Washington. Ab Dienstag wird erstmals über die Finanzunterlagen von US-Präsident Trump verhandelt. Ein Urteil könnte weitreichende Folgen haben.

Hat das in der Verfassung festgeschriebene Prinzip der Gewaltenteilung, in der das Parlament die Regierung kontrolliert, Bestand? Und gilt die universelle Note noch, nach der niemand – auch nicht der Präsident der Vereinigten Staaten – über dem Gesetz steht? Wenn sich Amerikas oberste Richter am Dienstag um 16 Uhr mitteleuropäischer Zeit zur mündlichen Verhandlung über Donald Trumps „Heiligen Gral” treffen, wird Rechtsgeschichte mit enormen Folgen geschrieben.

Es geht vordergründig um seine Steuererklärungen und privat-finanziellen Verstrickungen – und die Kernfrage, was davon öffentlich werden darf. Corona-bedingt geschieht die historische Sitzung der neun Top-Juristen/-innen per Telefonschalte, die live im Radio, Fernsehen und in Streaming-Diensten übertragen wird.

Die für Juni erwartete Entscheidung kann Trumps Wiederwahl-Chancen im November beeinflussen, die Reputation der höchsten juristischen Instanz der USA für die kommenden Jahrzehnte prägen und die Deutsche Bank in Schwierigkeiten bringen. Ein Überblick:

Trumps Steuererklärung: Das ist die Vorgeschichte

Seit Wahlkampfbeginn im Sommer 2015 schützt Donald Trump seine Steuererklärungen hartnäckig vor öffentlichem Zugriff. Das unterscheidet ihn von allen Vorgängern in den vergangenen 50 Jahren. Sie gewährten freiwillig Transparenz und ließen sich in die Bücher schauen.

Die eingangs genannte Begründung, die Prüfung der Unterlagen durch die Steuerbehörde IRS sei wegen seines weit verzweigten Firmen-Imperiums sehr zeitraubend, hat Trump längst ersatzlos fallen gelassen. Der Präsident will schlicht nicht, dass die Wähler den Hintergrund seines Reichtums und finanzielle Verpflichtungen gegenüber Dritten einsehen können, die politische Abhängigkeiten begründen könnten.

Worum geht es vor dem Supreme Court konkret?

Es sind drei Verfahren, die Trump in sämtlichen Vorinstanzen verloren hat. Mit der Konsequenz, dass ihm und einer seiner Beratungsfirmen strafbewehrte Aufforderungen zur Herausgabe von Akten vorliegen. In allen Fällen ließ Trump seine Anwälte in Berufung gehen. Vor dem Obersten Gerichtshof in Washington ist nun Endstation.

Cyrus Vance, Bezirksstaatsanwalt in New York, hat bei der Steuerberaterfirma Mazars Trumps Steuererklärungen aus den vergangenen acht Jahren angefordert. Er ermittelt unter anderem wegen Schweigegeldzahlungen während des Wahlkampfs 2016.

Trump hatte damals nach unter Eid gemachten Angaben seines früheren Chef-Beraters Michael Cohen der Porno-Darstellerin Stormy Daniels und dem Ex-Model Karen McDougal jeweils sechsstellige Summen zukommen lassen, damit sie nicht öffentlich über zurückliegende Affären mit Trump reden. Dass er Sex mit den Frauen gehabt habe, bestreitet Trump bis heute.

Im Fall von Stormy Daniels tauchte das „hush payment” nicht in Trumps Steuererklärung für 2017 auf. Das könnte laut Cyrus Vance einen Verstoß gegen Wahlkampffinanzierungsgesetze bedeuten. In den beiden anderen Fällen verlangen die für Finanzen und Geheimdienste zuständigen Ausschüsse des Repräsentantenhauses auf Betreiben der demokratischen Mehrheit Einblick in Finanzunterlagen Trumps bei der Deutschen Bank und dem US-Kreditinstitut Capital One. Betroffen von dem Auskunftsersuchen sind auch Trumps Kinder Ivanka, Donald jr. und Eric.

Was wollen die Demokraten mit Trumps Steuererklärung herausfinden?

Die Demokraten gehen im Kern dem seit Jahren in US-Medien kolportierten Verdacht nach, dass Trump finanziell von der russischen Regierung um Präsident Wladimir Putin und ihr nahestehenden Oligarchen abhängig sein könnte. So sollen Russen Geld gewaschen haben, in dem sie in Trump-Immobilien massenhaft Wohnungen gekauft haben. Außerdem sollen etliche Kredite Trumps von russischen Industriellen/Banken verbürgt sein.

In seinem jüngsten Buch listet der Journalist Craig Unger 59 Beispiele für geschäftliche Kontakte zwischen Trump und der russischen Mafia bzw. russischen Oligarchen auf. 2008 verkaufte Trump kurz vor der Immobilien- und Finanzkrise eine Villa in Palm Beach/Florida für rund 95 Millionen Dollar an den russischen Oligarchen Dmitri Rybolowlew, ein Putin-Vertrauter, der sein Vermögen im Kali-Handel gemacht hat. Der Deal geschah am Vorabend der Immobilien- und Finanzkrise.

Dass Trump ursprünglich „nur” 41 Millionen Dollar für das Refugium bezahlt hatte und bist zur Veräußerung keine wertsteigernden Investitionen vornahm, löste den Verdacht aus, dass dem damals finanziell angeschlagenen Trump über Umwege aus Russland unter die Arme gegriffen werden sollte. Trump bestreitet das.

Trumps Geschäfte: Was hat die Deutsche Bank damit zu tun?

Deutschlands größte Bank hat Trump seit den 1980er Jahren Milliarden-Summen geliehen. Auch noch zu einer Zeit, als Trump nach wirtschaftlichen Bauchlandungen mit Casinos in Atlantic City für die meisten US-Banken „persona non grata” geworden war. Allein für drei Hotels in Washington, Chicago und Miami stattete die Bank Trump laut Medienberichten mit rund 300 Millionen Dollar aus.

Wie tief die Geschäftsbeziehungen reichen, hat der „New York Times“-Journalist David Enrich in seinem Bestseller „Dark Towers” akribisch nachgezeichnet. Als bemerkenswert gilt bis heute in US-Finanzkreisen, dass Trump 2008 Deutsche Bank-Kredite für einen Wolkenkratzer in Chicago nicht mehr bedienen wollte und seine „Hausbank” auf mehrere Milliarden verklagte. Am Ende schloss man einen Vergleich.

Anstatt Trump danach als Geschäftspartner auszumustern, wie dies Fachleute erwartet hatten, erhielt der Immobilien-Unternehmer wenig später über eine Spezial-Abteilung der Deutschen Bank in den USA für Superreiche erneut einen Kredit in dreistelliger Millionenhöhe.

Ehemalige Angestellte der Bank in den USA hatten der New York Times berichtet, dass Geldwäsche-Experten des Instituts 2016/2017 verdächtige Finanzgeschäfte des Trump-Unternehmens der US-Finanzaufsicht melden wollten. Führungskräfte der Deutschen Bank sollen das blockiert haben.

Was ist Trumps Position?

Generell: Er streitet jedes Fehlverhalten ab. Der Präsident beansprucht vereinfacht gesagt eine allumfassende Immunität für sich. Das gilt auch für Finanz-Angelegenheiten, die ihn vor Amtsantritt als Privatperson betreffen. Seine Haltung läuft dem weitreichenden Kontrollrecht des Parlaments über Regierung und Präsident zuwider.

Wie weit sich Trump über dem Gesetz stehend empfindet, ließ in einer der vorherigen Verhandlungen sein Anwalt William Consovoy erkennen. Er behauptete, dass der Präsident während seiner Amtszeit selbst dann nicht strafrechtlich belangt werden könne, wenn er auf der 5. Avenue in New York jemanden erschieße.

Lassen frühere Fälle darauf schließen, wie der Supreme Court entscheiden wird?

Bei zwei Vorgängern Trumps entschied das höchste amerikanische Gericht im Sinne des Kongresses, sprich: der Verfassung, und gegen die Geheimhaltungsbestrebungen der Präsidenten. 1974 ordnete der „Supreme Court” an, dass Richard Nixon im Zusammenhang mit dem Watergate-Skandal Tonbänder und anderes Material aushändigen muss. 1997 machten die Richter Bill Clinton einen Strich durch die Rechnung, als er im Fall Paula Jones (es ging um den Vorwurf der sexuellen Belästigung) einem Zivilprozess entgehen wollte.

Aus diesen Beispielen leiten Juristen in Washington die Prognose ab, dass Trump keinen guten Stand haben wird. Trump-Anhänger mit Anwalt-Lizenz halten dagegen, dass der Kongress seine Befugnisse überschreite, wenn er über Umwege versuche, die finanziellen Verhältnisse des Präsidenten ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren.

Trumps Steuer-Streit: Wie wird es enden?

Supreme Court-Insider sagen, dass man aus Stil und Umfang der Fragen, die die neun Richterinnen und Richter den Streit-Parteien stellen werden, einen signifikanten Trend ablesen könne. Alles ist denkbar. Auch ein Ausgang, bei dem der Vorsitzende Richter John Roberts sich dem Risiko entziehen wird, dass der „Supreme Court” in dieser hochpolitischen Angelegenheit als juristischer Dienstleiter für Trump angesehen wird.

Durch die Installierung der von Trump ausgewählten Juristen Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh haben die Konservativen eine 5:4-Mehrheit. Sollte Trump Recht bekommen, hätte dies Folgen für die juristische Unantastbarkeit künftiger Präsidenten.

Was steht für die Deutsche Bank auf dem Spiel?

Das Frankfurter Geldinstitut hat in den USA gelinde gesagt einen zweifelhaften Ruf und musste für diverses Fehlverhalten Strafen in zweistelliger Millionenhöhe zahlen. Die Deutsche Bank soll unter anderem zwischen 2011 und 2015 russischen Kunden dabei geholfen haben, Rubel im Wert von 10 Milliarden Dollar zu „waschen”.

Im Fall Trump hat die Bank bisher alle Aufforderungen abgelehnt, die Geschäftsverbindung mit dem Präsidenten offen zu legen. Begründung: Bankgeheimnis. Dahinter steht auch die Sorge, erneut von Trump verklagt zu werden. Sollte der Supreme Court letztinstanzlich eine Herausgabe von Akten anordnen, so Frankfurt, werde man dem Folge leisten.

In der aktuellen Corona-Situation wurde bekannt, dass Trump, dessen Firmen-Imperium ebenfalls wirtschaftlich angegriffen ist, um Zahlungsaufschub für Kredite gebeten hat. Sollte Frankfurt dem nachkommen, aber keine hinreichenden Sicherheiten dafür bekommen, sagen Insider, könnte die Bank von den eigenen Aktionären verklagt werden.

Die ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidatin, Senatorin Elizabeth Warren, will wissen, „welche geheimen Gefälligkeiten der Präsident und seine Familie von der Bank erhalten oder welche Gefälligkeiten die Bank im Gegenzug bekommen haben könnte”.

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