Berlin. Die Kosten für Medikamente steigen ungebremst weiter. Das zeigt der neue Arzneimittel-Report. Vor allem patentgeschützte Arzneimittel, wie der Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs, seien in Deutschland immer noch unverhältnismäßig teuer.
Sehr teure Spezialmedikamente zum Beispiel gegen Krebs treiben die Arzneimittelkosten auf immer neue Rekordwerte. Allein im vergangenen Jahr stiegen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen für Pillen, Salben und Spritzen um 5,3 Prozent, bis Mitte dieses Jahres dann noch einmal um fünf Prozent, wie es am Donnerstag bei der Vorstellung des neuen Arzneiverordnungsreports hieß. Gefordert werden deshalb neue Kostenbremsen, die bis zu 6,1 Milliarden Euro Sparpotenzial heben sollen.
Dies könnte allerdings auch Patienten treffen. So verlangte der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, Leonhard Hansen, eine genaue Abwägung von Kosten und Nutzen sehr teurer Spezialpräparate, die zum Beispiel Krebspatienten nur wenige Tage zusätzliche Lebenszeit bringen. Eine Diskussion um Therapieziele sei dringend geboten, sagte Hansen.
Außerdem gab er als Linie für seine eigenen Ärzte-Kollegen aus, einem Patienten möglichst nicht mehr als fünf verschiedene Präparate zu verschreiben. Die Erfahrung zeige, dass sonst die «Therapietreue» schwinde - die Patienten lassen einzelne Pillen eigenmächtig weg. Teils würden sie aus Krankenhäusern mit bis zu 14 verschiedenen Medikamenten für einzelne Leiden entlassen, berichtete Hansen.
29,2 Milliarden Euro Kosten
Die Arzneimittelkosten laufen allen anderen Kosten im Gesundheitswesen seit Jahren davon. Mit dem Anstieg um 5,3 Prozent im vergangenen Jahr wurde eine Summe von 29,2 Milliarden Euro erreicht - der zweitgrößte Ausgabeposten nach den Klinikkosten, die um 3,5 Prozent auf 52,6 Milliarden Euro stiegen.
Kostentreiber sind nach Analyse des Arzneiverordnungsreports teure Massenprodukte wie Blutdrucksenker und Antidiabetika sowie Spezialpräparate wie Immuntherapeutika und Tumormedikamente. Diese wenigen Gruppen allein machten 65 Prozent des Kostenanstiegs um 1,4 Milliarden Euro aus, sagte Report-Herausgeber Ulrich Schwabe.
Impfung kostet in USA nur die Hälfte
Daneben kritisierte er die in Deutschland besonders hohen Preise für neuartige Arzneien, die noch Patentschutz und oft keinerlei Konkurrenz haben. Als Beispiel nannte er die Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs: In Deutschland koste eine Grundimmunisierung 477 Euro, in den USA dagegen mit 247 Euro nur etwa die Hälfte.
Ein Dorn im Auge sind den Experten nach wie vor zudem sogenannte Analogpräparate - Mittel mit keinem oder geringem Zusatznutzen gegenüber bewährten herkömmlichen Medikamenten. Hier gebe es ein Einsparpotenzial von 1,7 Milliarden Euro.
Sparerfolge gibt es dagegen laut Schwabe bei Generika - das sind preiswerte Nachahmerprodukte nach Ablauf eines Wirkstoff-Patents. Hier seien die Preise um vier Prozent gesunken. Zudem wurden Generika häufiger verschrieben: Die Zahl der Tagesdosen stieg um elf Prozent. Hier kritisierte Schwabe die hohen «Distributionskosten»: Während die Mittel selbst oft nur Centbeträge kosten, bekämen die Apotheker unabhängig vom Preis eine Pauschale von 8,24 Euro.
Keine «Mondpreise» mehr
Die Herausgeber des Arzneireports sowie Kassenärzte und Krankenkassen waren sich weitgehend einig, dass weitere gesetzliche Kostenbremsen erforderlich seien. Um «Mondpreise» zu verhindern, müsse ein «gesetzlicher Rahmen» gefunden werden, sagte AOK-Vorstandschef Herbert Reichelt. Hauptstoßrichtung: Die Hersteller sollen zu Preisverhandlungen mit den Kassen oder einer «zentralen Institution» gezwungen werden. (ap)