Berlin. Das Kabinett verschärft in der Corona-Krise die Regeln für die Fleischindustrie. Es wurde höchste Zeit – und kommt doch zu spät.
Es ist höchste Zeit. Endlich geht die Politik gegen ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in der deutschen Fleischindustrie vor. Die Bedingungen, zu denen Beschäftigte hierzulande in Schlachthöfen schuften, sind skandalös: Überlange Schichten, schlechte Bezahlung, geringer Arbeits- und Gesundheitsschutz.
Und ihren Feierabend müssen die Beschäftigten zusammengepfercht in engen Sammelunterkünften verbringen. Solche Verhältnisse verhöhnen die Regeln unserer sozialen Marktwirtschaft. Wir leben in einem Land mit hohen arbeitsrechtlichen Standards. Und doch ist es offenbar möglich, dass in einigen Bereichen nahezu frühkapitalistische Verhältnisse herrschen.
Es ist daher nicht nur richtig, sondern überfällig, dass Regeln an die Stelle von Ausbeutung treten.
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Hätte die Politik nicht schon vor Corona reagieren können?
Trotzdem fragt sich, ob es erst einer Pandemie bedurfte, um die Politik zum Handeln zu bewegen. Den Ausschlag gaben ja nicht primär die unsäglichen Arbeitsbedingungen in den Schlachthöfen, sondern die sprunghafte Ausbreitung des Coronavirus unter den Beschäftigten. Seither ist die Öffentlichkeit alarmiert, nicht zuletzt, weil eine regional hohe Zahl von Neuinfektionen Auswirkungen auf alle Bewohner eines betroffenen Landkreises haben kann.
Die Frage muss daher erlaubt sein: Wäre der Beschluss der Bundesregierung auch ohne Corona in einem solchen Eiltempo zustande gekommen? Zweifel sind angebracht. Bund, Länder und Kommunen haben die Missstände in der Fleischindustrie lange hingenommen, statt sie wirksam zu bekämpfen.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Verbraucher eine Verantwortung haben. Wenn ein Kilo Fleisch billiger ist als eine Großpackung Toilettenpapier, zahlt jemand anders den Preis: die Natur, die Tiere und die Beschäftigten der Fleischindustrie. Zumindest für Letztere ist bald Besserung in Sicht.