Berlin. Die Proteste einiger CDU-Länderchefs gegen die Steuersenkungspläne sind massiv, dennoch will Kanzlerin Angela Merkel hart bleiben. Dass das Gesetz am Ende scheitert, ist unwahrscheinlich. Doch wie wird der Steuerstreit ausgehen? Vier Szenarien.
Kanzlerin Angela Merkel lässt es auf eine Kraftprobe ankommen. Sie will Steuersenkungen ohne finanziellen Ausgleich für die Länder durchsetzen. Sie werde keinen „Basarhandel” eröffnen, sagte sie den Länderchefs der Union. „Ich kaufe niemanden raus.” Ein Machtwort.
Es ist eine Jahresendrallye, wie üblich. Am Donnerstag berät der Bundestag über das erste große Gesetzespaket von Schwarz-Gelb. Am 18. Dezember landet es im Bundesrat. Danach soll Bundespräsident Horst Köhler das Gesetz fix unterschreiben, damit es 2010 in Kraft treten kann. Die Steuersenkungen haben für Union und FDP Signalcharakter – versprochen, gehalten – und sind Teil einer Strategie. Merkel, Vize-Kanzler Guido Westerwelle (FDP) sowie Finanzminister Wolfgang Schäuble wollen damit das Wachstum „beschleunigen”.
Dass SPD und Grüne aufbegehren würden, war „eingepreist”. Dass die große Koalition in Thüringen und das Saarland, wo Grüne mitregieren, sich der Stimmen enthalten könnten – geschenkt. Nicht eingeplant war der erbitterte Widerstand von Schleswig-Holstein. Bleiben FDP und Union an der Waterkant hart, scheitert das Gesetz.
Carstensen soll mit Rücktritt gedroht haben
Der Steuerstreit zeichnet sich seit langem ab, im Grunde seit den Koalitionsverhandlungen. Am Freitag lenkte der Rücktritt von Arbeitsminister Jung davon ab, dass die Kanzlerin und einige CDU-Länderchefs bei der traditionellen Kaminrunde am Vorabend des Bundesrates aneinander gerieten. Wenn das Gesetz unverändert komme, habe er kein Geld und keinen Gestaltungsspielraum mehr, jammerte Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen; manche wollten sogar eine Rücktrittsdrohung herausgehört haben.
Mit vielen Maßnahmen sollen die Bürger um 8,5 Milliarden Euro entlastet werden. Gegen höhere Kinderfreibeträge lässt sich schwer argumentieren. Der Streit entzündete sich vielmehr am Steuerprivileg für Hotels.
Statt 19 Prozent sollen sie nur sieben Prozent Umsatzsteuer zahlen; eine Forderung, die FDP und CSU durchgesetzt hatten und auch in Baden-Württemberg Anhänger hat. Die Entlastung würde für die Branche den Wettbewerbsdruck an den Grenzregionen zur Schweiz, Österreich, Frankreich mildern.
Merkels Plan B
Nun gibt es mehrere Szenarien. Nummer eins: Das Gesetz scheitert oder wird im Vermittlungsausschuss zerredet und verzögert. Merkel wäre blamiert. Unwahrscheinlich.
Zweites Szenario: Carstensen und Wolfgang Kubicki, der starke Mann der Kieler FDP, geben nach. Der Druck ist groß. Schließlich haben beide dem Koalitionsvertrag zugestimmt. Das binde die Partei insgesamt, auch in Schleswig-Holstein, mahnt Finanzminister Schäuble.
Szenario Nummer drei wäre Merkels klassischer Plan B, scheidet wegen der bayerischen Haltung aber eigentlich aus: Das Paket kommt durch, aber ohne Steuerprivilegien für Hotels.
„Wir pokern nicht”
Viertes Szenario: Schäuble „kauft” sich allen Beteuerungen zum Trotz („Wir pokern nicht”) doch die Schleswig-Holsteiner.
Es wäre freilich ein Signal, das dem Finanzminister schaden würde. Gerade einen Monat im Amt, würde er bereits einen Präzedenzfall schaffen. Bei späteren Steuergesetzen würden andere Länderchefs die Hand aufhalten und sich auf Schleswig-Holstein berufen. Es wäre der Basar, den sich Merkel – anders als ihre Vorgänger Kohl oder Schröder – nicht leisten will. Deshalb ihr Machtwort.