Düsseldorf. . 2019 verabschiedet sich NRW im Grundsatz vom Turbo-Abitur. Das kommt den Gesetzgeber teuer zu stehen, weil Räume und Lehrer fehlen.
Dass die Umstellung der meisten Gymnasien auf den längeren Weg zum Abitur (G9) einen hohen Preis haben dürfte, war nie ein Geheimnis. Wie tief das Land NRW für zusätzliche Räume, Lernmittel und mehr Personal in die Kasse greifen muss, ist seit gestern zumindest annähernd bekannt.
Ein wissenschaftliches Gutachten nennt die zu erwartenden Kosten: Bau und Ausstattung von Klassenräumen schlagen demnach mit einmalig 518 Millionen Euro zu Buche. Die Forscher gehen davon aus, dass für den Wechsel von G8 auf G9 rund 1000 Unterrichtsräume zusätzlich benötigt werden.
Pädagogen kosten 115 Millionen mehr im Jahr
Zu den 518 Millionen Euro kommen jährlich Kosten von etwa 31 Millionen Euro: für Lernmittel, Schülerfahrten, Betriebskosten und zusätzliches Personal wie Bürokräfte und Hausmeister. „Das sind Mehrkosten, die am Ende das Land NRW tragen wird“, erklärte Schul-Staatssekretär Mathias Richter am Mittwoch im Landtag. Die Landesregierung hatte zuvor wiederholt versichert, dass die Kommunen nicht auf diese Rechnung sitzen bleiben werden. Das Prinzip heißt: Wer bestellt, der bezahlt.
Aber der Preis für G9 fällt insgesamt noch viel höher aus. Denn es werden nicht nur mehr Räume benötigt, sondern auch mehr Pädagogen. Richter bestätigte gestern, dass zusätzlich etwa 2300 Lehrerstellen geschaffen werden müssen. Jährliche Kosten: geschätzt 115 Millionen Euro.
Land befragte alle Träger der Gymnasien in NRW
Die Kosten für Bau und Ausstattung seien sehr solide berechnet, hieß es im NRW-Schulministerium. Alle 232 Träger öffentlicher Gymnasien seien befragt worden, außerdem alle rund 500 Gymnasial- Schulleiter. Etwa 85 Prozent der Befragten hätten geantwortet, so Richter.
Das Gutachten ist die Basis für die bald startenden Verhandlungen mit den Kommunalverbänden.
Städte gehen von höherem Bedarf aus
„Grundsätzlich geeignet“ ist diese Gesprächsgrundlage, sagten gestern die Spitzen des Städtetags, des Landkreistags und des Städte- und Gemeindebundes in NRW. Dennoch dürften die Verhandlungen hart werden. Denn die Kommunen glauben, anders als die Landesregierung, nicht, dass es noch eine „Raumreserve“ gibt, die bei der Umstellung auf die kürzere Gymnasialzeit (G8) entstanden sein soll. Wegen des Ausbaus der Ganztagsschulen, der Inklusion und den zugewanderten Schülern sei diese „Reserve“ längst aufgebraucht.
Unstimmigkeiten gibt es offenbar auch noch bei der Frage, ob man Raumangebot und -bedarf zwischen benachbarten Regionen verrechnen darf. Das G9-Gymnasium soll zum Schuljahr 2019/20120 in NRW wieder die Regel werden.
183 neue Lehrstelle, um Unterrichtsausfall zu erfassen
Unterdessen werden auch erste Detail zur geplanten digitalen Erfassung von ausgefallenen Unterrichtsstunden in NRW bekannt. Laut Schulministerium sollen für die neue „Schulausfall-Statistik“ ab August alle rund 5500 Schulen wöchentlich einmal berichten, wie viel Unterricht in der Woche zuvor ausgefallen ist, erklärte ein Sprecher. Für den Mehraufwand sind landesweit 183 Lehrerstellen zusätzlich eingeplant worden. Das entspricht rechnerisch einer Stunde pro Woche und Schule.
Festgehalten werden nicht nur die ausgefallenen Stunden, sondern auch, ob und wie es Ersatzunterricht dafür gibt, zum Beispiel Vertretungsunterricht oder eigenverantwortliches Arbeiten. Die Landesregierung halte ihr Versprechen, verlässliche Zahlen zum Unterrichtsausfall zu liefern, hieß es. Im Zeitalter der Digitalisierung sei alles andere nicht vermittelbar. Mit den Infos lasse sich Unterrichtsausfall gezielt bekämpfen.