Essen. . Die Debatte nimmt nach Vorstoß der Schulministerin Fahrt auf. Elternvertreter „entsetzt“ über den Vorschlag. Die Schulen hätten andere Probleme.
In die Schulpolitik kehrt keine Ruhe ein. Wenn Schulministerin Yvonne Gebauer mit ihrem Vorstoß einer möglichen Rückkehr zu einer verbindlichen Übergangsempfehlung für Grundschüler einen Stein ins Wasser werfen wollte, so hat sie damit einen gewaltigen Wellengang ausgelöst. Von großem Applaus bis zu strikter Ablehnung reichen die Reaktionen.
Lehrermangel verschärft Probleme
Rückendeckung erhält die FDP- Ministerin von der Landeselternschaft der Gymnasien. Sie „begrüßt ausdrücklich die Überlegungen, der Grundschulempfehlung zur weiterführenden Schule wieder mehr Gewicht zu geben“. Die neue Landesregierung sei mit dem Ziel der besten Bildung für NRW angetreten, sie „scheint bereit zu sein, hierfür auch auf den ersten Blick unpopuläre Maßnahmen zu ergreifen“, loben die Gymnasialeltern. Auch die Lehrkräfte der Sekundarstufe I, die im Verband „Lehrer NRW“ organisiert sind, begrüßen Gebauers Idee. Dies stärke die „professionelle Einschätzung“ der Grundschullehrer.
Auch interessant
Aus Sicht der Landeselternkonferenz (LEK) NRW – dem Dachverband der Stadt- und Kreisschulpflegschaften – ist der Gebauer-Vorschlag allerdings mindestens unpopulär: Die Elternvertreter reagierten „mit Entsetzen“. Mehr Verbindlichkeit erhöhe schon bei den Kleinsten den Leistungsdruck und schwäche den Rahmen für die individuelle Förderung von Stärken und Talenten der Kinder sowie die Kooperation zwischen Eltern und Lehrern. „Unserer Meinung nach ist diese Diskussion obsolet und lenkt von der eigentlichen Problematik der Grundschulen ab“, so die LEK. So lange die Schulen durch Lehrer- und Raumnot nicht in der Lage seien, alle Kinder optimal zu fördern, „muss der Elternwille verbindlich bleiben“.
Landesregierung plant „Masterplan Grundschule“
Yvonne Gebauer beruft sich bei ihrem Vorschlag auf Lehrer, die den Wunsch nach einer Rückkehr zu einem verbindlichen Schulgutachten immer wieder vorgetragen hätten. Wenn Schulen einen solchen Wunsch äußerten, dann sollte eine Landesregierung „darüber nachdenken dürfen“, sagte sie. Die Ministerin sieht sich durch diese Entwicklung bestätigt: Seit das verbindliche Grundschulgutachten 2011 von der rot-grünen Landesregierung abgeschafft wurde, stieg die Zahl der Schüler, die das Gymnasium zum Ende der Erprobungsstufe nach der sechsten Klasse verlassen mussten, von 2190 auf rund 2770 Abbrecher im Jahr 2016.
Die GEW sieht darin keinen Beleg, dass ehrgeizige Eltern die Fähigkeiten ihrer Sprösslinge zu oft überschätzen. „Am Gymnasium scheitern keineswegs nur Kinder, die keine Gymnasialempfehlung hatten“, sagt Dorothea Schäfer, NRW-Vorsitzende der Bildungsgewerkschaft. Zudem sei es bei vielen Viertklässlern einfach zu früh, über den späteren Bildungsweg zu entscheiden. Oft zeige sich ihre Begabungen später. Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) stellt sich gegen Gebauer. Ein „faires Schulsystem“ beziehe alle Seiten in die Entscheidung ein – Lehrer und Eltern. Wichtig sei die „ganzheitliche Sicht“ auf das Kind.
Es sei noch nichts entschieden, betonte die Schulministerin. Allerdings würden bei dem geplanten „Masterplan zur Reform der Grundschule“ alle Bereiche analysiert – auch die Schulempfehlungen. Dieser Plan soll im Laufe des Jahres vorgelegt werden.