Herrenchiemsee. Angela Merkel besucht erstmals als Kanzlerin das bayerische Kabinett. Symbolträchtige Bilder mit Markus Söder sorgen für Spekulationen.
Die Kanzlerin neben ihm in der Kutsche vor dem prunkvollen Schloss. Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder konnte sich noch vor einem halben Jahr solche Bilder wohl kaum selbst ausmalen. Bundeskanzlerin Angela Merkel zu Besuch auf Schloss Herrenchiemsee in Bayern – beide Unionspolitiker wissen sehr genau, dass aufgrund der schönen Bilder Spekulationen über den Besuch beim „Kronprinzen“ nicht fehlen werden.
Dass eine Kanzlerin das bayerische Kabinett besucht, ist höchst ungewöhnlich, Merkel hat es bislang noch nie getan. Sie galt bislang auch nie als große Verfechterin der Freundschaft zwischen CDU und CSU.
Wer die nüchterne Kanzlerin und ihr stetes Abwägen kennt, kommt zu dem Schluss: Es geht um mehr. Merkel hat ein schweres Jahr hinter sich. Unzählige Male wurde über das Ende der Koalition aus Union und SPD spekuliert und damit über ihr frühzeitiges politisches Aus. Spekulationen über Neuwahlen gab es nahezu täglich, es schien nicht ganz klar, ob sie die EU-Ratspräsidentschaft noch als deutsche Regierungschefin in der zweiten Jahreshälfte dieses Jahres noch erreichen wird.
Merkel und Söder: Steigende Zustimmungswerte in der Corona-Krise
Dann kam die Corona-Krise und Merkels Stunde. Sie steuerte das Land souverän durch die erste Phase der Krise, ihre Zustimmungswerte und auch die ihrer Partei stiegen wöchentlich. Ihre vorsichtige Art im Umgang mit der Pandemie bewahrte das Land vor Schlimmerem, die Bevölkerung trug ihren Kurs überwiegend mit. Unabhängig allen politischen Kalküls traf sie damit in Markus Söder auf einen Verwandten im Geiste.
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Auch der bayerische Landeschef entschied sich sofort für einen restriktiven Kurs und wird des Warnens vor einer zweiten Welle nicht müde. Und sein Krisenmanagement kommt nicht nur in Bayern, sondern in weiten Teilen der Republik sehr gut an. Der Mann, der früher von Freund und Feind gleichermaßen als charakterlich mindestens schwierig eingeschätzt wurde, stolperte in der Vergangenheit meistens über seinen Ehrgeiz.
Söder konnte der Kanzlerin imponieren
Die Zeit scheint vorbei: Söder punktet bei den Menschen, wirkt nicht mehr arrogant, sondern zugewandt. Merkel beobachtet sehr genau, macht sich über Söders Ambitionen und sein persönliches Kalkül keine Illusionen.
Doch er imponiert ihr, sie schätzt seine Fähigkeit, Sachverhalte und Situationen sekundenschnell zu erfassen. Und ihr hat die Wende zum „grünen“ Gesicht der Union imponiert – ebenso die Beruhigung der Lage der Schwesterparteien, an der sie gemeinsam mit dem früheren CSU-Chef Horst Seehofer großen Anteil hatte.
Seehofer hatte sie im Jahr 2015 öffentlich gedemütigt, als er sie und ihre Flüchtlingspolitik beim CSU-Parteitag auf offener Bühne abkanzelte. Sie musste stehend die Strafpredigt über sich ergehen lassen. Sie hat es ihm nie verziehen.
Mit Söder gibt es solche öffentlichen Traumata nicht. Dass er ihre Flüchtlingspolitik nicht schätzte, die AfD eine Zeitlang gerne rechts überholt hätte – Merkel weiß das alles. Aber sie sieht auch, dass er selbst mittlerweile diese Taktik als großen Fehler betrachtet, jüngst sogar eine Art Entschuldigung vom CSU-Generalsekretär zu hören war. Im Sommer vor zwei Jahren, als sich CDU und CSU intern zerlegten, schien auch das unmöglich.
Wird Merkel 2021 von einem CSU-Kanzler abgelöst?
Die Zeiten haben sich also geändert. Für Merkel wäre die Übergabe der Macht 2021 an einen Unions-Kanzler ein Traum. Es ist bislang noch nicht geglückt, dass sich ein Kanzler selbstbestimmt zurückzog und die Macht in der gleichen Partei blieb. Eine Übergabe wäre die Vollendung ihrer politischen Karriere.
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Und so kann man den Besuch durchaus als Fingerzeig der Kanzlerin werten, die sich die Machtverteilung in der Union und die Aufstellung fürs Wahljahr sehr genau anschauen wird. Eines aber tut sie mit ihrem Besuch auf jeden Fall: Sie wertet CSU-Chef Markus Söder auf, bietet ihm eine große Bühne. Ganz bewusst.