Düsseldorf. . Der Ministerpräsident spielt gern auf der Berliner Bühne, fällt aber in NRW nicht nur durch umstrittene Personalentscheidungen auf.

Armin Laschet (CDU), Ministerpräsident des einwohnerstärksten Bundeslandes, ist derzeit ein viel gefragter Mann. Bei Anne Will plauderte er am Wochenende über eine große Koalition, davor war er wochenlang Stammgast im Kreise der Berliner Jamaika-Sondierer. Laschet tanzt auf vielen Hochzeiten. Daheim aber, in NRW, lässt der Vielgefragte Beobachter und Weggefährten ratlos zurück. Immer lauter wird hier die Frage, was mit dem Regierungschef los ist. Denn seine handwerklichen Fehler häufen sich nach nur 155 Tagen im Amt.

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In der öffentlichen Wahrnehmung ist der Flughafen Köln/Bonn in Turbulenzen geraten. Das Chaos begann, als der Ministerpräsident seinen Parteifreund Friedrich Merz als künftigen „Brexit“-Beauftragten des Landes vorstellte und bekannt wurde, dass Merz außerdem Aufsichtsrats-Vorsitzender dieses Airports werden soll.

Es folgte ein tagelanges Verwirrspiel um die Ablösung des bisherigen Chefkontrolleurs Kurt Bodewig (SPD), um angebliches Fehlverhalten des inzwischen beurlaubten Flughafen-Chefs Michael Garvens und um die zunächst dementierte, inzwischen aber wieder diskutierte Privatisierung des Bundesanteils des Flughafens.

Wahl von Merz scheiterte

Zunächst hatte Laschet erklärt, der Bund habe die Privatisierungspläne auf seinen Wunsch gestoppt, dann sendete Berlin gegenteilige Signale. Am Montag scheiterte auch noch die Wahl von Merz zum Aufsichtsratsvorsitzenden. Das soll nun am 11. Dezember gelingen. Nur mal nebenbei: Dem Flughafen Köln/Bonn geht es gut. Die Airports in Dortmund, Münster, Paderborn können von solchen Betriebsergebnissen nur träumen.

Warum nur bringt eine Regierung diesen wichtigen Standort ohne Not in solche Diskussionen? Warum soll Merz, dem Kritiker eine Neigung zum „Multilobbyismus“ vorwerfen, „Brexit“-Beauftragter werden und sich gleichzeitig in Köln/Bonn engagieren? SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer stürzte sich am Dienstag genüsslich auf diese Chaostage und warf Laschet „blamables und laienhaftes Benehmen“ vor.

Es ist nicht die einzige Entscheidung Laschets, die Verwirrung stiftet. Man kann sogar den Eindruck gewinnen, er habe Teile seines Kabinetts nicht im Griff.

Tiermast-Skandal und „Doppelrolle“

Denn wohl nie zuvor dürfte sich die Öffentlichkeit so sehr für die Arbeit der Ministerehrenkommission interessiert haben, wie zum Start dieser Regierung. Diese Kommission prüft die Nebentätigkeiten von Kabinettsmitgliedern, und von denen sind einige genau deshalb ins Gerede geraten.

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Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU) hängt noch immer der Tiermast-Skandal in ihrem Familienbetrieb an. Mitarbeiter ihres eigenen Ministeriums haben ein Gutachten verfasst, das Schulze Föcking entlastet. Der Chef-Gutachter soll nun angeblich befördert werden. Justizminister Peter Biesenbach (CDU) wartete wochenlang, bis er schließlich auf sein Kreistagsmandat im Oberbergischen verzichtete.

Die Opposition hatte diese „Doppelrolle“ als Minister und Kommunalpolitiker heftig kritisiert. Warum schritt Laschet nicht ein und ermahnte Biesenbach und Schulze Föcking frühzeitig? Warum lässt er die Zügel so locker? Minister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU), Mitgesellschafter der Funke-Mediengruppe, zu der auch diese Zeitung gehört, verzichtete freiwillig auf seine Zuständigkeit für Medienpolitik und beendete aufkommende Diskussionen selbst.

Beim Sozialticket zog der Regierungschef die Notbremse

Geradezu verstörend war der Vorstoß von Schwarz-Gelb, das Sozialticket abzuschaffen und das eingesparte Geld in den Straßenbau zu stecken. Warum knausert eine Regierung, die selbst nur einen Promilleanteil ihres Haushaltes einspart, ausgerechnet bei der Unterstützung für Bedürftige? Und das bei Rekord-Steuereinnahmen. Nachdem ein Sturm der Entrüstung über die Regierung herein gebrochen war, zog Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) gestern die Notbremse. Viele sagen: Laschet hätte dieses Ungemach vorhersehen müssen.

Schließlich fragen sich nicht wenige, wann denn die von Laschet schon vor der Wahl in Aussicht gestellte Expertenrunde (Bosbach/Baum-Kommission), die die Regierung bei der inneren Sicherheit beraten soll, endlich mit ihrer Arbeit beginnt. Wird daraus ein weiteres Kapitel für die Pleiten, Pech und Pannen-Sammlung der ersten 155 Tage?

>> „Maß und Mitte“

„Maß und Mitte“ war das Motto der Regierungserklärung von Armin Laschet. Auf die Ankündigung von radikalen Reformen verzichtete er. Bildung, Digitalisierung, Kohleausstieg, Entbürokratisierung und innere Sicherheit waren die Kernthemen. Laschet vermied konkrete Festlegungen, wann die Regierung messbare Verbesserungen vorweisen könne. Er nannte das Jahr 2030 als „Maßstab“ für eine Bilanz seiner Arbeit.