf unbestimmte Zeit aussetzen. Verantwortungsvoller Infektions- und Gesundheitsschutz haben auch hier oberste Priorität.

    Die SPD hat sich auf Olaf Scholz als Kanzlerkandidat festgelegt, was sagen Sie dieser Personalie?

    Laschet: Die Entscheidung bleibt eine Entscheidung der SPD. Olaf Scholz war jedenfalls ein in Hamburg breit anerkannter Bürgermeister und er leistet seinen Beitrag in verantwortungsvoller Position im Kabinett von Angela Merkel. Die gesamte Bundesregierung macht eine gute Arbeit.

    Sind Sie eigentlich mit sich selbst zufrieden, wenn Sie auf die vergangenen Monate blicken?

    Laschet: Seit dem Frühjahr erleben alle Verantwortungsträger eine nie dagewesene Ausnahmesituation, in der wir Tag und Nacht über ein einziges Thema und die Folgen nachdenken, Maßnahmen entwickeln und umsetzen, jedes Detail betrachten müssen und auf allen Ebenen alles geben, um die Menschen zu schützen und unser Land gut durch diese Krise zu führen. Nordrhein-Westfalen ist im Vergleich mit anderen in Europa bisher gut durch die Krise gekommen. Das ist das, was für mich zählt.

    Die Kanzlerin hat Ihnen „Rüstzeug“ von Gewicht attestiert, was ist Ihr wichtigstes Rüstzeug?

    Laschet: Natürlich ist es wichtig, wenn man auf erfolgreiches Regierungshandeln verweisen kann. Insgesamt erfahre ich viel Wertschätzung und Anerkennung für das, was wir seit Amtsantritt, seit der Ablösung von Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen leisten – von der inneren Sicherheit über wirtschaftliche Entwicklung bis zur Bildungspolitik. Dass auch die Bundeskanzlerin unsere Arbeit in diesem großen Land anerkannt hat, freut mich.

    • Lesen Sie dazu: Ein kleines Lob von Merkel für Laschet

    In welchem Lager würden unsere Stimmen landen, wenn wir Laschet wählen würden. Schlägt Ihr Herz für Schwarz-Grün oder eher für die ganz große Mehrheit mit der SPD?

    Laschet: Die Lager von früher gibt es so nicht mehr. Man muss eine eigene Idee und konkrete Vorstellung von der Zukunft unseres Landes mitbringen und dabei die Sorgen der Menschen ernst nehmen und berücksichtigen. Man sollte vielmehr sicher und verlässlich formulieren, welche Bündnisse man auf keinen Fall eingehen wird. Und da ist die CDU sehr klar: keine Koalition mit den Populisten von Links und Rechts, Diese Klarheit würde ich mir auch von der SPD wünschen.

    Olaf Scholz empfiehlt der Union die Oppositionsbank…

    Laschet: Das ist ein mutiger Hinweis von Jemandem, der bei 15 Prozent liegt.

    Wie haben wir uns eine Kanzler-Laschet-Kampagne vorzustellen? Was ist Ihr Kernthema, mit dem Sie die Wähler gewinnen wollen?

    Laschet: Über die Kanzlerkandidatur wird später entschieden. Fest steht: Im nächsten Jahr wird die wirtschaftliche und soziale Lage sicher großen Einfluss im Wahlkampf haben. Ich habe als Ministerpräsident immer versucht, Gegensätze aufzulösen, wie den von Kapital und Arbeit, damit eine soziale Marktwirtschaft möglich ist. Aktuell ist es unsere Herausforderung, die Ziele des Klimaschutzes zu erreichen und trotzdem Industrieland zu bleiben, die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie also. Wir steigen aus der Kohle aus, aber verträglich für die Beschäftigen und im Konsens mit den Gewerkschaften. Und die Zukunft Europas wird uns nächstes Jahr viel abverlangen. Wir müssen bei der Suche nach Lösungen für globale Probleme viel stärker europäisch als in nationalen Alleingängen handeln. Und all denen, die innerhalb und außerhalb Europa schwächen wollen, müssen wir kraftvoll und offensiv entgegentreten.

    Ohne Namen zu nennen: Was spräche dagegen, demjenigen Unions-Politiker bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt zu lassen, der objektiv die besten Chancen auf den Sieg hat…

    Laschet: CDU und CSU werden sich auf den Kandidaten verständigen, der die besten Chancen hat, zu gewinnen und der dieses wichtige Amt gut ausüben kann.

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