Düsseldorf. . Behördenchefs aus Essen, Duisburg und Gelsenkirchen reden Klartext im Untersuchungsausschuss Silvesternacht: Wie die Polizei mit Banden kämpft.
Es gebe in Nordrhein-Westfalen keine „No-Go-Areas“, wird NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) nicht müde zu betonen. Das Recht werde in jedem noch so kritischen Winkel des Landes durchgesetzt. Wie sehr jedoch die Polizei insbesondere im Ruhrgebiet mit Familienclans, Zusammenrottungen und Respektlosigkeiten kämpft, wurde am Montag im Untersuchungsausschuss des Landtags zur Kölner Silvesternacht deutlich.
Duisburgs Polizeipräsidentin Elke Bartels war als Zeugin geladen und redete Klartext. Die Stadt beheimatet 18.000 Osteuropäer, ringt seit Jahren mit Tumultdelikten und fährt inzwischen eine „Null-Toleranz-Strategie“. Es gebe keine „No-Go-Areas“, betonte Bartels. Aber: „Mit dem Zuzug von Osteuropäern wurde es immer schwieriger bei uns.“ Diese lebten mehr oder weniger auf der Straße „und reklamieren diese für sich“, sagte die 61-jährige Juristin.
Die Osteuropäer hätten ganze Straßenzüge eingenommen und „vermüllen, was geht“. Es gebe eine „Street Corner Society“, wie die Polizeipräsidentin Zusammenrottungen nennt. „Widerstandshandlungen sind an der Tagesordnung“, sagte Bartels. Dazu gehörten Begegnungen „Nase an Nase“.
Polizistinnen nicht allein unterwegs
Seit das NRW-Innenministerium im Juni 2015 nach mehreren Großtumulten einen zusätzlichen Hundertschaft-Zug (38 Beamte) zur Unterstützung nach Duisburg geschickt hat, scheint sich die Lage in Problemvierteln zu beruhigen. Bartels warnte das Land, die Kräfte wieder abzuziehen: „Sobald unser Klientel merkt, dass wir wesentlich weniger werden, bekommen wir Probleme in der Bewältigung der Lage.“
Das Polizei-Klientel im Duisburger Norden sei „macho-geprägt“, sagte Bartels. Bei Wohnverweisen etwa bekämen Polizistinnen zu hören: „Du hast mir gar nichts zu sagen.“ Sie habe verfügt, dass im Norden der Stadt Streifenwagen nur noch mit mindestens einem Mann besetzt werden. Im Süden dagegen dürften weiterhin zwei Polizistinnen gemeinsam Streife fahren.
Auf Streife mit bis zu drei Wagen
„No-Go-Areas“ gibt es auch in Essen offiziell nicht. Aber Polizeipräsident Frank Richter räumte im Untersuchungsausschuss ein, dass es Bereiche gebe, „in die man mit zwei oder drei Streifenwagen fahren muss“. In Essen und Mülheim habe man vier „gefährliche Orte“ definiert, in denen mehr Präsenz nötig sei.
Hauptproblem sind offenbar Clan-Strukturen. In Essen lebten 5000 Libanesen, aufgeteilt in zehn festen Familienstrukturen. Die größte Familie umfasse 1200 Mitglieder. „Teile des Familienclans sind in der gesamten Breite des Strafgesetzbuches unterwegs“, sagte Richter. Über 30 Jahre sei ein erhebliches Immobilienvermögen angehäuft worden. Es habe sogar Versuche der Bosse gegeben, mit der Polizei ins Gespräch zu kommen. „Die Lebensläufe der Personen sind nicht geeignet, um einen Termin mit dem Polizeipräsidenten zu machen“, sagte Richter.
Strenge Kontrollen in Shisha-Bars
Eine härtere Gangart fahren Polizei und Stadt neuerdings auch in Gelsenkirchen gegen Clans, die Stadt-Mitarbeitern gegenüber „überheblich, verhöhnend und einschüchternd“ gegenüber getreten seien, berichtete Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD). Es würden Teestuben und Shisha-Bars strenger kontrolliert, Schrottimmobilien für unbewohnbar erklärt. Die Behörden müssten auch bei Sozialmissbrauch etwa beim Kindergeld enger zusammenarbeiten: „Da ist noch deutlich Luft nach oben, was in den Informationsaustausch angeht.“
Es gebe in Gelsenkirchen keine rechtsfreien Räume. Doch der Oberbürgermeister sagte deutlich: „Wo abgemeldete Autos auf der Straße stehen und Menschen morgens zum Arbeiter-Strich abgeholt werden, leidet das Sicherheitsempfinden.“