Berlin. Ein iranischer Raketenangriff auf ein Camp im Irak galt Amerikanern, hätte aber Bundeswehrsoldaten treffen können. So ist ihre Lage.

Der Angriff kam über Nacht, aber nicht unerwartet, auch nicht in Erbil, wo die Bundeswehr stationiert ist. „Wir haben sofort alle im Camp befindlichen Soldatinnen und Soldaten über Sirenen alarmiert“, berichtet der deutsche Kontigentführer Oberst Jörg Wellbrink unserer Redaktion. So konnten sowohl die Amerikaner auf ihrem Stützpunkt am Flughafen als auch die Deutschen im Camp Stephan im Bunker Schutz suchen.

Der Raketenangriff galt den USA, aber das deutsche Camp liegt im näheren Umfeld. „Meine Soldaten sind alle wohlauf“, sagt Wellbrink, der sehr stolz ist „über das äußerst professionelle Verhalten und die Geschwindigkeit, mit der die Schutzbauten aufgesucht wurden“.

Das ist beruhigend, aber keine Entwarnung. Denn Erbil, die Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Norden Iraks, liegt nahe an der Grenze zum Iran. Je kürzer die Entfernung, desto kürzer die Vorwarnzeiten. Der Iran hat oft bewiesen, dass er gezielte Angriffe führen kann, etwa bei Attacken auf Schiffe oder Ölanlagen in Saudi-Arabien.

Deutscher Stützpunkt im Irak ein leichtes Ziel für Angriffe

Im deutschen Stützpunkt weht zwar die schwarz-rot-goldene Fahne, das Camp ist eine Welt für sich, abgeschirmt und eingerahmt in Stacheldraht, aber letztlich liegt das Containerdorf im Bereich des amerikanischen Camps. Die Luft riecht manchmal nach Kerosin, die amerikanischen Flugzeuge sind hörbar.

Camp Stephan (benannt nach dem ersten verstorbenen Kommandeur) gibt ein leichtes Ziel ab und kann bei jedem Angriff auf die Amerikaner quasi einen Kollateralschaden davontragen, also unbeabsichtigt zum Opfer werden. Das ist indes nicht der alleinige Grund dafür, dass in Berlin ein Teilabzug erwogen wird. Fakt ist, dass die rund 120 Soldaten im Moment eigentlich beschäftigungslos sind.

Die Deutschen haben in der Region im Prinzip zwei Missionen. Das ist zum einen der Kampfeinsatz gegen den „Islamischen Staat“ (IS), der sogenannte Einsatz Counter Daesh. An ihm beteiligt sich die Bundeswehr mit Tornado-Aufklärungsflügen von Jordanien aus. Der andere Auftrag ist der „Fähigkeitsaufbau“. Deswegen sind sie im Irak. Die Deutschen kämpfen nicht an der Front – sie bilden aus. Sie sollen die Peschmerga, die kurdische Armee, ertüchtigen.

Ausbildungsprogramm ausgesetzt – Abzug nur nach Abstimmung

Seit der Konflikt zwischen den USA und Iran eskaliert, ruht der Ausbildungsbetrieb. Weil sie im Moment zur Tatenlosigkeit verdammt sind, hat ein Abzug der Soldaten Sinn; in Teilen deswegen, weil die Bundeswehr nicht allein ist. Zum Camp gehören auch Slowenen, die von den Deutschen versorgt werden. Weitere Staaten sind vor Ort militärisch engagiert, die Niederlande, Schweden, Italien.

In Tadschi bei Bagdad, wo die Bundeswehr bei den Amerikanern zu Gast ist, konnte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) alle 32 deutschen Soldaten abziehen. In Erbil sucht sie nach eigenen Worten eine „enge Abstimmung mit den Partnern“, die sich an die Bundeswehr anlehnen. „Wir haben mit der internationalen Koalition sowieso vereinbart, dass alle Kräfte, die nicht benötigt werden, keinem unnötigen Risiko ausgesetzt werden.“

Nicht wenige Bundestagsabgeordnete halten die Peschmerga-Hilfe für ein Vorzeigeprojekt und würden sogar dann daran festhalten, wenn die deutschen Berater aus Bagdad abgezogen und die Tornado-Flüge aus Jordanien eingestellt werden. Die Soldaten können wenig tun, sind aber mehr denn je gefährdet.

Soldaten sollen regenerieren – mehr ist nicht möglich

Schon in normalen Zeiten bewegen sie sich in einem Wespennest, weil es latente Spannungen zwischen den Kurden und der Zentralregierung in Bagdad gibt und weil gerade im Norden noch viele Zellen des IS aktiv sind. Als die Bundeswehr nach 2015 nach Erbil kam, waren die IS-Kämpfer weniger als 100 Kilometer entfernt.

Bisher gab es keine Anzeichen für Aktivitäten von Iran-treuen Milizen wie den PMF, der Hisbollah oder den Al-Kuds-Brigaden. Das könnte sich ändern.

Gewöhnlich fahren die Soldaten zum kurdischen Ausbildungslager Bnaslawa, um dort mit den Peschmerga zu üben. Sie waren schon bisher angehalten, ihr Camp ansonsten nicht zu verlassen, und jetzt ruht auch der Ausbildungs­betrieb. Wellbrink sagt, seine Soldaten nutzten jetzt die Zeit, „um sich zu regenerieren“. Besonders abwechslungsreich ist die Einsatzrealität nicht. Es gibt die unvermeidliche Muckibude, eine Containerkneipe und eine Art Marktplatz oder Treffpunkt, die Oase.

Wenn Partner der Bundeswehr sich aus der Region zurückziehen, haben Beobachter vor allem eine Sorge: Deutschland darf im Irak nicht zur Besatzungsmacht werden.

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Im Rahmen der Krise hatte das Parlament im Irak für den Abzug aller US-Truppen aus dem Irak gestimmt. Jedoch müsste den Abzug die irakische Regierung forcieren. Alle wichtigen Entwicklungen zum Iran-Konflikt lesen Sie hier im News-Blog.