Brüssel. Fast zwei Jahre nach seiner Unterzeichnung tritt am heutigen Dienstag der EU-Reformvertrag von Lissabon in Kraft. Damit sind nicht nur neue Personalien verbunden, auch die Rechte der EU-Bürger sollen gestärkt werden. DerWesten zeigt die wichtigsten Änderungen.

Neuer Chef: Mit Inkrafttreten des Vertrags beginnt die Amtszeit des neuen EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy (Foto oben). Der Belgier ist der erste hauptamtliche Ratspräsident, bislang wechselten sich die EU-Staats- und Regierungschefs alle sechs Monate auf diesem Posten ab. Die Leitung von EU-Gipfeln will Van Rompuy bis zum Jahresende noch dem schwedischen Regierungschef Fredrik Reinfeldt überlassen, der bis dahin noch nach dem alten Rotationsprinzip den Vorsitz führt.

Eine Außenpolitikchefin für die EU: Am 1. Dezember nimmt die neue Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, ihre Arbeit auf. Ab 1. Januar wird Ashton überdies die monatlichen Sitzungen der Außenminister aus den 27 Mitgliedstaaten leiten. In allen anderen Ministerräten bleibt es beim Rotationsprinzip: Am 1. Januar übernimmt Spanien von Schweden den Vorsitz bei den Treffen der EU-Finanz-, Landwirtschafts- und weiterer Fachminister.

18 neue EU-Abgeordnete

Ins EU-Parlament ziehen mit Inkrafttreten des EU-Reformvertrags von Lissabon 18 weitere Abgeordnete ein. Das Parlament wächst damit vorübergehend auf 754 Sitze an. Im Reformvertrag sind eigentlich nur 750 Abgeordnete plus Parlamentspräsident vorgesehen, Deutschland soll danach nur noch 96 statt derzeit 99 Abgeordnete stellen. Da die 99 deutschen EU-Parlamentarier aber bei der Europawahl im Juni für fünf Jahre gewählt wurden, wird die neue Obergrenze erst in der nächsten Legislaturperiode greifen.

Größter Gewinner der Parlamentserweiterung ist Spanien, das vier Sitze hinzubekommt. Frankreich, Österreich und Schweden gewinnen je zwei Abgeordnete hinzu. Jeweils ein zusätzlicher Parlamentarier kommt aus Bulgarien, Italien, Lettland, Malta, den Niederlanden, Polen, Slowenien und Großbritannien.

Demokratischere Entscheidungsverfahren: Die Mitspracherechte des EU-Parlaments bei EU-Entscheidungen werden ausgeweitet, vor allem in der Justiz- und Innenpolitik. Auch über die Verwendung der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen können die Regierungen künftig nicht mehr allein entscheiden.

Grundrechtecharta: Die bereits Ende 2000 unterzeichnete EU-Charta der Grundrechte wird mit dem Lissabon-Vertrag rechtsverbindlich. Für Polen, Großbritannien und Tschechien gibt es aber Ausnahmen.

Bürgerbegehren: Eine Million Bürger aus mehreren Mitgliedstaaten können die Kommission per Unterschrift auffordern, zu einer bestimmten Frage einen Gesetzesvorschlag vorzulegen. Einzelheiten des Verfahrens sind aber noch offen.

Subsidiaritätsprinzip: Sieht ein Drittel der nationalen Parlamente durch ein europäisches Gesetzesvorhaben das Subsidiaritätsprinzip verletzt, so muss der Entwurf überprüft werden.

Austrittsklausel: Der Reformvertrag von Lissabon räumt den EU-Staaten erstmals ausdrücklich die Möglichkeit ein, aus der Gemeinschaft auszutreten. Umgekehrt können einem Mitgliedstaat, der grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien verletzt, seine Stimmrechte im Ministerrat vorübergehend entzogen werden. (ap)