Richmond/Virginia. Michael Bloomberg ist mit seinem Vermögen der Joker im demokratischen Rennen um die Präsidentschaftskandidatur. Welche Chancen hat er?
Vielleicht lag es an den Telepromptern, die sein Team in der Hardywood-Brauerei links und rechts des Rednerpults genau auf die Körpergröße von 1,72 Meter des zurzeit achtreichsten Mannes der Erde austariert hatte.
Vielleicht redet Michael Bloomberg grundsätzlich lieber über Menschen hinweg als emphatisch zu ihnen. Jedenfalls fiel der mit der Hymne „Beautiful Day“ der Band U2 eingeläutete Kurzauftritt des 77-Jährigen in Richmond/Virginia in der Abteilung Menschelndes so überschaubar aus, dass sich einige an das „routinierte Impulsreferat eines Vorstandsvorsitzenden“ erinnert fühlten.
Michael Bloomberg: Kann er Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden?
20 Minuten Dauerbeschallung mit Zahlen und Statistiken. Stereotype Botschaften („Ich werde den weltweit größten Schulhofrüpel Donald Trump schlagen.“). Keine echte Interaktion mit dem Publikum. Kurzes Händeschütteln, beäugt von Bodyguards. Ab ins Privatflugzeug. Nächste Station.
Kann man so für die Demokraten im Schweinsgalopp an das Präsidentschaftsticket gegen Donald Trump gelangen? „Ich hoffe doch sehr“, sagt Martha Brennan Cameri und schlürft ihr von Bloomberg für alle 600 Gekommenen spendiertes Freigetränk: „Michael Bloomberg ist der Erwachsene im Raum. Er kann politisch mit Trump den Flur aufwischen. Joe Biden hat es hinter sich. Pete Buttigieg ist toll, aber sehr jung. Wenn Bernie Sanders unser Kandidat wird, werden wir am 4. November wieder mit Trump wach.“
Was die jung gebliebene Großmutter über den Unternehmer zu sagen weiß, der mit Finanzinformationsdiensten zu einem Vermögen von mehr als 60 Milliarden Dollar gekommen ist und von 2002 bis 2013 als Bürgermeister New York gehörig an die Kandare nahm, hört man gerade häufiger.
Michael Bloombergs Umfragewerte steigen landesweit stetig
Bloomberg schwänzt die ersten vier Vorwahlen von Iowa bis South Carolina. Erst am 3. März beim „Super Tuesday“ stellt er sich dem demokratischen Souverän. Mit der von Datenanalysen gespeisten Hoffnung, dann einen Löwenanteil der rund 1350 von 4000 zu vergebenden Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag im Juli abzugreifen. Sein Mantra: „Trump spaltet die Vereinigten Staaten. Ich versuche, zu vereinen. Trump twittert. Ich folge den Fakten und sage die Wahrheit. Trump macht leere Versprechungen. Ich habe bewiesen, dass ich die Dinge wuppen kann.“
Bloombergs Umfragewerte steigen stetig, landesweit liegt er schon auf Platz drei. Worauf Trump, laut „Forbes“ 20-mal ärmer, mit Invektiven reagiert. Und Bloomberg ihn einen „bellenden Karnevals-Clown“ nennt. Unterdessen empfinden Bernie Sanders, Pete Buttigieg, Joe Biden, Elizabeth Warren und Amy Klobuchar, die Bloomberg als Kandidaten für Leichtgewichte oder linkslastige Totengräber hält, das Scheckbuch des Sohnes jüdisch-russischer Einwanderer zunehmend wie eine Nagelkeule.
Medien-Tsunami: Vor Bloomberg gibt es kein Entrinnen
In den drei Monaten seit Bekanntgabe seiner Last-minute-Kandidatur hat der Technokrat, der mal Republikaner und mal Unabhängiger war und seit einiger Zeit unter demokratischer Parteiflagge läuft, aus der eigenen Tasche 360 Millionen Dollar für hochprofessionelle, im Minutentakt geschaltete TV-, Radio und Digitalwerbung ausgegeben. Mehr als alle anderen demokratischen Kandidaten und Trump zusammen – im Jahr.
Was das im chronisch hyperventilierenden Medienamerika bedeutet, muss man sich wie einen Tsunami vorstellen, der alles planiert. Es gibt vor Bloombergs Gesicht, seiner sonoren Stimme und seinen Kurzbotschaften im Moment einfach kein Entrinnen.
Bloomberg lässt durchblicken: Sein Budget kennt kein Limit
Bloombergs Kampagne beschäftigt in über 40 Bundesstaaten mehr als 2200 Leute. Tendenz steigend. Sie wurden mit Einstiegsgehältern um die 6000 Dollar im Monat und Extras wie Laptop, Apple-Smartphone und drei warmen Mahlzeiten am Tag auch von anderen Bewerbern weggekauft.
Bloomberg lässt durchblicken, dass sein Budget kein Limit kennt. Wenn es am Ende zwei Milliarden Dollar sein sollten, die er ausgeben muss – auch gut. Alles gehorcht einem Ziel, das bei Bloomberg wie Staatsräson klingt: „Trump muss gehen.“
Will Milliardär Bloomberg sich die Präsidentschaft kaufen?
Will sich da ein Superreicher den Sessel im Oval Office kaufen? Bloomberg bestreitet das natürlich. Seine Spindoktoren sagen, der Chef investiere lediglich in die Aufmerksamkeit des Publikums. Der erste Härtest steht dem 77-Jährigen schon an diesem Mittwoch in Las Vegas bevor. Bloomberg wird zum ersten Mal bei einer Fernsehdebatte der aussichtsreichsten Präsidentschaftskandidaten mitmachen. Obwohl er im Bundesstaat Nevada, wo am 22. Februar vorgewählt wird, gar nicht auf dem Zettel steht.
Sanders und Warren, die es eh nicht so mit Milliardären haben, finden das unmöglich. Amy Klobuchar begrüßt die Aussicht. „Ich kann ihn in den Ätherwellen nicht schlagen, aber auf der Debattenbühne.“ In Richmond deutete Bloomberg mit eingefrorenem Grienen an, wie dick sein Panzer ist. „Mich kann niemand schikanieren.“
Mike Bloomberg spendete Milliarden – und bekommt Unterstützung
Bloomberg hat seit Ende der 90er-Jahre nach einer Recherche der „New York Times“ mehr als drei Milliarden Dollar Privatvermögen in karitative Einrichtungen gesteckt. Oder damit politische Bewegungen unterstützt, die seine Ziele von Klimawandel über schärfere Waffengesetze bis Verbesserung des Schulwesens verfolgen.
Seine großzügige Unterstützung demokratischer Wahlkämpfe, zuletzt bei den Kongress-Zwischenwahlen 2018, hat ein Netzwerk der Solidarität erzeugt, das jetzt in Gestalt von Abgeordneten, Bürgermeistern und Gouverneurskandidaten zurückzahlt. Durch Wahlempfehlungen, die immer in die gleiche Kerbe hauen: Wenn einer Trump besiegen kann, dann „Mike“.
Wo Bloomberg Probleme bekommt
Dass darunter auch etliche afro-amerikanische Prominente sind, etwa Washingtons Bürgermeisterin Muriel Browser, kommt Bloomberg an einer kritischen Flanke gerade sehr gelegen. Als Bürgermeister in New York war er nach der Ära Giuliani der Garant für eine als rassistisch geltende Polizeitaktik namens „stop and frisk“ – übersetzt etwa: „anhalten und durchsuchen“.
Ohne konkrete Verdachtsmomente wurden so Jahr für Jahr überproportional viele junge Schwarze und Latinos von der Polizei überprüft. Oft rüde und entwürdigend. Obwohl sie sich gesetzeskonform verhalten hatten. Bloomberg hieß die Polizeitaktik in internen Gesprächen gut. Wer Halbstarken die Waffen wegnehmen wolle, hört man ihn auf einem gerade kursierenden Mitschnitt schwadronieren, wirft sie am besten „gegen eine Wand und filzt sie“.
In Richmond wiederholte der 77-Jährige sein Reuebekenntnis, das ihn schon vorher landesweit bei Besuchen in der „black community“ begleitet hatte. Er habe zu lange die Kollateralschäden dieser Polizeistrategie unterschätzt und ignoriert. „Ich entschuldige mich in aller Form. Ich trage die Verantwortung dafür.“
Es wird nicht das letzte „mea culpa“ gewesen sein. Nächste Haltestelle: das frauenfeindliche Klima in seiner eigenen Firma, die mehr als 20.000 Menschen beschäftigt. Laut „Washington Post“ soll Bloomberg vor rund 20 Jahren eine schwangere Mitarbeiterin gefragt haben, ob sie ihr Kind „töten“ lässt. Der Beschuldigte bestreitet das bis heute. „Ich wäre nicht da, wo ich bin, wenn ich mich nicht konsequent für Frauen in der Arbeitswelt eingesetzt hätte.“ Spätestens am „Super Tuesday“ wird sich zeigen, ob ausreichend viele Wähler Bloomberg glauben.