Essen. Die Still-Leben-Aktion auf der A40 war im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 die Top-Aktion. Eine Neuauflage im Jubiläumsjahr 2020 erscheint fraglich.
2020 feiert (sich) das Revier - ein ganzes Jahr. Grund genug gibt es: 10 Jahre Kulturhauptstadt und 100 Jahre Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, der heutige Regionalverband Ruhr (RVR). Doch es soll auch nach vorne geblickt werden.„RUHR.2020“ ist der Titel eines Konzepts, das der WAZ vorliegt. Preisfrage: Wird es auch nochmal ein neues „Still-Leben“ geben?
Zentraler Veranstaltungsort soll das Welterbe Zollverein in Essen sein, beispielsweise für eine Eröffnungsfeier des Jubiläumsjahres: am 9. Januar auf den Tag genau also mit dem unvergessenen, weil pittoresk schneeumstöberten Kulturhauptstadt-Auftakt. Dazu diverse Ausstellungen, Lichtkunst und Konferenzen. Unter dem Dach der Stiftung Zollverein sollen sich auch die Strukturen bündeln, Auftraggeber ist die Stadt als ehemaliger Bannerträger „Essen für das Ruhrgebiet“. Entsprechend zeichnet mit Oliver Scheytt deren langjähriger Kulturdezernent und späterer RUHR.2010-Geschäftsführer für das Programm verantwortlich, inzwischen selbstständiger Personalvermittler im Kulturmanagement und Berater potenzieller künftiger Kulturhauptstädte.
Ein ganzes Jahr soll gefeiert werden
Die Veranstaltungen sind mit 700.000 Euro (RVR, Stadt, Land je 200.000, Rest Sponsoren) beziffert: vier Monate Rückblick RUHR.2020 mit Day of Song und Schiffsparade, vier Monate Jubiläum RVR mit der ersten Direktwahl des Regionalparlaments, vier Monate Ausblick in die Zukunft mit Internationaler Gartenausstellung 2027 und vielleicht sogar Olympia 2032...Zu den offenen Themen gehört vor allem jene nach einer Wiederholung des „Still-Leben“, der Sperrung der Autobahn für einen Tag: 2010 die Aktion mit der größten Strahlkraft, auch medial - doch seither hat der Terror Einzug gehalten in der Welt und die Sicherheitslage stellt neben dem Los der Finanzierung eine ganz neue Herausforderung dar. Zu gefährlich? So spricht sich auch RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel dagegen aus: „Vor dem Hintergrund der kurzen Vorbereitungszeit sowie der verschärften Sicherheitsvorkehrungen nach der Loveparade in Duisburg halte ich eine Neuauflage zum Schutz aller Besucher für nicht realisierbar.“
Radfahren auf der A42 als Option
Die Planungen sehen ohnehin Optionen vor: mit einer Sperrung der A42 auf 60 Kilometer von Moers bis Dortmund, statt wie damals der A40, und ohne lange Tafel, sondern ausschließlich für Radfahrer und E-Bikes - eingebettet in die „Europäische Woche der Mobilität“ Mitte September. Damit würde dem Geist der Zeit Rechnung getragen, auf Klima und Mobilität zu setzen. Eine Idee, der der frühere RUHR.2010-Chef Fritz Pleitgen Charme abgewinnen kann: „Das Alternativmodell dürfte auch zu einer Attraktion werden.“ Ulrich Syberg, Bundesvorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) aus Herne, begrüßt besonders die umweltpolitische Dimension: „Wenn wir eine Verkehrswende wollen, müssen wir Zeichen setzen - das Ruhrgebiet braucht solch ein Zukunftsereignis.“
RVR für eine Sternfahrt auf den Radwegen
Die Stadt Essen in Person von Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) wäre ebenfalls dafür - wenn die auf gut drei Millionen Euro kalkulierte Finanzierung gewährleistet ist und ein Träger die Verantwortung übernimmt. Der RVR und Tochtergesellschaft Ruhr Tourismus stehen für diese Rolle nicht zur Verfügung, schlagen statt dessen „eine Sternfahrt auf den Radwegen der Metropole Ruhr“ vor.
Wie geht’s weiter? Erst, wenn sich alle Akteure geeinigt haben, kann das zuständige Heimatministerium über etwaige Förderungen beratschlagen. Immerhin: Ina Scharrenbach (CDU) hatte bereits 2017 in der WAZ für eine wie auch immer geartete Neuauflage plädiert...