Washington. Pete Buttigiegs Rückzug von den Demokraten-Vorwahlen in den USA kann Biden am „Super Tuesday” helfen und Sanders die Tour vermasseln.
Die Zeiten, als Pete Buttigieg Bernie Sanders bewunderte, sind lange vorbei. Mit 18 nahm der damals als schüchtern und blitzgescheit bekannte Junge aus South Bend/Indiana an einem Schreibwettbewerb der John F. Kennedy Presidential Library in Boston teil. Und gewann.
Sein von schwärmerischer Bewunderung angetriebener Essay widmete sich einem Mann, dessen Mut, sich zum Sozialismus zu bekennen, für Buttigieg damals „gleichbedeutend war mit einer selbst beigebrachten Schusswunde”. Ein Mann, dem er „Energie, Aufrichtigkeit, Überzeugung, und die Fähigkeit, Menschen an einen Tisch zu bringen” attestierte: Bernie Sanders. Exakt 20 Jahre später kämpft das 38-jährige „Wunderkind” der Demokraten gegen den vier Dekaden älteren Senator aus Vermont aussichtsreich um das Präsidentschaftsticket gegen Donald Trump.
Kämpfte. Bis Sonntagabend.
US-Wahl 2020: Demokrat Pete Buttigieg gibt nach vier Vorwahlen auf
Nach zwei sensationell gut verlaufenen Vorwahlen (Iowa und New Hampshire) und zwei extrem schlechten (Nevada und South Carolina), wo vor allem bei Afro-Amerikanern und Latinos nichts für ihn zu holen war, hat der ehemalige Bürgermeister des 100.000 Einwohner zählenden Städtchens South Bend im Bundesstaat Indiana zu einem strategisch wichtigen Zeitpunkt seine Bewerbung zurückgezogen.
„Wir müssen erkennen, dass an diesem Punkt des Rennens der beste Weg, unseren Zielen und Idealen treu zu bleiben, darin besteht, zur Seite zu treten und zu helfen, unsere Partei und unser Land zusammenzubringen”, erklärte Buttigieg (ausgesprochen: „Buddedschidsch”) am Sonntagabend bei einer bewegenden Ansprache in seiner Heimatstadt, an der auch sein Ehemann Chasten teilnahm. Buttigieg war der erste offen schwul lebende demokratische Präsidentschaftskandidat in der Geschichte Amerikas, der eine Vorwahl (Iowa) gewann.
Buttigiegs Rückzug bringt ihm viel Lob aus der Partei – und macht Platz für Biden
Sein Rückzug brachte dem überdurchschnittlich eloquenten Redner und Afghanistan-Veteran, der sieben Sprachen beherrscht, viel Lob von hohen Parteifunktionären und aktuellen wie ehemaligen Konkurrenten um das Präsidentschaftsticket (von Corey Booker über Andrew Yang bis Michael Bloomberg und Bernie Sanders) ein.
Übereinstimmender Tenor: Buttigieg habe mit seinen frischen Gedanken und seinem von Washington noch nicht deformierten Blick auf die Dinge der demokratischen Partei viel Ehre gemacht und sich für die kommenden Jahre als Kandidat für hohe Ämter empfohlen. Zur Einordnung: Wenn Buttigieg in 32 Jahren noch einmal für die Präsidentschaftskandidatur antreten sollte, also im Jahr 2052, wäre er immer noch sieben Jahre jünger als Joe Biden es heute ist. Aber auf Joe Biden kommt es Buttigieg an.
Joe Biden bläst zur Jagd auf Konkurrent Bernie Sanders
Seit seinem Comeback-Erfolg in South Carolina am Samstag hat der Alt-Vizepräsident nicht nur zehn Millionen Dollar an Spenden eingekommen und damit seine sieche Kampagne revitalisiert. Biden hat auch unmissverständlich zur Jagd auf den führenden Bernie Sanders geblasen. Er glaubt, dass dessen links-progressiven Politikangebote (allgemeiner Krankenversicherungsschutz für alle, Stundung von Studentendarlehen, Reichensteuer etc.) nicht finanzierbar und in einem Duell mit Amtsinhaber Donald Trump nicht mehrheitsfähig sind.
Pete Buttigieg teilt diese Meinung ausdrücklich. Er hat in den vergangenen Wochen mehrfach davor gewarnt, den 78-jährigen Sanders insbesondere beim „Super Tuesday” am 3. März uneinholbar davonziehen zu lassen. Am 3. März werden in 14 Bundesstaaten rund ein Drittel der 4000 Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im Juli vergeben. Und Sanders liegt in allen relevanten Umfragen in Schlüsselstaaten wie Kalifornien und Texas vorn.
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US-Vorwahlen: Gibt Buttigieg seinen Anhängern eine Empfehlung für Biden?
Mit seinem Rückzug verringert Buttigieg die Zahl der verbleibenden gemäßigt-moderaten Kandidaten auf drei: Joe Biden, Michael Bloomberg und Amy Klobuchar. Senatorin Elizabeth Warren wird dem linken Spektrum zugerechnet, die Kongress-Abgeordnete Tulsi Gabbard spielt keine Rolle.
Es wird damit gerechnet, dass Buttigieg an seine Sympathisanten noch am Montag direkt oder indirekt die Empfehlung weiterreichen wird, sich hinter Joe Biden zu versammeln, um einen Sanders-Durchmarsch zu verhindern und morgen den ersten Auftritt des Milliardärs Michael Bloomberg zu verschatten, der die ersten vier Vorwahlen ausgesetzt hatte.
Pete Buttigieg wird das Opfer hoch angerechnet
Buttigieg hätte sich somit geopfert und seinen Beitrag geleistet, den Prozess der Selbst-Kanibalisierung des moderaten Bewerber-Spektrums, der vor allem Sanders nutzt, zu stoppen. In Parteikreisen wird das dem vor einem Jahr landesweit noch völlig unbekannten Nachwuchs-Politiker hoch angerechnet. „Buttigieg hat sein Ego zurückgestellt”, sagten Analysten im Sender CNN, „das sieht man selten.“
Auch Donald Trump hat sich zu Wort gemeldet. Buttigiegs Stimmen würden nun an Biden gehen, twitterte der Präsident, die Demokraten wollten Bernie Sanders „aus dem Spiel nehmen”. Demoskopen gehen eher davon aus, dass Buttigieg-Wähler anteilig bei Biden, Bloomberg und auch Warren landen werden; aber nicht bei Sanders.
Da alle drei in Umfragen in vielen Bundesstaaten knapp unter der für das Delegierteneinsammeln nötigen 15-Prozent-Hürde rangieren, könnte Buttigiegs Abgang sie gleichermaßen beglücken. Ohne dass danach freilich mehr Klarheit herrscht, wer am Ende die demokratische Präsidentschaftskandidatur bekommt.