Paris. Die Mehrheit der Franzosen ist unzufrieden mit Staatschef Sarkozy – seine Sympathiewerte sind auf einen Tiefststand gesunken. Ein Facebook-Eintrag, eine desaströse Kandidatur seines Sohnes Jean (23) für einen hoch dotierten Top-Posten und sein Hang zum Majestätischen werden ihm übel genommen.
Im Gegensatz zu seinen Vorgängern im Elysée-Palast wähnt sich der derzeitige Hausherr in höheren Sphären. Nicolas Sarkzy liebt das glanzvolle Image des Hyper-Präsidenten. Der unglaublich dynamisch ist, reformfreudig und sportlich dazu. Doch genau zur Mitte seiner Amtszeit und wenige Monate vor den wichtigen Regionalwahlen sinkt der Stern von „Super-Sarko“, seine Sympathiewerte befinden sich jüngsten Umfrage zu Folge im freien Fall. Nur noch 39 Prozent (- 6 Prozentpunkte) der Franzosen sympathisieren danach mit ihrem Präsidenten: der niedrigste Wert seit der Wahl im Mai 2007.
Offenbar zeigt Nicolas Sarkozy, der Umtriebige, plötzlich sogar Nerven. Denn eigentlich hätte er sich gestern den 2000 Bürgermeistern der Republik stellen müssen, die in Paris ihren traditionellen Kongress abhalten. Doch stattdessen musste sein Premierminister die Kohlen aus dem Feuer holen. Seitdem die Regierung verkündet hat, im nächsten Jahr die Gewerbesteuer abschaffen zu wollen, proben die „Elus“, die „Gewählten“, den Aufstand.
Recht anständig geführt
An sich fällt Sarkozys Halbzeitbilanz gar nicht so schlecht aus. Abgesehen von seiner umstrittenen Absicht, für die Erholung der Wirtschaft eine deutliche Verschuldung des Staates in Kauf zu nehmen, hat er das Land recht anständig durch die stürmischen Tage der Weltwirtschaftskrise geführt. Es gibt auch nicht den großen Skandal allein, der seinen Glanz hat verblassen lassen. Ausschlaggeben sind eher peinliche Ausrutscher einiger Minister wie Brice Hortefeux (Innen) und Frédéric Mitterand (Kultur). Vor allem aber nehmen ihm die Franzosen seinen übertriebenen Hang zum Majestätischen übel. Da ist zum Beispiel die Dusche für 245.000 Euro, die beim Festakt zur Gründung der Mittelmeerunion eigens für den Präsidenten installiert, aber nie benutzt wurde.
Genauso fragwürdig ist der Facebook-Eintrag samt Foto, das Nicolas Sarkozy angeblich schon am 9. November 1989 als Mauerspecht an der Berliner Mauer zeigt. Ein Ding der Unmöglichkeit, wenn man bedenkt, dass der Mauerfall sogar die deutschen Politiker völlig auf dem falschen Fuß erwischte.
Affäre als Totalschaden
Als geradezu desaströs erwies sich die Kandidatur seines erst 23 Jahre alten Sohnes Jean um einen hoch dotierten Top-Posten im Pariser Geschäftsviertel „La Défense“, dem größten in Europa. Obwohl nur ein mittelmäßiger Jura-Student im vierten Semester sollte der aufstrebende Jungpolitiker mit den Stimmen der Regierungspartei auf den Chefsessel der Entwicklungsagentur gehievt werden. Ein atemberaubender Karrieresprung, der in letzter Minute durch einen Rückzieher von „Prince Jean“ verhindert wurde. Für das Image des Präsidenten erwies sich die Affäre als Totalschaden. Denn sogar die chinesische Presse amüsierte sich köstlich über die „Vetternwirtschaft“ in der V. Republik. Nicht minder schlimm: Die meisten französischen Kommentatoren vergleichen Nicolas Sarkozy Charakterschwächen mit denen Ludwigs XIV., dem feudalen Sonnenkönig, der wie kein anderer das absolutistisch regierte „Ancien Régime“ verkörpert.
Obwohl die Sozialisten in sich zerstritten sind, löst Super-Sarkos Absturz in der Parteizentrale und im Elysée-Palast inzwischen lähmendes Entsetzen aus. Xavier Bertrand, Generalsekretär der regierenden UMP, bringt den Frust auf den Punkt. „Praktisch jeden zweiten Tag gibt’s einen neuen Aufreger, und das nächste Mal wird es heißen: Es regnet, und Nicolas Sarkozy ist daran schuld“, klagt der Polit-Stratege in einem Zeitungsinterview.
Wichtiges Versprechen nicht gehalten
Nach Ansicht des Schriftstellers und Ex-Politikers Jean-François Probst begann Sarkozys Stern zu sinken, als er im Sommer unerwartet beim Jogging-Lauf in Versailles erschöpft zusammenbrach. Schließlich habe er im Präsidentschaftswahlkampf noch versprochen, das Volk jährlich per Bulletin über seinen Gesundheitszustand auf dem Laufenden zu halten. Doch gehalten habe er dieses für die Franzosen ungemein wichtige Versprechen nicht. Damit nicht genug: Probst diagnostizierte dieser Tage im Sender „France Info“ noch eine andere, weit aus schwerwiegendere Malaise am Hofe von „Nicolas I.“. Ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, sagte Probst: „Sarkozy ist umgeben von einer Bande von Arschkriechern.“