Washington. Der Weg ist frei für Joe Biden, aber kann der Demokrat Amtsinhaber Donald Trump schlagen? Ein Blick auf das Wahljahr 2020 in den USA.
Das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten ist gelaufen: Nach der Vorwahl im Bundesstaat Wisconsin am 7. April hat Bernie Sanders seinen Ausstieg verkündet – und damit den Weg frei gemacht für Joe Biden. Alle anderen Kandidatinnen und Kandidaten waren bereits ausgeschieden.
Damit dürfte Biden als Herausforderer von Amtsinhaber Donald Trump bei der Präsidentschaftswahl am 3. November feststehen, auch wenn zurzeit nicht ganz klar ist, wann der 77-Jährige gekürt wird. Ursprünglich war der Nominierungsparteitag in Milwaukee (Wisconsin) vom 13. bis 16. Juli geplant. Wegen der Corona-Krise ist die Democratic National Convention nun aber auf Mitte August verschoben worden.
Wer das Präsidentschaftsticket der Demokraten bekommen will, muss dort im ersten Wahlgang rund 2000 der knapp 4000 verbindlichen Delegiertenstimmen auf sich vereinen. Mehr als 1600 dieser Stimmen sind noch zu verteilen, in 14 Bundesstaaten stehen die Vorwahlen der Demokraten noch aus.
Dabei will auch Bernie Sanders noch so viele Stimmen wie möglich holen. Der Senator aus Vermont hat zwar seinen Anspruch auf die Präsidentschaftskandidatur aufgegeben, will beim Nominierungsparteitag aber Einfluss auf das Programm der Demokraten nehmen. Dabei hilft eine große Zahl an Delegierten.
Der aktuelle Stand bei den Vorwahlen der Demokraten:
Wie stehen die Chancen von Joe Biden gegen Donald Trump?
In aktuellen Umfragen liegt Joe Biden um durchschnittlich knapp sechs Prozent vor Donald Trump. Ob sich dieser knappe Vorsprung im November tatsächlich in einen Wahlsieg ummünzen lässt, scheint derzeit aber alles andere als gewiss. Die Corona-Krise bringt das auch politische Leben in den USA durcheinander.
Während der Amtsinhaber die täglichen Corona-Pressekonferenzen im Weißen Haus als Wahlkampf-Show nutzt, kämpft Biden von einem improvisierten Studio im Keller seines Hauses vergeblich um Aufmerksamkeit. „Joe Biden hat ein Sichtbarkeitsproblem“, sagte ein Analyst dem Sender MSNBC, „und die Begeisterung hält sich in Grenzen.”
Vorwahlen in den USA: Wann sind die Termine?
Den offiziellen Auftakt der Vorwahlen in den 50 US-Staaten und Außen-Territorien machte traditionell Iowa – nach Chaos bei der Auszählung bestätigte sich aber, dass Pete Buttigieg die meisten Delegierten aus Iowa bekam. Zweite Station war im Februar – ebenfalls traditionell – New Hampshire: Dort gewann Bernie Sanders. In Nevada konnte Sanders seine Favoritenrolle festigen, doch in South Carolina wendete sich das Blatt.
Dort stimmten besonders viele afro-amerikanische Wähler ab – und verhalfen Joe Biden zu einem entscheidenden Sieg. Mit dem Rückenwind aus South Carolina ging Biden in den „Super Tuesday“ und konnte dort seinen Vorsprung auf Bernie Sanders ausbauen. Erwartungsgemäß gewann Biden auch in Alaska – mit 55,3 Prozent der Stimmen. In dem großen, aber äußerst dünn besiedelten Bundesstaat ging es nur um eine minimale Zahl von 15 Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag. Die Vorwahl in Wyoming Ende April gewann Biden mit 72,2 Prozent der Stimmen. In dem US-Bundesstaat ging es nur um eine Zahl von 14 Delegiertenstimmen.
Wegen der Corona-Krise haben die ausstehenden Bundesstaaten ihre Primaries nach hinten verschoben, einige wollen den Urnengang komplett durch Briefwahl ersetzen.
Die ausstehenden Vorwahl-Termine im Überblick:
Welche Rolle spielen Super-Delegierte bei den Vorwahlen der Demokraten?
Neben den in den Vorwahlen nach komplizierten Verteilungsschlüsseln bestimmten Delegierten („pledged delegates”) gibt es auf dem Nominierungsparteitag auch sogenannte „Super-Delegierte”. Dabei handelt es sich meist um hohe Parteifunktionäre und frühere Amtsträger wie Gouverneure, die bisher gleichberechtigt mit über den Spitzenkandidaten entschieden. Aber: Sie waren ungebunden und konnten nach Gusto für einen Kandidaten stimmen. Größenordnung: ca. 750.
Bei der Wahl 2016 gab es darüber heftigen Streit. Das Gros der „super delegates” wollte schon lange vor dem Parteitag Bernie Sanders verhindern und Hillary Clinton als Kandidatin durchsetzen. Diesmal hat die Demokratische Partei die „super delegates” entwaffnet. Schon sprachlich: Man spricht jetzt von „automatischen Delegierten”.
Im ersten Wahlgang zählen in Milwaukee auf dem Nominierungsparteitag nur die Stimmen der rund 4000 gewählten Delegierten. Sie sind an das Resultat in ihrem jeweiligen Bundesstaat gebunden. Rund 2000 Stimmen reichen zum Sieg. Nur wenn es zu einem zweiten Wahlgang kommen sollte, zu einer „contested convention“, können die Super-Delegierten das Zünglein an der Waage spielen.
Dann sieht die Rechnung so aus: 4745 Delegierte insgesamt. 2373 Stimmen führen zum Sieg. Die angeführten Delegierten-Zahlen stammen von der demokratischen Parteizentrale. Sie sind noch nicht endgültig. Änderungen im Bereich von plus/minus 10 sind denkbar.
Vorwahlen in den USA: Wie funktionieren sie bei den Demokraten?
Den Modus der Vorwahlen bestimmen die einzelnen Bundesstaaten. Das System ist komplex – und aus europäischer Sicht mitunter bizarr. Der Großteil der Abstimmungen sind sogenannte Primaries. Dort können registrierte Wähler in einem öffentlichen Wahllokal geheim ihre Stimme abgeben.
Einige Bundesstaaten praktizieren das Caucus-Prinzip. Dort wird in Gemeinschaft erst diskutiert und dann abgestimmt. Im Kern gilt: Je besser ein Präsidentschaftsbewerber in einem Bundesstaat abschneidet, desto mehr Delegierte darf er von dort zum Parteitag schicken.
Vorwahlen in den USA: Wer darf kandidieren?
Wer seit mindestens 14 Jahren ununterbrochen in den USA lebt, die US-Staatsbürgerschaft besitzt und mindestens 35 Jahre alt ist, darf sich als Präsidentschaftskandidat bewerben.
Vorwahl-Start: Warum eigentlich immer Iowa?
Gewohnheitsrecht seit fast 50 Jahren. Obwohl Iowa zu weiß, zu wohlhabend, zu religiös und demografisch für Amerika kein bisschen repräsentativ ist, geht der Vorwahlzirkus hier los. Von rund drei Millionen Einwohnern sind eine Million stimmberechtigt.
Iowa hat Menetekel-Qualität: In 44 Jahren haben nur zwei Demokraten, die hier vorn lagen, am Ende nicht die Kandidatur gewonnen. Al Gore (2000), John Kerry (2004), Barack Obama (2008) und Hillary Clinton (2016) landeten in Iowa auf Platz eins und wurden später auf den Parteitagen nominiert.
Vorwahl-Methoden: Was ist ein „Caucus”, was eine „Primary”?
Der wichtigste Unterscheid der beiden Vorwahl-Methoden: Caucuses werden von den Parteien organisiert, für die Primaries sind die Bundesstaaten verantwortlich. Bei den Primaries unterscheidet man zwischen geschlossenen und offenen Vorwahlen. Bei „Closed Primaries” können nur registrierte Parteigänger die Delegierten für den Nominierungsparteitag bestimmen. Bei „Open Primaries” sind alle registrierten Wähler berechtigt.
Ein Caucus wie in Iowa muss man sich als basisdemokratische Urwahl unter Parteimitgliedern und registrierten Unterstützern vorstellen. Dabei diskutieren und streiten die Bürger in ihren Wahlbezirken in Bauernhöfen, Schulen, Turnhallen, Feuerwachen oder größeren Wohnzimmern. Solange, bis sich eine Mehrheit für eine(n) Bewerber(in) herauskristallisiert.
Wann wählen die USA den nächsten Präsidenten?
Am 3. November 2020 geben die Wähler ihre Stimme ab. In Amerika wird der Präsident aber nicht direkt vom Volk gewählt. Die Wähler jedes Bundesstaates bestimmen Wahlmänner. Deren Zahl hängt von der Größe des Bundesstaates ab.
Das bevölkerungsreiche Kalifornien entsandte zuletzt 55 „electors”, kleine Staaten wie Vermont nur 3. Insgesamt gibt es 538. Sie sind es, die am 14. Dezember tatsächlich den Präsidenten wählen. 270 Stimmen braucht man zum Sieg.
Am 20. Januar 2021 wird der gewählte Präsident oder die gewählte Präsidentin auf den Treppen des Kapitols in Washington den Amtseid ablegen.
Vorwahlen: Was machen eigentlich die Republikaner und Donald Trump?
Sie wollen den Präsidenten bei ihrem Parteitag vom 24. bis 27. August in Charlotte, North Carolina, für die Wiederwahl nominieren. Es gibt nur drei Widersacher, die nach jetzigem Stand Fußnoten der Geschichte bleiben werden, weil Donald Trump in der Wählerschaft der „Grand Old Party” (GOP) Zustimmungswerte von 86 Prozent genießt.
Joe Walsh, ein früherer Kongress-Abgeordneter aus Illinois, Bill Weld, einst Gouverneur von Massachusetts, und Roque De La Fuente, ein Geschäftsmann aus Kalifornien, werfen Trump den Ausverkauf republikanischer Ideale vor und haben Gegen-Kandidaturen angemeldet. Für wie lange? Unbekannt.
Wie chancenlos sie sind, mag man daran erkennen: In vielen Bundesstaaten sind die republikanischen Vorwahlen abgesagt worden. Hier gehen die Delegiertenstimmen automatisch an den Amtsinhaber. Die republikanische Partei hatte sich schon vor einem Jahr fest zu Trump bekannt.
Daran änderte auch das Amtsenthebungsverfahren gegen Trump nichts. Die republikanischen Senatoren standen mit einer einzigen Ausnahme – Mitt Romney aus Utah – trotz Impeachment geschlossen zum Präsidenten.