Düsseldorf. . In NRW fürchten 36 Verbände um die Inklusion. Ihr Vorwurf lautet: Das Land wolle verhaltensauffällige Kinder wieder in Förderschulen schicken.
Ein breites „Bündnis für inklusive Bildung in Nordrhein-Westfalen“ wirft der neuen Landesregierung einen schleichenden Abschied von der Integration verhaltensauffälliger oder behinderter Kinder in den Regelunterricht vor.
„Wir haben ganz stark den Eindruck, dass die Richtung nicht mehr stimmt“, sagte die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Dorothea Schäfer, am Montag in Düsseldorf. Die GEW gehört zu den 36 Organisationen, die sich im neuen „Bündnis für inklusive Bildung“ versammelt haben. Die aktuelle Politik der Landesregierung sei „bloße Mängelverwaltung“ und das Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention in den Hintergrund geraten, so Schäfer.
Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will im Dauerstreit um die schulische Inklusion in NRW neue Standards setzen. Behinderte und nicht-behinderte Kinder sollen künftig nur noch dort gemeinsam unterrichtet werden, wo entsprechende Voraussetzungen bestehen. Nur Schulen, die genügend Sonderpädagogen, ausreichend Lehrpersonal und entsprechend kleine Klassenstärken vorweisen können, sollen als Orte des gemeinsamen Lernens ausgewiesen werden. So sollen gut ausgestattete Schwerpunktschulen für Inklusion gebildet werden. Neue Vorgaben für die Mindestgrößen sollen überdies kleine Förderschulen als Alternativen aufrecht erhalten.
Rot-Grün hatte Inklusion auf den Weg gebracht
Die rot-grüne Vorgängerregierung hatte 2013 den bundesweit ersten Rechtsanspruch auf Regelbeschulung behinderter oder verhaltensauffälliger Kinder eingeführt, jedoch keine Qualitätsstandards für die pädagogische Arbeit vorgegeben. An vielen Schulen kam es zu chaotischen Zuständen, viele Lehrerkollegien fühlten sich überfordert und Eltern beklagten eine belastende Situation für alle. Zugleich fehlten den spezialisierten Förderschulen zunehmend Schüler und Sonderpädagogen.
Gebauers Kurswechsel stößt nun bei dem neuen Bündnis auf Kritik. Schäfer befürchtet, dass die neuen Schwerpunktschulen zu etwas anderen Förderschulen werden könnten, die von Eltern nicht-behinderter Kinder nicht angenommen würden. Inklusion funktioniere jedoch nur in integrativen Gruppen. Bernd Kochanek vom Elternverband „Gemeinsam Leben, gemeinsam Lernen“ beklagte eine Bevorzugung von Förderschulen bei der Verteilung der begehrten Sonderpädagogen. Zudem würden Eltern beim Wechsel nach der Grundschule zunehmend „in Richtung Förderschulen beraten“. Nikita Grünwald von der Landesschülervertretung monierte, die Inklusion werde so schlecht umgesetzt, dass Förderschulen zwangsläufig wieder als Alternative wahrgenommen würden zum Menschenrecht auf Teilhabe.