Berlin/Biblis. Ein Gutachten im Auftrag der Bundesatom-Aufsicht sollen Schlampereien im Kernkraftwerk Biblis beweisen. Bei Elektro-Arbeiten an Sicherheitssystemen zur Störfallbeherrschung habe es Fehler gegeben. Die Grünen sprechen von "Pannenreaktor", der Betreiber RWE weist die Vorwürfe zurück
Durch ein Gutachten im Auftrag der Bundesatom-Aufsicht werden nach Angaben der atomkraftkritischen Ärzteorganisation IPPNW "grobe Schlampereien" im hessischen Atomkraftwerk Biblis belegt. Demnach soll es bei Elektro-Arbeiten an Sicherheitssystemen zur Störfallbeherrschung einige Planungs-, Dokumentations- und Montagefehler gegeben haben, teilte die IPPNW in Berlin mit. Während die hessischen Grünen das Kraftwerk in Biblis als "Pannenreaktor" bezeichneten, wiesen die Betreiberfirma RWE und das Umweltministerium in Wiesbaden die Vorwürfe zurück. "Bei RWE-Power hat Sicherheit oberste Priorität", sagte ein Firmensprecher.
Nachdem sich am Wochenende die schwarz-gelbe Koalition in Berlin auf eine Laufzeitverlängerung für die deutschen Atomkraftwerke geeinigt hat, werden nun Überprüfungen des AKW Biblis bekannt, die Jahre zurückliegen. Reaktorblock A in Biblis ist der älteste in Deutschland und sollte laut dem nun gekippten Konzept für den Atomausstieg im kommenden Jahr vom Netz gehen.
Hessisches Umweltministerium in der Kritik
"Mit dem Gutachten wurde zudem das hessische Umweltministerium der Lüge überführt: Während es im September 2007 behauptete, die Vorwürfe seien haltlos, wurden nach eigenen Angaben des Ministeriums tatsächlich rund 1600 Pläne auf Fehler überprüft", sagte IPPNW-Atomexperte Henrik Paulitz. Darüber hinaus zitiere das Gutachten der Bundesatomaufsicht ein Schreiben des Ministeriums, wonach die "fehlerhaften Pläne" bis Ende 2007 überarbeitet worden seien. Bei der Biblis-Betreibergesellschaft RWE habe das Wiesbadener Ministerium "Verbesserungsbedarf" angemeldet.
Laut IPPNW hatten die Schilderungen eines ehemaligen Elektromonteurs aus Biblis die Untersuchung durch das unabhängige Öko-Institut Freiburg angestoßen. Der Mann habe gegenüber IPPNW ausgesagt, man könne "in Biblis A nicht von einer Fehlorganisation sprechen, sondern man kann das nur als Chaos bezeichnen". Innerhalb der Belegschaft habe es regelmäßig Streit, Intrigen und Nötigung gegeben.
Festgestellte Mängel angeblich behoben
Eine Sprecherin des Ministeriums bestätigte, dass eine Prüfung im Jahr 2007 "einen Verbesserungsbedarf bei der Qualitätssicherung technischer Unterlagen" ergeben habe. "Hinweise auf nicht fachgerecht ausgeführte Montagearbeiten wurden nicht festgestellt, die festgestellten Mängel wurden vom Anlagenbetreiber behoben", teilte die Ministeriumssprecherin mit.
Der RWE-Sprecher verwies auf den Unterschied zwischen Bau- und Montageplänen sowie sogenannten Reinzeichnungen: "Bei Bau- und Montageplänen kann es Fälle geben, bei denen die Pläne von den Gegebenheiten vor Ort abweichen. Diese Abweichungen werden dann überprüft und dokumentiert." Der Elektromonteur, der im übrigen an nur 39 Arbeitstagen in Biblis beschäftigt gewesen sei, habe nur die Bau- und Montagepläne gekannt. Dokumentationsmängel an den Reinzeichnungen habe das Freiburger Öko-Institut nicht festgestellt, versicherte der Konzern-Sprecher.
Einem Bericht von "Spiegel Online" zufolge gibt das Gutachten des Öko-Instituts dem Elektromonteur in Teilen Recht: Auch in den Reinzeichnungen hätten Dokumentationsmängel "tatsächlich vorgelegen". Die ebenfalls kritisierten Arbeitsbedingungen ließen sich kaum überprüfen. Der RWE-Sprecher nannte die Kritik in diesem Punkt "nicht nachvollziehbar".