Berlin/Teheran/Washington. Iran und die USA heizen die Lage im Nahen Osten noch weiter an. Deutschland will deeskalieren, Zeit gewinnen und Soldaten abziehen.

Die Spannungen im Nahen Osten führen zu weiteren Konsequenzen: Nach der Bundeswehr zieht wegen der Spannungen im Nahen Osten nun auch die Nato einen Teil ihrer Soldaten zeitweise aus dem Irak ab. Das bestätigte ein Sprecher des Militärbündnisses am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur in Brüssel. Zuvor hatte der „Spiegel“ darüber berichtet.

Der Montag wurde in Teheran indes zum Feiertag erklärt. So stellte der Staat sicher, dass alle Iraner Abschied vom getöteten General Ghassem Soleimani nehmen können. Das taten sie dann auch. Hunderttausende Menschen versammelten sich zu einer Trauerfeier. Während die iranische Führung seit Tagen mit Vergeltung für den Drohnenangriff auf den Militär droht, verschärfte US-Präsident Donald Trump in Washington den nächsten Konflikt, jetzt mit dem Irak.

Er drohte der Regierung mit Sanktionen, falls sie den Beschluss ihres Parlaments umsetzt, das alle ausländischen Soldaten zum Abzug aufgefordert hatte – auch die Bundeswehr. Wie geht es nun weiter? Drei Antworten aus drei Schauplätzen.

Trauer und Drohungen in Teheran

Irans gesamte politische Elite nahm Abschied. Revolutionsführer Ali Khamenei, der das Totengebet am Sarg leitete, schien einen Augenblick lang von seinen Gefühlen überwältigt. Draußen auf den Straßen drängte sich eine gewaltige Menschenmenge. Das öffentliche Leben der iranischen Hauptstadt kam zum völligen Stillstand. Fast alle Fernsehsender übertrugen das Geschehen live. „Tod für Amerika“ skandierten die Massen auf dem zentralen Azadi-Platz, als die Särge ankamen, und schwenkten Fotos des Generals.

Zeinab Soleimani, die Tochter des getöteten iranischen Generals, droht in ihrer Rede den USA.
Zeinab Soleimani, die Tochter des getöteten iranischen Generals, droht in ihrer Rede den USA. © AFP | -

An diesem Dienstag soll der Kommandeur in seinem Geburtsort nahe der Stadt Kerman beigesetzt werden. „Dies ist ein schwarzer Tag für die USA“, erklärte die Tochter des Getöteten, Zeinab Soleimani, bei ihrer Trauerrede. „Verrückter Trump, glaub ja nicht, dass mit dem Märtyrertod meines Vaters jetzt alles vorbei ist“, rief sie unter tosendem Beifall. „Alle Eltern von US-Soldaten, die im Nahen Osten stationiert sind, müssen jetzt auf den Tod ihrer Kinder warten.“

Unter den regionalen Verbündeten der USA wächst die Angst. Heikel ist die Lage vor allem für Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie gelten in der arabischen Welt als schärfste Kritiker des iranischen Machtstrebens. Beide Ölstaaten an der gegenüberliegenden Küste des Iran befürchten, wegen Trumps Wankelmut im Falle eines Angriffes ohne amerikanische Deckung dastehen zu können. Beide bemühten sich seit Monaten, ihr Verhältnis zur Islamischen Republik zu entspannen, eine Initiative, an der offenbar auch Soleimani beteiligt war.

Die Europäische Union lud Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zu Gesprächen ein, nachdem das Mullah-Regime am Sonntag – als Reaktion auf den US-Angriff – den fünften und letzten Teil des 2015 geschlossenen Atomabkommens aufgekündigt hatte. Sämtliche Schritte seien reversibel, betonte Sarif in einer Twitter-Botschaft. Außenminister Heiko Maas (SPD) warnte, die Entscheidung des Iran werde „sicherlich nicht ohne Reaktion unsererseits hingenommen werden können“.

Streit über den Kurs in Washington

Drohungen, Warnungen, Rückschläge: Nach der von ihm befohlenen Ermordung des iranischen Generals hakt es für Trump an vielen Fronten. Die Demokraten im Kongress haben angekündigt, den militärischen Handlungsspielraum des Präsidenten in einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Teheran einzuschränken. Über die „War Powers Resolution“ aus den 1970er-Jahren sollen ihm Restriktionen auferlegt werden, kündigte seine Gegenspielerin Nancy Pelosi an. Sie und ihr Co-Pilot im Senat, Chuck Schumer, sehen Amerika „in einen Krieg stolpern“, weil der Präsident die Konsequenzen seines Tuns nicht bedacht habe.

Die Tötung Soleimanis, die nach US-Medienberichten maßgeblich von Außenminister Mike Pompeo und Vizepräsident Mike Pence betrieben wurde, sei „provokant und unverhältnismäßig“ gewesen, kritisierte Pelosi.

Andere Demokraten äußerten große Zweifel, ob Trump die noch ganz am Anfang stehende Krise mit dem Iran, der Rache angekündigt hat, mit Augenmaß managen kann. Sie werfen ihm vor, oft Zickzackkurse einzuschlagen und um sich nur wenig qualifizierte Ja-Sager zu versammeln. Trumps Konter: Die Opposition falle ihm und Amerika in den Rücken.

Trump: „Wir werden nicht gehen“

Noch wütender reagierte der Präsident auf den Beschluss des Parlaments in Bagdad, wonach die dort seit fast 17 Jahren in unterschiedlichen Stärken stationierten US-Truppen (zurzeit 6000) zur Strafe für die Tötung Soleimanis den Irak verlassen sollen. Käme es so, müsse der Irak dann mit Sanktionen rechnen, die jene, mit denen der Iran überzogen wurde, harmlos aussehen ließen, sagte Trump an Bord der Präsidentenmaschine Air Force One.

Solange die Regierung in Bagdad die USA nicht für einen milliardenschweren Luftwaffenstützpunkt finanziell entschädige, laufe gar nichts, so Trump. „Wir werden nicht gehen, bevor sie uns nicht dafür bezahlen.“

Im Pentagon hat die parlamentarische Ausladung Hektik ausgelöst. Ohne Militärbasen werde sich das Terrornetzwerk „Islamischer Staat“ (IS) regenerieren und der Iran seinen Einfluss im Irak noch ausbauen können, heißt es dort. Trump drehte auch in Richtung Teheran rhetorisch an der Eskalationsschraube.

Sollte der Iran Vergeltung für Soleimani üben, würden die USA unerbittlich zurückschlagen. Dabei würden auch Kulturstätten ins Auge gefasst, die nach der Haager Konvention nicht als militärische Ziele missbraucht werden dürfen. Trump will das ignorieren. „Sie dürfen Straßenbomben nutzen und unsere Leute in die Luft jagen“, sagte er, „und wir dürfen ihre kulturellen Stätten nicht anfassen? So funktioniert das nicht.“

Bundeswehr zieht Soldaten teilweise aus Irak ab

Hunderttausende nahmen am Montag in Teheran Abschied vom getöteten iranischen General Ghasem Soleimani. Sie schworen am Sarg des Top-Militärs Vergeltung für den Drohnenangriff.
Hunderttausende nahmen am Montag in Teheran Abschied vom getöteten iranischen General Ghasem Soleimani. Sie schworen am Sarg des Top-Militärs Vergeltung für den Drohnenangriff. © Anadolu Agency via Getty Images | Anadolu Agency

„Die Drähte glühen heiß“, heißt es im Auswärtigen Amt. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammen mit dem britischen Premier Boris Johnson und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron „alle Beteiligten“ zur „äußersten Zurückhaltung“ aufrief, stimmt sie sich am Samstag in Moskau mit Russlands Präsident Wladimir Putin ab. Die Strategie: Deeskalieren und Zeit gewinnen.

Einen ersten Beschluss gibt es aber schon: Die Bundeswehr zieht ihre Soldaten teilweise aus dem Irak ab und verlegt sie nach Jordanien und Kuwait. Vor allem die Standorte Bagdad und Tadschi würden „vorübergehend ausgedünnt“, schreiben Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und Außenminister Maas an die Obleute im Bundestag.

Rückverlegung der Soldaten, sobald Ausbildung wieder startet

Beide bekräftigen darin, dass Gespräche zu einer Fortsetzung des Einsatzes im Irak mit der Regierung in Bagdad weiterliefen. „Selbstverständlich werden wir jede souveräne Entscheidung der irakischen Regierung respektieren“, heißt es in dem Schreiben. „Wir sind grundsätzlich bereit, unsere bewährte Unterstützung in einem international koordinierten Rahmen weiterzuführen, sofern dies durch den Irak gewünscht ist und die Lage es erlaubt.“

Zur Lage in Bagdad und Taschi schreiben die Minister: „Die dort eingesetzten Soldaten werden zeitnah nach Jordanien und Kuwait verlegt. Wenn die Ausbildung wieder aufgenommen werden soll, können diese Kräfte zurückverlegt werden.“

Patrick Sensburg: „Erst müssen sich die Gemüter abkühlen“

In Berlin plant der Verteidigungsausschuss für Donnerstag eine Sondersitzung. Bis dahin sollen die Di­plomaten sondieren, ob die irakische Regierung den Abzugsbeschluss ihres Parlaments umsetzt.

Die Frage sei, ob der Beschluss quasi eine „Affektreaktion gegenüber den USA“ war – also Protest – oder tatsächlich umgesetzt wird, meint der Vorsitzende des Reservistenverbandes, der CDU-Politiker Patrick Sensburg. „Erst müssen sich die Gemüter abkühlen“, erklärte er unserer Redaktion. Eigentlich müsse der Irak das größte Interesse am Einsatz gegen den IS und an der Aufbau- und Stabilisierungshilfe haben.

Die Bundeswehr ist in Jordanien, aber auch im Irak aktiv. Unter anderem bildet sie nahe Erbil die kurdischen Peschmerga aus.
Die Bundeswehr ist in Jordanien, aber auch im Irak aktiv. Unter anderem bildet sie nahe Erbil die kurdischen Peschmerga aus. © picture alliance / dpa | dpa Picture-Alliance / Michael Kappeler

Die Obergrenze für das deutsche Mandat im Irak beträgt 700 Soldaten. Aktuell sind nach Auskunft des Truppeneinsatzkommandos in Potsdam mehr als 430 im Einsatz. Das deutsche Kontingent wird aus Jordanien geführt. Dort sind rund 280 deutsche Soldaten stationiert.

Sie fliegen Aufklärungseinsätze und helfen mit Luftbetankung. In Erbil unterstützen 117 Berater die kurdischen Kräfte. Im Militärkomplex Tadschi bei Bagdad sitzen 32 Soldaten, die ihre irakischen Kameraden ausbilden. Dazu kommen noch fünf Stabsoffiziere.

Zunächst war die Ausbildung der irakischen Streitkräfte, danach der reguläre Kontingentwechsel der deutschen Soldaten ausgesetzt worden. Kramp-Karrenbauer hatte davor gewarnt, dass der Irak im Chaos versinkt oder unter die Kontrolle von Extremisten gerät. Das Mandat war im Herbst um sechs Monate bis März verlängert worden.

Der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, hat die EU dazu aufgerufen, mehr Verantwortung im Nahen Osten zu übernehmen. „Derzeit sind deutsche Soldaten im Irak im Einsatz, zukünftig müssen europäische Soldaten gemeinsam Verantwortung in den Krisenregionen unserer Nachbarschaft übernehmen“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende unserer Redaktion.

„Sollte der Irak ausländische Truppen weiter willkommen heißen, ist das Engagement Deutschlands und Europas dort richtig und wichtig.“ Er forderte die EU zu einer klaren Haltung auf: „Der Iran und seine Führung sind der zentrale Faktor der Instabilität. Die iranische Führung ist verantwortlich für viele Krisen in der Region.“ Die EU-Außenminister planen wegen des Konflikts für Freitag ein Krisentreffen in Brüssel.