Berlin. Es wurde verhandelt und gestritten. Aber nun ist es so weit: Die Grundrente ist beschlossen. Aber die Begeisterung ist überschaubar.

Die Grundrente ist eines der umstrittensten Projekte dieser Legislaturperiode. Das wurde am Mittwoch auch vor dem Bundesarbeitsministerium deutlich. Dort hatten Aktivisten der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft eine überdimensionale goldene Gießkanne errichtet, um gegen die Grundrente zu demonstrieren. Auf der anderen Straßenseite skandierten Sympathisanten des Gesetzes „Grundrente jetzt“.

Im Ministerium zeigten die drei Regierungsparteien dagegen Geschlossenheit. Gemeinsam teilten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) mit, das Bundeskabinett habe den Gesetzentwurf zur Grundrente beschlossen. „Die Einigung ist ein Erfolg für die Menschen, die jeden Tag hart arbeiten und die den Laden am Laufen halten“, sagte Arbeitsminister Heil und nannte das Projekt die „größte Sozialreform dieser Legislaturperiode“. Jens Spahn betonte, das Gesetz sei ein Beitrag, um Vertrauen der Wähler „zu erhalten und zurückzugewinnen“. Nun wird der Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Anschließend haben auch noch die Länder im Bundesrat Mitspracherecht.

Noch zum Wochenstart wurde der Entwurf von Heil abgeschwächt. Anstatt für 1,4 Millionen Menschen soll das neue Gesetz nun 1,3 Millionen Menschen helfen, mehr Geld in der Rente zu haben. Grundsätzlich hat Anspruch, wer mindestens 33 Jahre „Grundrentenzeit“ vorweisen kann. Zeiten der Kindererziehung oder der Pflege von Angehörigen werden mit einberechnet. Den vollen Zuschlag gibt es ab 35 Beitragsjahren.

Grundrente: Einkommen und Vermögen müssen nicht offengelegt werden

Geknüpft ist die Auszahlung an Einkommensschwellen. Im Gegensatz zum ersten Gesetzentwurf gibt es zwei Bemessungsgrenzen. Wer 35 Jahre lang gearbeitet hat und ein monatliches Einkommen von maximal 1250 Euro bei Alleinstehenden und 1950 Euro bei Paaren aufweist, erhält die abschlagsfreie Grundrente. Liegt das Einkommen über den Grenzen, so soll es zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet werden.

Wer also als Alleinstehender 1300 Euro statt 1250 Euro verdient, muss sich 50 Euro zu 60 Prozent anrechnen lassen – die Grundrente fällt 30 Euro niedriger aus. So war es auch im ersten Entwurf vorgesehen. Doch nun haben sich SPD und CDU/CSU auf eine zweite Grenze geeinigt: Wenn Alleinstehende mehr als 1600 Euro und Paare mehr als 2300 Euro verdienen, wird das darüberliegende Einkommen vollständig auf die Grundrente angerechnet. Sprich: Verdient der Alleinstehende 1700 Euro, dann verringert sich die Grundrente um 100 Euro.

Eine Bedürftigkeitsprüfung, bei der Einkommens- und Vermögensverhältnisse offengelegt werden müssen, wird es nicht geben. Mit einberechnet werden in die Freibeträge Auslands- und Kapitaleinkünfte. „Wir stellen gemeinsam sicher, dass es ab einer bestimmten Höhe keine Grundrente mehr gibt. Denn es ist schwer zu erklären, wenn jemand mit einem Einkommen von 2000 Euro im Monat noch von einer Grundrente profitieren würde“, sagte Spahn. Nicht unter die Freibeträge fallen selbst genutzte Immobilien. Beim Wohngeld wird ein Freibetrag zwischen 100 und 216 Euro geschaffen, sodass das Wohngeld nicht als volles Einkommen angerechnet wird.

Grundrente soll zum 1. Januar 2021 ausgezahlt werden

Kritik an dem Gesetzentwurf äußerte Linke-Chefin Katja Kipping „Die Union hat die Schutzfunktion der Grundrente enorm geschliffen. Vom ursprünglichen Grundrenten-Konzept ist nur noch ein Schatten seiner selbst übrig“, sagte Kipping unserer Redaktion.

Die Grundrente soll zum 1. Januar 2021 ausgezahlt werden, den Zeitplan bestätigte Heil nun erneut, nachdem es zuvor massive Kritik von der Rentenversicherung an der Umsetzbarkeit des Projekts gegeben hatte. Von den 1,3 Millionen Grundrenten-Beziehern sollen 70 Prozent Frauen sein, sagte Heil. Auch würden viele Ostdeutsche profitieren, da in den neuen Bundesländern die Löhne lange gering gewesen seien.

Marco Wanderwitz (CDU), der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung.
Marco Wanderwitz (CDU), der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung. © dpa | Bernd von Jutrczenka

Der neue Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (CDU), lobte gegenüber unserer Redaktion: „Gut, dass wir diesen wichtigen Punkt des Koalitionsvertrages nun umgesetzt haben, insbesondere für die neuen Länder. Die Lebensarbeitsleistung der Betroffenen wird damit endlich besser gewürdigt und ein großes Gerechtigkeitsdefizit behoben“. Es würden vor allem Frauen profitieren, die „im Osten längere Beitragszeiten haben, aber oft in ihren Berufen schlechter bezahlt waren“, sagte Wanderwitz. Allerdings sehen nicht alle Unionspolitiker den Gesetzentwurf positiv. Rentenexperte Christoph Ploß sagte unserer Redaktion, „eine Grundrente ohne solide Gegenfinanzierung darf es nicht geben.“

Die Grundrente soll aus Steuermitteln finanziert werden, allein im ersten Jahr soll sie 1,3 Milliarden Euro kosten. Doch die dafür geplante europäische Finanztransaktionssteuer stockt derzeit. Ploß: ,„Die CDU muss im Sinne der Generationengerechtigkeit darauf bestehen, dass die Zusagen der SPD-Minister zur nachhaltigen Finanzierung der Grundrente eingehalten werden.“

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Es wurde verhandelt und gestritten. Aber nun ist es so weit: Die Grundrente ist beschlossen. Aber die Begeisterung ist überschaubar. Finanzminister Olaf Scholz hatte Vorschläge für einen späteren Starttermin zurückgewiesen: „Die Grundrente kommt pünktlich.“

Die Rentenversicherung warnte unterdessen vor einem riesigen Verwaltungsaufwand: Ist der Heil-Entwurf zur Grundrente überhaupt zu bezahlen? Und auch die geplante Gegenfinanzierung wackelt: Börsensteuer: Heftiger Widerstand gegen Scholz-Vorschlag.