Dortmund/Essen. Sie sind von der Bundestagswahl ausgeschlossen. Eine politische Meinung haben sie dennoch. 127.208 Kinder und Jugendliche gaben am Freitag ihre Stimme ab - testweise bei der U-18-Wahl.

Na klar hat Patrick das TV-Duell gesehen. Politik interessiert den 13-Jährigen, besonders grüne Themen. „Die Umwelt ist wichtig. Ich will nicht irgendwann auf einer Müllhalde leben”, sagt er entschlossen.

Nach zehn Minuten mussten Merkel und Steinmeier an besagtem Abend aber dann doch das Kinderzimmer räumen – Homer und Marge Simpson erhielten den Vorzug. „Die Simpsons tun zwar auch nichts für die Umwelt, aber man hat wenigstens 'was zu lachen”, schiebt der Siebtklässler nach und verschwindet hinter zwei Pappwänden.

Die fanden sich nicht nur auf dem Pausenhof des Dortmunder Leibniz-Gymnasiums. Provisorische Wahlkabinen standen bundesweit in 1123 Wahllokalen bereit – initiiert von Schulen, Jugendzentren, Organisationen: Es war U-18-Wahl.

Diejenigen, die sonst per Grundgesetz vom Wahlrecht ausgeschlossen sind, durften neun Tage vor der „richtigen” Bundestagswahl auch ihr Kreuzchen setzen. „Wir wollen Kindern und Jugendlichen durch das Projekt eine Stimme geben”, erklärt Marcus Lehmann aus Berlin, der die Bildungsinitiative 1996 gründete und heute koordiniert. Damals beteiligten sich 40 junge Wähler. Am Freitag waren es über 120.000.

Essen: Wahlmüdigkeit am Holsterhauser Platz

Auch in Essen fanden sie eine Anlaufstelle. Die Pfadfinder VCP Holsterhausen hatten dort Stimmzettel und Bleistifte ausgelegt – ernteten bei den jungen Passanten jedoch erstmal Kopfschütteln. Oder gleich ein deutliches „Nö”.

Das Ergebnis der U-18-Wahl

20,45 % SPD

20,00 % Grüne

19,35 % CDU / CSU

10,35 % Die Linke

8,70 % Piratenpartei

7,60 % FDP

5,19 % Tierschutzpartei

4,22 % Nationaldemokratische Partei Deutschlands NPD

0,80 % Familienpartei

0,64 % Ökologisch-Demokratische Partei öpd

0,47 % Republikaner

0,40 % Die Violetten

0,36 % Marxistisch-Lenistische Partei Deutschland MLPD

0,30 % Deutsche Volksunion DVU

0,23 % Rentner

0,20 % Bayernpartei BP

0,19 % Rentnerinnen und Rentner Partei RRP

0,17 % Bürgerrechtsbewegung Solidarität BüSo

0,11 % Partei Bibeltreuer Christen PBC

0,06 % Deutsche Kommunistische Partei DKP

0,05 % Partei für soziale Gerechtigkeit PSG

0,04 % Freie Wähler Deutschland FWD

0,04 % Volksabstimmung

0,03 % Zentrumspartei

0,03 % Christliche Mitte CM

0,01 % Allianz der Mitte ADM

Wahlmüdigkeit am Holsterhauser Platz. Erst die elfjährige Annika trat den Gegenbeweis an. „Bis ich richtig wählen darf, ist es noch lange hin. Das ist aber schon mal ein Einstieg hier.”

Im Internet hat sie sich bereits über die Parteien informiert, doch für ihre Entscheidung und die Kreuze auf dem Stimmzettel lässt sie sich dann doch viel Zeit. Hinter einem großen Baum. Wahlkabinen gibt's an der Kreuzung nicht.

Alexander ist da schneller. Der 13-Jährige weiß, was er will. Und wen er wählt. Deshalb würde er auch zur Bundestagswahl gehen, wenn er denn dürfte. Ein Kinderwahlrecht lehnt der Gesamtschüler allerdings ab: „So können wir zwar unsere Meinung sagen, aber es gibt zu viele Idioten, die dann irgendeinen Kappes wählen würden.”

Dortmund: Skepsis in Sachen Kinderwahlrecht

Skepsis in Sachen Kinderwahlrecht auch in Dortmund: „Das Unwissen ist zu groß”, meint Torben (17). Doch er hat eine Lösung parat für das derzeitige Ungleichgewicht zwischen wenigen jungen und vielen alten Wählern: „Ganz einfach: Ab einem bestimmten Alter sollte man nicht mehr wählen dürfen.”

Torben und seine Mitschüler wurden kurz vor der Entscheidung noch von einem Wahl-Team der Stadt auf das U-18-Kreuzchen vorbereitet. Ein Memory politischer Fachbegriffe gab's, ebenso Diskussionen zu markanten Wahlkampfthemen.

Dass die Veranstalter vor Ort die Jugendlichen nicht gedankenlos in die Wahl stolpern lassen, stellt Marcus Lehmann immer wieder fest. „Wir liefern nur das Material.”

Alles andere liegt in den Händen der Wahllokale. Wie in den Vorjahren zeigt sich: „Kinder und Jugendliche wählen weniger konservativ als Erwachsene”, so Lehmann. „Die Parteien, die eine einfache Sprache sprechen, kommen an.”

Ginge es in diesem Jahr nach den unter 18-Jährigen, wäre die SPD mit 20,45 Prozent die stärkste Kraft im Bundestag. Dicht gefolgt von den Grünen (20 Prozent). Auf die CDU entfielen 19,35 Prozent, auf die Linke 10,35 Prozent. Die Piraten kamen auf 8,7 Prozent, die FDP auf 7,6 Prozent.

Die Zukunft des Landes, sie schimmert also bunt, mit einem kräftigen Rot und – Grün.