Düsseldorf. In NRW wird viel über Schließungen angeblich überflüssiger Krankenhäuser diskutiert. Muss man darüber in Zeiten von Covid-19 neu nachdenken?

Dass es in Deutschland angeblich viel zu viele Krankenhäuser gibt, hat man in den vergangenen Monaten oft gehört – in Talkshows, Studien und dem NRW-Gesundheitsministerium. Dort wird derzeit der neue Krankenhausplan erarbeitet, der mit großer Sicherheit auf eine Ausdünnung in der hiesigen Kliniklandschaft hinauslaufen wird. Die Zielvorgabe: Weniger Häuser, mehr Leistung. Nur: Ist ein noch mehr „auf Effizienz und Ökonomie setzendes Gesundheitswesen“, wie es SPD-Gesundheitspolitiker Josef Neumann jüngst kritisch formulierte, angesichts der Corona—Krise noch angemessen?

6000 Intensivbetten in NRW

Deutschlandweit gibt es rund 27.000 Intensivbetten, die auch für die Behandlung von Corona-Patienten mit schweren Symptomen dringend benötigt werden. Nach Angaben des Landesgesundheitsministeriums beläuft sich die Zahl der Intensivbetten im Bundesland auf rund 6000 Stück. Wie viele davon Beatmungsplätze sind, konnte das Ministerium auf Anfrage nicht beantworten und verwies auf eine aktuell laufende Abfrage bei den Bezirksregierungen.

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Reichen diese Zahlen aus? Eine pauschale Antwort darauf sei schwer zu geben , sagt Michael Wessels, Professor für Gesundheitsökonomie an der Hochschule für Gesundheit in Bochum. „Allerdings ist es klar, dass die Durchökonomisierung der Krankenhäuser dazu geführt hat, dass die Reservekapazitäten auf das Mindestmaß zurückgefahren worden sind.“ In Zeiten des Kalten Krieges etwa seien die Kliniken stets auf einen Angriff der Sowjetunion vorbereitet gewesen und hätten 25 Prozent der Betten für die Intensivversorgung freimachen können, um in Krisenzeiten mehr Menschen zu behandeln. „Betriebswirtschaftlich macht das aber keinen Sinn, weshalb wir für Krisen schlechter gewappnet sind“, so Wessels. Den Notfall mitzudenken, sei deswegen für eine neue Krankenhausplanung wichtig.

Vorbild Dänemark: Weniger, dafür größere Kliniken

„In den Krankenhäusern halten wir immer auch Kapazitäten vor, die wir im Normalfall nicht brauchen“, sagt dagegen Dirk Sauerland, Professor für Gesundheitspolitik an der Uni Witten/Herdecke. „Die Spitzenlast wird in einer Krankenhausplanung immer berücksichtigt.“ Allerdings sei nicht die Bettenzahlen sondern das verfügbare Personal hier der entscheidende Faktor – und hier könne eine Neuordnung der Kliniklandschaft sogar helfen. Das zeige das Beispiel Dänemark, wo es zwar viel weniger kleine, dafür aber besser vernetzte große Kliniken gebe. „In solchen Einheiten ist auch eine viel bessere Personalplanung möglich“, so Sauerland.

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Könnte eine neue Krankenhausplanung mit dem Ziel weniger Quantität, aber mehr Qualität zu schaffen, Epidemien somit sogar besser meistern? In der politischen Opposition in Berlin fällt die Meinung dazu noch deutlicher aus als im nordrhein-westfälischen Landtag. „Wer Krankenhäuser schließt, spielt mit dem Leben von Menschen“, kritisierte der Oberhausener Linken-Politiker Niema Movassat via Facebook. Dabei bezog sich der Bundestagsabgeordnet auf die Herausforderungen in den Kliniken angesichts der Corona-Ausbreitung sowie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung, in der jede zweite Klinik in Deutschland als verzichtbar eingestuft wurde.

Spätere OP-Termine und mehr Platz für Corona-Patienten

Bei der neuen Krankenhausplanung in NRW gehe es ja nicht voranging um Schließungen, merkt Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW an – auch wenn es klar sei, dass einzelne Klinik-Standorte „zur Disposition stehen“. Wichtig sei es bei der weiteren Diskussion über eine neue Klinikstruktur „von der Corona-Krise zu lernen“. „Eine Situation wie die aktuelle gab es noch nie“, so Brink. „Niemand weiß, wie hoch die Patientenzahlen noch werden.“ Beispielsweise müssten neue Überlegungen über notwendige Kapazitäten in der Intensiv- und Beatmungspflege gemacht werden. „Wir werden neu denken müssen.“

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Unkonventionelles Denken wird von den Krankenhäusern bereits ab Montag (16.3.) erwartet. Die Bundesregierung forderte die Kliniken am vergangenen Donnerstag (12.3.) dazu auf, Platz für Corona-Patienten mit schweren Atemwegserkrankungen zu schaffen und alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe vorerst zu verschieben. Die so entstehenden Kosten und Erlöseinbußen sollen ausgeglichen werden. So hatten es Klinikvertreter zuvor auch gefordert – etwa verlangte der Zweckverband der Krankenhäuser Südwestfalen nach einer „unbürokratischen und schnellen Hilfe“ im Falle von wirtschaftlichen Engpässen. Gesundheitsökonom Michael Wessels hält die aktuelle Appelle der Bundesregierung für sinnvoll, „um für die erwartbar steigende Zahl von Patienten bestmöglich vorbereitet zu sein.“