Frankfurt. Die Evangelische Kirche in Deutschland wählt sich einen neuen Ratsvorsitz. Vieles spricht für die Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann. Mit Katrin Göring-Eckardt als Präses der EKD-Synode und Käßmann als Ratsvorsitzende würden zwei Frauen an der Spitze der Kirche stehen.

Margot Käßmann reagiert dünnhäutig, wenn sie auf das Thema angesprochen wird. «Diese Frage nervt, ehrlich», sagte die Landesbischöfin von Hannover, als sie kürzlich in einem Interview gefragt wurde, ob sie für den Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Verfügung stehe.

Eine der profiliertesten Repräsentanten der evangelischen Kirche

Am 28. Oktober wählt die EKD-Synode in Ulm einen Nachfolger für Bischof Wolfgang Huber, der nach sechs Jahren aus Altersgründen ausscheidet. Käßmann gilt als Favoritin - und genau das könnte ihr Problem werden.

Unbestritten zählt die 51 Jahre alte Käßmann schon jetzt zu den profiliertesten Repräsentanten der evangelischen Kirche. Vor zehn Jahren übernahm sie die Leitung der größten deutschen Landeskirche und wurde damit nach Maria Jepsen in Hamburg die zweite Frau in dieser Position überhaupt in Deutschland.

Größte mediale Präsenz

Neben Huber genießt die eloquente wie streitbare Käßmann die größte mediale Präsenz aller evangelischen Würdenträger. Im Gegensatz zum Kopfmenschen Huber ist sie temperamentvoll und kann mit ihrer Begeisterungsfähigkeit andere mitreißen - ohne dass bei der promovierten Theologin deswegen die intellektuelle Tiefe zu kurz käme.

Im Gegensatz zu Käßmann sind die anderen möglichen Kandidaten für den EKD-Ratsvorsitz in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. So wird etwa Bischof Frank Otfried July von der Württembergischen Landeskirche gehandelt, ebenso wie der Bischof der Landeskirche Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, oder der Dresdner Bischof Jochen Bohl. Nikolaus Schneider, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, gilt mit seinen 62 Jahren vielen als zu alt. Zudem war er in den vergangenen Monaten mit Äußerungen zum Sühnetod Christi und zur Judenmission bei einigen Gruppen angeeckt.

Die Wahl Käßmanns ist trotzdem alles andere als sicher. Da ist zum einen ihre vor zwei Jahren bekanntgegebene Scheidung nach 26 Jahren von Ehemann Eckhard Käßmann, mit dem sie vier mittlerweile erwachsene Töchter hat. Einige Kritiker sehen darin einen Makel, der die Bischöfin für das höchste Amt in der Kirche disqualifiziert.

Zwei Frauen an der Spitze der EKD?

Dass zudem nach der Wahl der Grünen-Politikerin Katrin Göring-Eckardt zur Präses der EKD-Synode nun mit Käßmann auch der zweite Spitzenposten in der EKD mit einer Frau besetzt werden könnte, stößt in konservativen Kirchenkreisen nicht nur auf Begeisterung - auch wenn der scheidende Ratsvorsitzende Huber kürzlich im AP-Interview betonte, dass noch nie jemand eine solche Frage gestellt habe, wenn es sich um die Besetzung von Spitzenposten mit zwei Männern handele. Ob Käßmann tatsächlich gewählt wird, hängt also auch mit der Frage zusammen, wie weit die Emanzipation in der EKD tatsächlich fortgeschritten ist.

Und schließlich gibt es noch so etwas wie das Gesetz der Synode. Die tut nämlich «das Gegenteil von dem, was sie meint, dass ihr nahegelegt wird», wie es der ehemalige Ratsvorsitzende Manfred Kock einst formulierte. Der Noch-Ratsvorsitzende Huber hat das selbst am eigenen Leib erfahren. 1997 war er als großer Favorit zur Synode gefahren. Gewählt wurde an die Spitze der EKD jedoch völlig überraschend der rheinische Präses Kock. Huber musste sich noch sechs Jahre gedulden, ehe ihn das Kirchenparlament 2003 an die Spitze des Rates wählte und ihn damit zum höchsten Repräsentanten der evangelischen Kirche in Deutschland machte. (ap)