Washington/Manchester. Der linke Senator Bernie Sanders gewinnt die zweite Vorwahl der Demokraten in New Hampshire. War es das schon für Favorit Joe Biden?
Im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten 2020 liefern sich der älteste und der jüngste Kandidat im Wettbewerb weiter einen beinharten Wettbewerb. Bernie Sanders (78), der selbst ernannte Sozialist und Senator aus Vermont, gewann am Abend nach übereinstimmenden Medien-Hochrechnungen die Vorwahl in New Hampshire mit rund 26 Prozent der Stimmen. Er schiebt sich damit vor der nächsten Etappe in Nevada in die Favoriten-Position.
Pete Buttigieg (38), Vertreter der gemäßigten Mitte, der den Auftakt in Iowa mit hauchdünnem Vorsprung vor Sanders für sich entschied, kam mit rund 24 Prozent auf den zweiten Platz. Die moderate Senatorin Amy Klobuchar (20 Prozent) wurde überraschend Dritte.
Abgeschlagen auf den Rängen vier und fünf folgten mit 9,5 Prozent die linke Senatorin Elizabeth Warren und der ebenfalls in der Mitte verortete frühere Vizepräsident Joe Biden. Er erhielt nur für ihn absolut enttäuschende 8,5 Prozent.
Zu verteilen waren im Bundesstaat im Nordosten der USA 24 Delegierten-Stimmen für den Nominierungsparteitag im Juli. Dort benötigt der Sieger zirka 2000 von insgesamt 4000 gebundenen Delegierten-Stimmen zum Sieg. Die Wahl in New Hampshire und die Folgen:
Die Gewinner I:
Ganz klar Bernie Sanders. Nach dem toten Rennen mit Pete Buttigieg in Iowa (beide verlangen eine Nachzählung) hat sich der links-progressive Senator aus Vermont in New Hampshire durchgesetzt. Allerdings war seine Stimmenausbeute deutlich geringer als 2016 gegen Hillary Clinton.
Der 78-Jährige zog in New Hampshire das mit Abstand größte Publikum an. Seine Botschaft von einem grundsätzlichen Politikwechsel (Reichensteuer, kostenlose Unis, allgemeine Krankenversicherung, Zurückdrängung großer Geldgeber aus den politischen Prozessen) verfing vor allem bei Wählern unter 25.
Sanders‘ Erfolg entspricht den Umfragewerten. Er geht als Favorit in die nächsten Wahlen. Sehr zum Leidwesen des demokratischen Establishments, das seine Positionierung am linken Rand der Partei in einem Duell gegen Amtsinhaber Donald Trump nicht für mehrheitsfähig hält.
Die Gewinner II:
Ebenfalls als Gewinner darf sich der 38 Jahre alte Pete Buttigieg fühlen, der in Iowa einen nicht erwarteten Sensationserfolg davon trug. Sein Abschneiden in New Hampshire (rund 24 Prozent) macht den ehemaligen Bürgermeister der 100.000 Einwohner zählenden Industriestadt South Bend (US-Bundesstaat Indiana) vorläufig zum bevorzugten Kandidaten für moderate Wählerschichten bei den Demokraten, denen Sanders‘ Umverteilungs-Rigorismus zu weit geht.
Ein unerwartetes Comeback gelang im Neuengland-Staat mit 20 Prozent Amy Klobuchar (59), die im gleichen Wähler-Pool fischt wie Buttigieg. Die als bodenständig geltende Senatorin aus dem Agrar-Bundesstaat Minnesota rühmt sich ihrer Fähigkeit, mit den Republikanern über 120-mal im Senat zu gesetzlichen Kompromissen gefunden zu haben. Klobuchar hat mit ihrer pragmatisch-humorvollen Art Wähler erreicht, denen Sanders zu extrem und Buttigieg zu unerfahren ist.
Die Verlierer I:
Allen voran Joe Biden. Mit Platz 5 in New Hampshire wird es für Obamas Vize-Präsidenten nach Platz 4 in Iowa existenziell eng. Knapp unter neun Prozent der Stimmen, das ist für den erfahrensten und bekanntesten Politiker im Rennen ein klarer Misstrauensbeweis.
Der Mann (77), der sich rühmt, als einziger das Format zu besitzen, Donald Trump schlagen zu können, wirkt wie aus der Zeit gefallen. Er ist 2020 einfach nicht Wählers Liebling. Seine auf Nostalgie und Lebenswerk setzende Botschaft, wonach wieder Anstand ins Weiße Haus einziehen müsse, zieht keine Mehrheiten an.
Wie Biden diesen Malus bis zu den nächsten Vorwahlen in Nevada und South Carolina (22. und 29. Februar) substanziell wettmachen kann, ist heute nicht erkennbar. Großspender wenden sich bereits ab. Es werden bereits Forderungen laut, Biden möge zurückziehen und den Weg freimachen für Buttigieg oder Klobuchar. Aber daran denkt Biden bisher nicht.
Die Verlierer II:
Ebenfalls stark hinter den eigenen Erwartungen blieb wie schon in Iowa Elizabeth Warren zurück. Die Senatorin aus dem Nachbar-Bundesstaat Massachusetts, die mit den konkretesten Politik-Angeboten aufwartete (Markenspruch: „Stellt euch vor, dafür habe ich ein Konzept“), konnte sich mit ihrem Stimmenanteil von 9,4 Prozent nicht unter die ersten Drei schieben.
Warrens weitgehende sachpolitische Übereinstimmung mit Bernie Sanders gereicht ihr zunehmend zum Nachteil. Wenn schon links, dachte sich eine Mehrheit in New Hampshire, dann lieber das Original. Trotzdem macht Warren bisher keine Anstalten aufzugeben.
Der Edel-Joker:
Die Auftakt-Erfolge von Sanders und Buttigieg und die schweren Dämpfer für Biden rücken zunehmend den „unsichtbaren Dritten“ ins Scheinwerferlicht: Michael Bloomberg, Finanzdienstleister und Multi-Milliardär, hat seine erst im vergangenen November verkündete Kandidatur exakt auf diese Konstellation zugeschnitten.
Bloomberg will Sanders unbedingt verhindern (weil: zu links) und glaubt fest, dass Buttigieg wie Klobuchar oberhalb ihrer politischen Gewichtsklassen boxen und am Ende gegen Trump chancenlos wären. Der 77-Jährige wird offiziell erst am 3. März beim „Super Tuesday“ im Kampf um dann rund 1350 Delegiertenstimmen antreten – als Kandidat der Mitte.
Wahlkampfausgaben von bisher 300 Millionen Dollar aus der eigenen Kasse haben den ehemaligen New Yorker Bürgermeister bei landesweiten Umfragen bereits auf Platz vier katapultiert.
Die Chancenlosen:
New Hampshire hat das Bewerberfeld noch übersichtlicher werden lassen. Mit Schließung der Wahllokale legte der Unternehmer Andrew Yang seine Ambitionen zu den Akten – ihm wurden nicht mehr als drei Prozent verheißen. Der 45-jährige Sohn von Einwanderern aus Taiwan war mit unkonventionellen Ideen während der TV-Debatten eine Bereicherung, kam aber nie über seinen Exoten-Status hinaus.
Wenig später zog auch Michael Bennet, Senator aus Colorado (1 Prozent), die Konsequenzen und beendete sein aussichtsloses Rennen. Es wird erwartet, dass die aus Hawaii stammende Kongress-Abgeordnete Tulsi Gabbard (3,3 Prozent) ihm bald folgen wird. Hingegen hat der ebenfalls abgeschlagene Milliardär Tom Steyer (3,6 Prozent) genügend Barmittel, um noch einige Woche durchzuhalten. Echte Chancen hat er nicht.
Die Republikaner:
Bei den Pro-Forma-Vorwahlen der Republikaner stand Amtsinhaber Donald Trump bereits kurz nach Schließung der Wahllokale mit rund 90 Prozent der Stimmen als Sieger fest. Herausforderer Bill Weld kam auf acht Prozent.
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