Berlin. Mehrwertsteuersenkung bis Jahresende, Kinderbonus von 300 Euro: Das Konjunkturpaket der Bundesregierung kommt. Das muss man nun wissen.
- Der Bundestag hat ein Konjunkturpaket beschlossen, das die deutsche Wirtschaft in der Corona-Krise stärken soll
- Zu dem milliardenschweren Paket gehört die zeitweise Senkung der Mehrwertsteuer und der Corona-Kindergeld-Bonus
- Was sind die Haupt-Punkte des Konjunkturpakets?
Es waren lange und zähe Verhandlungen – am Ende stand ein 130 Milliarden-Euro-Konjunkturpaket , das die Republik so noch nicht gesehen hat. Bis es soweit war, verhandelten Union und SPD – mit einer Unterbrechung für eine kurze Nachtruhe – fast zwanzig Stunden lang. Ähnlich lang hatten die Koalitionsspitzen im Herbst vergangenen Jahres miteinander gerungen, als es um das Klimaschutzpaket ging. Dieses Mal wurden die Gespräche jedoch auf zwei Tage verteilt.
Die Krise brauche eine „mutige Antwort“, sagte Kanzlerin Angela Merkel dann. Es seien „lange, intensive Beratungen“ gewesen, aber gute Beratungen „Wir versuchen aus dieser extrem schwierigen Situation gemeinsam stark herauszukommen“, betonte die Kanzlerin. Das vereinbarte Paket sei ein guter „Grundstein“ für den Weg aus der Corona-Wirtschaftskrise.
Alle Punkte des Corona-Konjunkturpakets
- Kinder-Bonus : Familien erhalten pro Kind 300 Euro. Der Bonus soll in drei Raten gezahlt werden. Er muss versteuert werden, wird aber nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Lesen Sie hier: So bekommen Familien den Kinder-Bonus von 300 Euro.
- Mehrwertsteuer wird gesenkt: Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember wird der Mehrwertsteuersatz von 19 auf 16 Prozent und der ermäßigte Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt.
- Sozialversicherungsbeiträge werden bis 2021 bei maximal 40 Prozent gedeckelt.
- Kaufprämien für den Kauf klima- und umweltfreundlicher Elektrofahrzeuge werden verdoppelt.
- Unternehmen und Bürger sollen bei Energiepreisen entlastet werden.
- Mehr Geld für Forschung und Modernisierung bei Digitalisierung, Kommunikation, Hightech sowie Klima- und Energiewende.
- Verstärkte Eigenproduktion für wichtige Medizinartikel, Aufbau einer nationalen Notfallreserve für künftige Pandemien.
- Milliardeninvestitionen in Krankenhäuser .
- Unternehmen erhalten Prämien für Ausbildungsplätze.
- Höhere Steuern für Autos mit hohen Abgaswerten.
- Insolvenzverfahren sollen auf drei Jahre verkürzt werden.
- Für Kunst und Kultur soll es ein eine Milliarde Euro umfassendes Hilfsprogramm geben.
- Der Bund fördert den Ausbau von Kindergärten, Kitas und Krippen. Das Investitionsprogramm für den Ausbau von Ganztagsschulen und Ganztagesbetreuung wird beschleunigt.
Corona-Konjunkturpaket: „Mit Wumms aus der Krise“
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sagte, die Verbraucher sollten die von der großen Koalition beschlossene Mehrwertsteuer-Senkung in den kommenden Monaten auch im Portemonnaie spüren. Er erwarte, dass die Wirtschaft sie nicht zu ihrem Vorteil nutze, sondern an die Bürger weitergebe. Das beschlossene Konjunkturpaket werde Deutschland helfen, „mit Wumms aus der Corona-Krise“ zu kommen. Lesen Sie hier: Corona-Krise – Kabinett beschließt die Mehrwertsteuersenkung
CSU-Chef Markus Söder betonte, der Konsum müsse angekurbelt werden. „21 Stunden Verhandlung, ein guter Konsens für alle“, seien ein gutes Ergebnis.
Noch einmal wollten die Politiker nicht völlig übernächtigt weitreichende Entscheidungen treffen. Eine zweitägige Sitzung es Koalitionsausschusses , die es noch nie gab, zeigte aber auch, wie kompliziert die Kompromisssuche war.
Hilfspaket soll Wirtschaft wieder ankurbeln
Neben Profilierungsbedürfnissen eineinhalb Jahre vor der Bundestagswahl eint eine große Hoffnung CDU, CSU und SPD: Dass mit diesem Konjunkturpaket Wirtschaft und Verbraucher in der Corona-Pandemie das nötige Vertrauen fassen, um bald wieder zu konsumieren und zu investieren.
Zwischendurch stockten die Verhandlungen im Kanzleramt gewaltig, war zu hören. Jede Seite zog sich zu internen Beratungen zurück. Die Anspannung nahm zu. Der Wille, in der beispiellosen Krise das Notwendige zutun, habe alle Beteiligten dann doch geeint, hieß es. Mehr als 70 Punkte standen auf der Tagesordnung. Zur Stärkung wurden Spargel, Schnitzel und Erdbeeren gereicht, am Tag darauf gab es Bouletten und Kartoffelsalat
Kanzlerin Angela Merkel ließ es sich nicht nehmen, gegen 22.30 Uhr die Einigung selbst mit zu präsentieren. Üblicherweise ist das den Parteivorsitzenden vorbehalten. Doch die Krise ist vor allem Sache der Regierungschefin. Auffällig war, dass CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bei der Pressekonferenz nicht dabei war.
Darauf hat sich die Koalition verständigt – ein Überblick:
Mehrwertsteuer wird für sechs Monate gesenkt
Die Koalition senkt für sechs Monate die Umsatzsteuer. Vom 1. Juli an bis zum 31. Dezember 2020 soll der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent auf 16 Prozent und für den ermäßigten Satz von 7 Prozent auf 5 Prozent gesenkt werden. Ziel ist es, die Konjunktur anzukurbeln. Merkel betonte hierzu, die Senkung der Mehrwertsteuer sei sozial gerecht und solle die Nachfrage stärken. Lesen Sie hier: Sparen Verbraucher durch die Mehrwertsteuer-Senkung?
Kinderbonus: Familien erhalten pro Kind 300 Euro - mit dem Kindergeld
Familien mit Kindern werden 300 Euro für jedes Kind gezahlt – das war der SPD besonders wichtig. Das Geld soll „aller Wahrscheinlichkeit nach“ in drei Raten in Höhe von jeweils 100 Euro überwiesen werden. Das sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). „Dann würden auf dem Kontoauszug für die Kindergeldzahlung nicht die 204 Euro stehen, sondern über drei Monate 304 Euro.“ Der Kinderbonus wird in zwei gleichen Raten im September und Oktober ausbezahlt.
Auch für Kinder, die in diesem Jahr erst noch geboren werden, und für Kinder, deren Kindergeldanspruch in den vergangenen Monaten seit Januar bereits erloschen ist oder demnächst erlischt, gibt es die 300 Euro. Kindergeldanspruch besteht bis zu einem Alter von höchstens 25 Jahren, solange die Kinder in der Ausbildung sind.
Auf Kritik, Besserverdiener bräuchten diesen Bonus nicht, reagierte die Koalition. „Dieser Bonus wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag vergleichbar dem Kindergeld verrechnet.“ Bei einer Paarfamilie mit einem Kind gehe man davon aus, „dass man bis zu einem Bereich von 90.000 Euro zu versteuerndem Einkommen hier noch vom Kinderbonus profitiert“, sagte Giffey. Hartz-IV-Empfänger brauchen nicht zu fürchten, dass ihnen von den 300 Euro etwas abgezogen wird: „Der Bonus wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet.“ Lesen Sie mehr: Das müssen für den Kindergeld-Bonus Eltern tun – Abzug von Hartz 4?
Die Maßnahme kostet rund 4,3 Milliarden Euro . Familien waren vom Lockdown besonders betroffen. Auch Alleinerziehenden will die Koalition helfen. Angesichts des höheren Betreuungsaufwand in der Corona-Krise werde befristet auf zwei Jahre der Entlastungsbeitrag von derzeit 1.908 Euro auf 4.000 Euro angehoben und damit mehr als verdoppelt.
Um die Nachmittagsbetreuung an Grundschulen und das Ganztagsschulangebot zu verbessern, erhöht der Bund seinen Zuschuss von zwei auf vier Milliarden Euro. Für den weiteren Kita-Ausbau schießt der Bund eine Milliarde Euro zu.
Umweltprämie erhöht – aber keine Autoprämie für Diesel und Benziner
Die Koalitionäre widerstanden hier maximalem Lobbydruck. Es wird keine Neuauflage der Abwrackprämie für Diesel und Benziner wie nach der Bankenkrise geben . Stattdessen will der Bund die bereits bestehende Umweltprämie beim Kauf von umweltfreundlicheren Elektro-Autos von 3000 auf 6000 Euro erhöhen. Dies gilt bis zu einem Nettolistenpreis des E-Fahrzeugs bis zu 40.000 Euro.
Die Förderung ist bis Jahresende 2021 befristet. Für die Prämie sind insgesamt 2,2 Milliarden Euro vorgesehen. Damit große Hersteller wie VW und Daimler doch stärker profitieren, plant die Koalition eine Abwrackprämie für Lastwagen. Für den Kauf schwerer Nutzfahrzeuge mit effizienten Motoren soll es bis zu 15.000 Euro geben. Hier muss die EU-Kommission noch zustimmen. Die Förderung sollen auch europäische Lkw-Hersteller bekommen können.
Überbrückungshilfen für Unternehmen
Zur Sicherung der Existenz von kleinen und mittelständischen Unternehmen legt die Koalition ein Programm für Überbrückungshilfen auf. Dafür werden zwischen Juni bis August dieses Jahres bis zu 25 Milliarden Euro reserviert. Davon sollen Hotels, Gaststätten, Caterer, Kneipen, Clubs und Bars und andere profitieren.
Entlastung für Kommunen
Die Kommunen sollen entlastet werden, weil ihnen in der Corona-Krise die Gewerbesteuereinnahmen wegbrechen. Dafür will der Bund nun dauerhaft bei Sozialkosten helfen. So werden weitere 25 Prozent und insgesamt bis zu 75 Prozent der Kosten der Unterkunft übernommen. Mit seinem Vorschlag, 2500 Kommunen komplett von Altschulden zu entlasten, konnte sich Scholz nicht durchsetzen.
Der Deutsche Städtetag hat den vereinbarten Rettungsschirm für die Kommunen gutgeheißen. „Angesichts der beispiellosen Steuerausfälle der Kommunen durch Corona begrüßen wir die Pläne der Koalition sehr“, sagte Städtetagspräsident Burkhard Jung den unserer Redaktion. „Das ist ein beeindruckendes Signal, um die Kommunen handlungsfähig zu halten.“
Jung fügte hinzu: „Wir bedauern, dass die Koalition sich nicht auf eine Altschuldenlösung für die betroffenen Kommunen einigen konnte.“ Diese müssten nun „die betroffenen Länder anpacken“. Das Thema müsse endlich vom Tisch.
Ausbau des 5G-Netzes soll massiv beschleunigt werden
Der 5G-Ausbau soll massiv beschleunigt und bis 2025 ein flächendeckendes 5G-Netz in ganz Deutschland aufgebaut werden. Dafür soll die neue Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft des Bundes mit fünf Milliarden Euro ausgerüstet werden. Sobald die Mobilfunkbetreiber in Kürze definiert haben, in welchen Bereichen sichere Ausbauverpflichtungen erfüllen, wird in den verbleibenden weißen Flecken der Ausbau durch diese Mittel ermöglicht.
Deutsche Bahn soll milliardenschwere Finanzhilfen bekommen
Die Deutsche Bahn soll vom Eigentümer Bund weitere milliardenschwere Finanzhilfen bekommen. Darauf einigten sich die Spitzen der schwarz-roten Regierungskoalition, wie aus einem Beschlusspapier hervorgeht. Demnach will der Bund der Deutschen Bahn weiteres Eigenkapital in Höhe von fünf Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Geplant sind außerdem Hilfen von 2,5 Milliarden Euro für den Öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV).
Opposition kritisiert Konjunkturpaket in der Corona-Krise
Oppositionspolitiker haben das von der großen Koalition vereinbarte Konjunkturprogramm größtenteils scharf kritisiert.
- Es seien zwar „sinnvolle Entscheidungen für Kommunen und Familien“ getroffen worden, erklärte Linksfraktionsvize Dietmar Bartsch . Jedoch sei in dem Paket auch „viel Stückwerk und Strohfeuer“. Das Programm sei „wenig zielgenau, wenig nachhaltig und unfassbar teuer“.
- Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer bezeichnete Bartsch als „ökonomisch widersinnig“. Zugleich finde sich in dem Paket zu wenig zu den Themen Bildung und Zukunft – dafür „viel Lobbyismus“.
- Der Klimaexperte der Linksfraktion, Lorenz Gösta Beutin, lobte die Entscheidung der Koalition gegen eine Kaufprämie für Benzin- und Dieselautos. Jedoch würden die Beschlüsse „einen echten ökologischen Neustart in Deutschland nicht auslösen“.
- Beutin kritisierte konkret, dass Corona-Hilfen für Unternehmen nicht an verbindliche Klimavorgaben geknüpft würden. Für die Klima-Rettung habe die Koalition „eine große historische Chance vertan“.
- FDP-Fraktionsvize Michael Theurer befand, das Konjunkturprogramm enthalte zwar „einige gute, wichtige Aspekte“, etwa die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer. Insgesamt aber habe sich die Koalition „mit diesem wilden Sammelsurium an unausgegorenen, sehr teuren, aber ineffizienten Vorschlägen mächtig verstolpert“. (mit dpa)
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