Obama kritisiert Trump: Klare Worte zur Corona-Politik
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Washington. Barack Obama findet klare Worte zu Donald Trumps Coronavirus-Politik in den USA. Das kann die US-Präsidentschaftswahl beeinflussen.
Am Samstag kritisierte der ehemalige US-Präsident Barack Obama die Regierung um Donald Trump deutlich in einer Video-Grußbotschaft für eine Uni-Abschlussfeier
Obama betonte, die Corona-Krise hätte „vor allem unsere Überzeugung zunichte gemacht, dass die Leute, die in der Verantwortung stehen, wissen, was sie tun“
In seinem Video-Gruß nannte der demokratische Ex-Präsident keine Namen – trotzdem interpretierten viele Beobachter seine Äußerungen als Kritik an Donald Trump
Experten sehen im Ex-Präsident die Schlüsselrolle für die Entscheidung der Wahl
Barack Obama und Donald Trump gelten nicht gerade als beste Freunde - im Gegenteil: Im US-Wahlkampf nehmen die Angriffe wieder zu. Das ist kein Wunder, denn Anwärter Joe Biden wirkte acht Jahre lang als Vize an der Seite Obamas. Aus dieser Zeit bezieht der 77-Jährige einen Gutteil des ideellen Treibstoffs für seine Kandidatur. Trump wirft seinem Vorgänger Obama nicht weniger als „das mit Abstand größte politische Verbrechen in der Geschichte“ vor.
Im Gegenzug wendete sich Obama nun am Samstag mit einer Video-Grußbotschaft an Universitäts-Absolventen – und findet deutliche Worte zum Umgang der Trump-Regierung mit dem Coronavirus. „Diese Pandemie hat vor allem unsere Überzeugung zunichte gemacht, dass die Leute, die in der Verantwortung stehen, wissen, was sie tun“, so der ehemalige US-Präsident laut dpa.
Mit Aussagen wie diesen steigt Barack Obama sechs Monate vor der Wahl in den Vereinigten Staaten zu einer zentralen Figur der Auseinandersetzung zwischen Demokraten und Republikanern auf. Die Umstände zwingen den Alt-Präsidenten, dessen Beliebtheitswerte trotz dreijähriger politischer Abstinenz bei knapp 60 Prozent liegen und damit weit über denen seines Nachfolgers Donald Trump, in eine heikle Rolle.
Barack Obama könnte US-Wahl entscheiden
Für Herausforderer Joe Biden soll Präsident Nr. 44, der bei jungen Wählern, Afro-Amerikanern, Unabhängigen und liberalen Konservativen noch immer hoch im Kurs steht, das stärkste Zugpferd im Wahlkampf werden. Donald Trump hat den ihm verhassten Vorgänger, den er schon vor seiner Wahl obsessiv verfolgte und verunglimpfte, dagegen in dieser Woche zur Allzweck-Zielscheibe wüster Attacken erklärt. Lesen Sie alle Entwicklungen zur Ausbreitung des Coronavirus in den USA im Newsblog.
Bis hin zu der nur dürftig verklausulierten Forderung, man müsse Obama und seinen Leuten den Prozess machen. Wie der für Behutsamkeit und Zurückhaltung bekannte Obama zwischen den Fronten agieren wird, sagen Analysten in Washington, könnte für den Ausgang der Wahl im November eine Rolle spielen.
Das sind die US-Präsidenten seit 1945
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Joe Biden wirkte acht Jahre lang als Vize an der Seite Obamas. Aus dieser Zeit bezieht der 77-Jährige einen Gutteil des ideellen Treibstoffs für seine Kandidatur, die er als Therapie der Vernunft darstellt, um die von Trump „beschädigte Seele” Amerikas wieder gesunden zu lassen.
Trump gegen Biden: Obama steigt in den Ring
Biden verspricht die Wiederherstellung und Weiterentwicklung vieler Errungenschaften aus der Obama-Zeit, etwa im Gesundheitswesen oder bei Klimawandel und Umweltschutz, die Trump seit dem ersten Tag seiner Amtszeit systematisch geschreddert hat. Oder noch schreddern lässt. Lesen Sie hier: Alter Freund fordert Trump zum Rücktritt auf.
Entsprechendes Gewicht misst Bidens Wahlkampagne der rhetorischen Schützenhilfe zu, die man sich unter erschwerten Bedingungen durch die Corona-Pandemie vom ersten afro-amerikanischen Regierungschef in der Geschichte der USA im noch dahin dümpelnden Wahlkampf verspricht. Einen ersten Vorgeschmack gab Obama in einer Telefonkonferenz mit 3000 Parteigängern.
Dabei brandmarkte er das sprunghafte Krisen-Management Trumps in der Corona-Ära als „absolut chaotisches Desaster”. Er warf dem Rechtspopulisten vor, maßgeblich für einen „stärker gewordenen Impuls im amerikanischen Dasein“ verantwortlich zu sein, bei dem es darum gehe, „selbstsüchtig zu sein, gespalten, und andere als einen Feind zu sehen”.
Nach Obama-Vorstoß: Trump bekommt Deckung von Republikanern
Trump stehe für die Haltung des „Was springt für mich raus” und „zum Teufel mit allen anderen”. Prompt sprang Mitch McConnell, der mächtige Republikaner-Führer und Trump-Beschützer im Senat, aus der Deckung und empfahl Obama, er möge doch „den Mund halten”. Schließlich habe er Trump in puncto Epidemie-Bekämpfung einen Scherbenhaufen hinterlassen. Was objektiv falsch ist.
In der Übergangsphase 2016/2017 steckten Obamas Leute dem Trump-Team ein 70-seitiges Drehbuch mit allen notwendigen Ratschlägen für die Vorbereitung auf eine etwaige Virus-Katastrophe zu, das nachweislich von Trump ignoriert wurde. Zu Beginn der Epidemie im Januar redete Trump die Gefahr durch das Virus klein. Heute sind seine Umfragewerte miserabel.
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Bei weltweit beispiellosen 87.000 Todesopfern, offiziell fast 37 Millionen Arbeitslosen und kaum Aussichten auf rasche Eindämmung des Virus sucht Trump krampfhaft nach Ablenkung. Ausgelöst durch die vom Justizministerium überraschend verlangte Strafbefreiung des ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters von Trump, Ex-General Michael Flynn, glaubt er bei Obama fündig geworden zu sein.
Trump wirft seinem Vorgänger nicht weniger als „das mit Abstand größte politische Verbrechen in der Geschichte“ vor. Und hat dafür in Anlehnung an Nixons Watergate-Affäre das Internet-kompatible Stichwort „Obamagate“ erfunden. Dahinter verbirgt sich eine – bisher durch kein einziges Faktum gestützte – vom rechten Sektierer-Rand langsam in den medialen Mainstream – eintröpfelnde Verschwörungstheorie.
Danach sollen Obama, sein Vize Joe Biden und einige seiner Spitzenbeamte in Justiz und Geheimdiensten 2016 die ganze Russland-Affäre inszeniert haben, um Trump zu sabotieren. Der Präsident kultiviert diese Theorie und hat Top-Vertreter von FBI, CIA und anderen Sicherheitsorganen „menschlichen Abschaum” genannt.
Trump will Ministerium zu Ermittlungen gegen Obama drängen
Tatsache ist: Ex-Sicherheitsberater Flynn hatte sich im Zuge der Untersuchungen von Sonder-Ermittler Robert Mueller schuldig bekannt, zweifach über Gespräche mit dem ehemaligen russischen US-Botschafter Sergej Kisljak gelogen zu haben. In den Telefonaten, die vom Geheimdienst NSA routinemäßig abgehört worden waren und stattfanden, als Obama noch im Amt war, hatte Flynn Moskau politische Versprechen gemacht.
Flynn hatte seine Geständnisse später zurückgezogen und behauptet, das FBI habe ihm in Vernehmungen eine politisch motivierte Falle gestellt. Trumps Justizminister William Barr machte sich, anders als vorher der Generalinspekteur des Ministeriums, diese Position zu eigen und ließ die Anklage gegen Flynn fallen. Was wiederum Obama als Angriff auf den Rechtsstaat bezeichnete.
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Dass Präsident Trump das Justizministerium zu Ermittlungen gegen seinen Vorgänger drängt und Obama bis zur Wahl nicht nur als Punching-Ball benutzen will, stellt eine neue Dimension in der politisch vergifteten Landschaft Amerikas dar.
Die Frage ist: Wie hart wird Obama zurückschlagen?
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