Ruhrgebiet. . Die Zahl der Rocker in NRW ist weiter gestiegen. Sie verhalten sich derzeit aber unauffällig. Experten warnen, dass sich das schnell ändern kann.

Die Zahl der Rocker in NRW ist in diesem Jahr weiter gestiegen. Das Landeskriminalamt zählte im Oktober 2080 Rocker, die in sogenannten „Outlaw-Motorcycle-Gangs“ organisiert sind sowie 160 weitere Personen, die in „rockerähnlichen Gruppierungen“ vereinigt sind. Das sind zwar nur rund 50 mehr als im vergangenen Jahr, aber im Vergleich zu 2014 ist die Zahl um mehr als 800 gestiegen. Dennoch ist die Lage nach übereinstimmender Einschätzung von Szenebeamten „ruhig“. „Aber das“, warnt einer von ihnen, „kann sich jeden Tag ändern.“

Auch Thomas Jungbluth, Experte für Organisierte Kriminalität (OK) beim Landeskriminalamt (LKA) in Nordrhein-Westfalen, sieht keinen Grund zur Entwarnung. Für ihn gibt es hauptsächlich zwei Gründe dafür, dass die „Charter“ oder „Chapter“ genannten Ortsgruppen der Rocker derzeit nicht für Schlagzeilen sorgen. Zum einen sei der Kontrolldruck der Polizei nach jedem Zwischenfall in den vergangenen Jahren so groß gewesen, dass er den Geschäften der Banden nachhaltig geschadet habe. „Wenn es im Rotlichtviertel von Uniformierten nur so wimmelt, lässt das die Zahl der Freier nicht unbedingt steigen“, bestätigt ein Ermittler aus dem Ruhrgebiet. Ähnlich sieht es beim Handel mit Drogen aus.

Wunsch der Rocker: Kuttenverbot aufheben lassen

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Kaum weniger wichtig als ein ungestörter Geschäftsbetrieb aber ist der Wunsch der Rocker, das sogenannte Kuttenverbot höchstrichterlich aufheben zu lassen. Seit März dieses Jahres dürfen sie die für sie extrem wichtige, mit speziellen Abzeichen gespickte Kutte in der Öffentlichkeit nicht mehr tragen, wenn auch nur ein einziger „Ortsverband“ ihres Vereins verboten ist. Dagegen gehen – in ungewöhnlicher Eintracht – Mitglieder der großen Banden gerichtlich vor. Aber auch die Gegenseite ist nicht immer glücklich über die verbotene Kluft. „Wenn ich in der Szene unterwegs bin“, sagt ein OK-Beamter, „kann ich kaum noch erkennen, wer Zivilist, Sympathisant oder Rocker ist, geschweige denn, wer zu welchem Club gehört.“

Jungbluth kennt das Problem. „Ja“, gibt er zu, „die Zuordnung ist schwieriger geworden. Aber sie ist nicht unmöglich.“ Im Gegenzug, könnten sich die Rocker nicht mehr inszenieren. „Ein Schaulaufen ist nicht mehr möglich. Das hat auch Konsequenzen für das Selbstverständnis der Rocker.“ Deshalb zahle man den Preis einer erschwerten Identifizierung gerne.

Im Übrigen wissen die Experten der OK natürlich, wo welche Clubs zu finden sind. Während die Bandidos das Ruhrgebiet kontrollieren, haben sich die Hells Angels vor allem im Rheinland ausgebreitet.

Ärger droht vor allem an den Reviergrenzen

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Kompliziert wird es dort, wo beide Regionen aneinander grenzen. Wie zum Beispiel in Duisburg, wo eines der größten Rotlichtviertel Deutschlands angeblich eine Million Euro pro Monat abwirft. Mehr als genug jedenfalls, um vor einigen Jahren heftige Revierkämpfe auszulösen. Aber selbst hier meldet die Polizei „keine besonderen Vorkommnisse in Sachen Rocker“. Nur in Oberhausen will sich die Fachabteilung gar nicht äußern und verweist zurück ans Landeskriminalamt.

Dort nimmt Thomas Jungbluth noch einmal Stellung zu den Zahlen. Ja, räumt er ein, sie seien gestiegen, allerdings nicht explosionsartig. Ein Teil der Steigerung sei auch darauf zurückzuführen, dass durch „intensivierte polizeiliche Bemühungen“ mehr Rocker identifiziert würden. „Wir schauen mittlerweile einfach genauer hin.“ Die Beamten vor Ort geben ohnehin nicht viel auf Zahlen. „Dynamisch“ nennt sie einer und ein anderer bescheinigt ihnen „wenig Aussagekraft. Manchmal ändern sie sich von Woche zu Woche.“ Man dürfe auch nicht jede Tat, die ein Rocker begehe, stets der Rockerkriminalität zurechnen. „Wenn einer von denen in einem Laden was klaut, dann macht er das ja nicht zwangsläufig, weil er Rocker ist.“

Nur der Staat hat das Gewaltmonopol

Wichtig – und da sind sich LKA und örtliche Behörden einig – sei „konsequentes Vorgehen“ bei gegebenem Anlass. Enge Kooperation der Ermittler untereinander und mit anderen Behörden sowie eine eindeutige Ansprache der Szene würden ebenfalls helfen, die Rockerproblematik im Griff zu behalten. „Man muss diesen Leuten deutlich machen, dass sie nicht unantastbar sind“, sagt Jungbluth. Vor allem, wenn sie versuchen, manche Dinge selbst zu regeln und dort für Ordnung zu sorgen, wo es die Polizei ihrer Meinung nach nicht macht. „Das geht gar nicht“, sagt ein OK- Beamter aus dem östlichen Ruhrgebiet. „Das Gewaltmonopol hat nur einer. Und das ist der Staat.“

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