Düsseldorf. . Über den Regionalverband Ruhr sollten Revierstädte mehr zusammenwachsen. Doch die Rathäuser geben Aufgaben ungern ab. In Aachen geht es besser.
Ruhrgebiets- und Landespolitiker befürchten, dass der Traum von einer besseren Zusammenarbeit zwischen den Revierstädten an Eitelkeiten in den Rathäusern scheitert.
So zieht Oliver Wittke, Chef der CDU Ruhr, nach drei Jahren eine bittere Bilanz zum „RVR-Gesetz“, das die Zusammenarbeit zwischen Unna und Duisburg fördern sollte. Die Region bleibe „weit hinter ihren Möglichkeiten“, sagte Wittke der WAZ. „Das liegt an den Eitelkeiten vieler Städte und Oberbürgermeister und an einem Regionalverband Ruhr, dem der nötige Drive fehlt.“
Einziges Erfolgsprojekt war schon länger geplant
Der Landtag hatte den Revierstädten 2015 die Chance eröffnet, regional bedeutsame Aufgaben auf den Regionalverband Ruhr (RVR) zu übertragen. Das Gesetz sollte ein großer Wurf sein, blieb aber an dieser Stelle praktisch wirkungslos: Allein die gemeinsame Verwaltung von Geodaten lässt sich verbuchen. Verabredet wurde das „Geonetzwerk Ruhr“ aber schon 2012, also lange vor dem Gesetz.
Für NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat das RVR-Gesetz zwar die Selbstverwaltung des Ruhrgebiets rechtlich gestärkt, die Ausführung lasse aber auf sich warten. „Das Können ist geregelt, das Dürfen ist geregelt. Das Wollen hängt von den kommunal Verantwortlichen ab“, sagte Scharrenbach. Auch Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch (SPD), der sich in seiner Zeit als Landtagsabgeordneter für dieses Gesetz einsetzte, meint: „Bei der Erledigung von kommunalen Aufgaben durch den RVR ist sicher noch Luft nach oben“.
Mehr Kooperation im Nahverkehr gewünscht
„Nach drei Jahren sollte sich jeder an die eigene Nasen fassen und fragen, warum nicht mehr dabei herausgekommen ist“, rät Oliver Wittke. Dem Wirtschafts-Staatssekretär fallen sofort Beispiele für mögliche Zusammenarbeit ein: „Wir leisten uns weiter eine Vielzahl von Nahverkehrsunternehmen. Bei der gemeinsamen Flächenvermarktung könnte das Revier auch weiter sein.“
Der RVR erklärte, er stehe beim Thema Zusammenarbeit „im intensiven Austausch“ mit den Städten. So habe der Verband einen Bedarfsplan für den Radverkehr im Revier entwickelt und stimme diesen mit den 53 Städten der Region ab.
Parteiübergreifend gelobt wird übrigens ein weiterer Teil des RVR-Gesetzes: 2020 können die Revierbürger erstmals direkt Kandidaten für das Ruhrparlament wählen.
„RVR-Gesetz“ war hoch umstritten
Hoch umstritten war das „RVR-Gesetz“ bis zu seiner Verabschiedung im Frühjahr 2015 durch den Landtag. Verbände und Politiker im Münsterland, Ost- und Südwestfalen liefen Sturm gegen die Idee, dem Ruhrgebiet „Sonderrechte“ zu geben. Es wurden sogar verfassungsrechtliche Bedenken angeführt. Dass der Regionalverband Ruhr (RVR) die Möglichkeit bekam, Aufgaben im Auftrag der Revierstädte zum Wohle der Region zu übernehmen, weckte das Misstrauen bei den Akteuren im Umland. Drei Jahre später deutet sich an: Sie hätten sich keine Sorgen machen müssen.
Denn die Städte haben dem Verband seitdem praktisch keine Aufgaben übertragen – sieht man vom „Geonetzwerk Metropole Ruhr“ ab, mit dem Bürger Bebauungspläne oder Luftbilder online einsehen. Das, was der RVR für das Revier leistet oder leisten will – ein neuer Regionalplan, die Pflege der Route Industriekultur, die Neuausrichtung der Revierparks oder die Vorbereitung der Internationalen Gartenschau IGA – hat mit diesem Gesetz nichts oder wenig zu tun.
Städte kooperieren lieber ohne RVR
Im Kreise der Revier-Oberbürgermeister und -Landräte verlässt man sich nicht gern auf den RVR und sein mit Kommunalpolitikern besetztes Ruhrparlament. In kleiner Runde, „Kommunalrat“ genannt, lässt sich Zusammenarbeit leichter, schneller und besser organisieren, finden die Rathausspitzen. Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch spricht von „ermutigenden Entwicklungen“. „Die Zusammenarbeit im Kommunalrat funktioniert gut, auch die zwischen der kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderung hat sich positiv entwickelt“, sagt Eiskirch. Nur wenn es darum gehe, Aufgaben der Städte durch den RVR erledigen zu lassen, sei „noch Luft nach oben“.
Dabei kursieren in der Region Dutzende Ideen, welche Aufgaben der Verband schultern könnte, von der Pflege von Grünanlagen über die Reinigung der Radwege bis zur Personalkostenabrechnung. Kooperationen verabreden Städte gerne mal untereinander, ohne den Verband und seine Verwaltung einzuschalten. So arbeiten Bochum und Herne beim Aufbau einer gemeinsamen Reserve-Leitstelle für die Feuerwehr zusammen.
Laschet lobt Städteregion Aachen als Vorbild
Während das Ruhrgebiet seit Jahren um das Ob und Wie einer Zusammenarbeit ringt, sind andere Regionen weiter. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) lässt bei Veranstaltungen gern einfließen, wie gut die Kooperation in seiner Heimat, der Städteregion Aachen, funktioniert. Dort entstand 2009 mit dem früheren Landkreis Aachen und seinen zehn Städten ein neues Bündnis. Unumstritten war das „Aachen-Gesetz“ nicht, gerade die Stadt Aachen fremdelte zunächst mit den kleinen Nachbarn. Aber die Aussicht auf Einsparungen im Haushalt förderte die Annäherung. Ergebnisse: ein Straßenverkehrsamt für die ganze Region, ein Veterinär-, ein Gesundheits-, ein Versorgungs-, ein Ausländeramt und nur eine Sparkassenverwaltung.