Brüssel. Die Europäische Union besiegelt das umstrittene Abkommen zur Weitergabe von Bankverbindungsdaten europäischer Bürger an die USA. Proteste kamen von Datenschützern und EU-Abgeordneten. Deutschland hatte sich bei der Abstimmung enthalten und damit den Weg für den Vertrag freigemacht.

Streit um das Swift-Abkommen

Hintergrund des Streits sind Geldtransfers, die über den internationalen Finanzdienstleister Swift abgewickelt werden. Rund 15 Millionen Überweisungen zwischen 8200 Banken aus 200 Ländern bewältigt das Unternehmen mit Hauptsitz in Belgien.

Seit den Terroranschlägen von 2001 werden Fahnder in den USA die Daten aus, um Geldquellen von Terroristen offen zu legen.

2006 flog auf, dass die Ermittler einen Server von Swift in den USA anzapften, ohne dass die Europäer etwas davon wussten. Der Finanzdienstleister entschied deshalb, in Europa weitere Rechenzentren aufzubauen. Ab 2010 wird der europäische Zahlungsverkehr nur noch in der Schweiz und den Niederlanden verarbeitet. Damit die US-Fahnder weiterhin Zugriff auf die Daten haben, wird die EU Information bei begründeten Anfragen weitergeben. Über die Überweisungsdaten sollen die Terrorbekämpfer in den vergangenen Jahren Terrororganisation unter anderem in Großbritannien und Deutschland auf die Spur gekommen sein, unter anderem der so genannten Sauerland-Gruppe.

Treffen kann es theoretisch jeden, der Geld ins Ausland überweist. Name, der Empfänger, Kontodaten, Verwendungszweck und die Summe – all diese sensiblen Informationen dürfen von US-Terrorfahndern eingesehen werden, wenn sie den Verdacht haben, einem Terroristen auf der Spur zu sein. Trotz heftiger Proteste von Datenschützern und des EU-Parlaments haben die EU-Innenminister in Brüssel gestern das umstrittene Swift-Abkommen besiegelt, das den USA Zugriff auf Bankdaten der Europäer ermöglicht – einen Tag bevor die EU-Abgeordneten mit dem Lissabon-Vertrag mehr Mitbestimmungsrechte auch bei Fragen des Datenschutzes bekommen.

„Wir erhalten dadurch mehr Sicherheit bei der Terrorbekämpfung“, rechtfertigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière das Abkommen, das auf Druck der Deutschen zunächst auf neun Monate befristet ist. Ursprünglich sollte es für ein Jahr gelten, bevor dann zusammen mit dem EU-Parlament eine dauerhafte Lösung ausgehandelt wird. Glücklich ist der Minister dennoch nicht: Unklar ist zum Beispiel, inwieweit sich Bankkunden ausreichend vor unerwünschter Späherei schützen können, auch der Umgang mit Daten sei nicht vollständig befriedigend, hieß es. Deswegen enthielt sich der Minister der Stimme; Gegenstimmen gab es nicht.

Daten gehen nicht an Drittstaaten weiter

Internationale Überweisungen werden über den belgischen Finanzdienstleister Swift abgewickelt. Das neue Abkommen wurde notwendig, weil dieser zum Jahresende den Server mit europäischen Zahlungstransfers aus den USA in die Niederlande verlagert und die US-Fahnder somit keinen Zugriff mehr auf die Daten hätten. Seit den Terroranschlägen von 2001 werten die Amerikaner Informationen aus, um Geldquellen von Terroristen offen zu legen. Innerdeutsche Überweisungen sind davon nicht betroffen.

Mit der neuen Vereinbarung verpflichten sich die USA, keine Daten an Drittstaaten weiterzureichen. Ein großräumiges Abfischen der Kontodaten ist nicht erlaubt. Außerdem dürfen die Kontobewegungen grundsätzlich nur zur Terrorismusbekämpfung benutzt werden. Die Daten müssen im Normalfall nach fünf Jahren wieder gelöscht werden.

Nachspiel angedroht

Auch sollen die EU-Abgeordneten nun nachträglich ihre Zustimmung zur Übergangs-Regelung geben – was diese aber kaum versöhnlich stimmt. „Wir hatten keinerlei Möglichkeit, auf diese Vereinbarung Einfluss zu nehmen“, kritisiert der Grünen-Abgeordnete Jan Philipp Albrecht. „Ein Zurück zu klaren rechtsstaatlichen Grundregeln ist auf dieser Grundlage nicht mehr möglich.“ Deswegen werde er nun eine Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof prüfen.

Kritik kommt ebenfalls von Unions-Politikern des EU-Parlaments. „Das Parlament ist Mitgesetzgeber und kein Nick-August“, erklärten Werner Langen (CDU) und Markus Ferber (CSU) unisono. „Wir lassen uns nicht mit einem nachträglichen Prüfungsrecht abspeisen.“ Auch der FDP-Abgeordnete Alexander Alvaro droht: „Der Rat wird sich auf ein Nachspiel gefasst machen dürfen.“

Kritik vom Bundesdatenschutzbeauftragten

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat die Billigung der EU des umstrittenen SWIFT-Bankdatenabkommens mit den USA kritisiert. Er bedauere, dass sich der EU-Ministerrat über die Bedenken des Europäischen Parlaments und der Datenschutzbeauftragten hinweggesetzt habe, erklärte Schaar am Montag in Berlin. Besonders kritisch sehe er es, «dass damit die Übermittlung einer Vielzahl von Daten über Zahlungsvorgänge mit nur marginalem, indirektem oder sogar nur mutmaßlichem Bezug zum Terrorismus in die USA legitimiert wird».

Er befürchte, dass die Daten auch dann für mehrere Jahre gespeichert blieben, wenn sich keine ergänzenden und weiterführenden Anhaltspunkte für einen Terrorismusbezug ergäben, erklärte Schaar weiter. Für einen gravierenden Mangel halte er es auch, dass die Kunden europäischer Banken dagegen in den USA keine hinreichenden Datenschutzrechte hätten.

Schaar griff auch das Verhalten der Bundesregierung an. Deutschland hätte diesen Beschluss durch eine Gegenstimme im Ministerrat aufhalten und damit eine parlamentarische Debatte über das Abkommen ermöglichen können, kritisierte der Datenschützer. Mit ihrer Enthaltung habe die Bundesregierung «diese Chance leider vergeben.» (mit Material von afp)