Saarbrücken/Rehlingen. Im Landtagswahl im Saarland konzentriert sich eine Woche vor dem Wahltermin alles auf die drei Spitzenkandidaten Peter Müller (CDU), Heiko Maas (SPD) und Oskar Lafontaine (Die Linke). Umfragen geben dem einstigen 'Saar-Napoleon' aber keine Siegchance.
Draußen sind es 30 Grad, in der Festhalle gefühlte 45, dazu eine Luftfeuchtigkeit, die augenblicklich den Schweiß treibt. Beim Volksfest in der Kleinstadt Rehlingen ist Ministerpräsident Peter Müller (CDU) in seinem Element. „Ein Prosit der Gemütlichkeit”, schmettert der Musikverein „Almrausch”, und der saarländische Landesvater singt oben auf der Bühne lauthals und breit lachend mit. Neben ihm steht ein kleiner, eher unauffälliger Mann, der verlegen sein Bierglas schwenkt. Es ist Heiko Maas, der SPD-Kandidat für das Ministerpräsidentenamt, und sein Gesicht sagt: Ich will hier weg.
Wahlkampf im Saarland – das ist keine gute Zeit für Politiker, die es gerne etwas leiser mögen. Die Saarländer sind gerade jetzt im Sommer ein feierfreudiges Völkchen, wer sie erreichen will, muss also ins Getümmel. Aus dem 42-jährigen Juristen Maas wird aber in diesem Leben kein Hansdampf-Kandidat mehr. Während er sich an einem Stehtisch festdebattiert, rast der Ministerpräsident durch die Bankreihen und hält jedem die Pranke hin. Ein Berserker, ein Wahlkampftier, dem keiner im Saal entkommt. „Die Menschen sind diesen Stil leid”, meint Maas. Die Leute, die Händeschüttler Müller in den Griff kriegt, wirken allerdings nicht beleidigt.
Fingerzeig für Berlin
Das Saarland bringt nicht mal eine Million Einwohner auf die Waage und ist das mit Abstand kleinste deutsche Flächenland. Landtagswahlen geraten da normalerweise zum eher regionalen Ereignis. Da die Saarländer aber diesmal vier Wochen vor der Bundestagswahl, nämlich am 30. August, ihre Stimme abgeben, ist das Interesse größer. Wenn Peter Müller, der derzeit mit der CDU allein regiert, zumindest eine CDU/FDP-Mehrheit erringt, wäre das ein Signal auch für den Bund, wenn er's nicht schafft natürlich auch. Dann würde die SPD in Berlin Hoffnung schöpfen. Maas allerdings kann wohl nur Ministerpräsident werden, wenn er sich auf ein Bündnis mit den Linken einließe, und selbst dafür müsste es gut laufen.
Zumal im Saarland eine ganz besondere Situation herrscht, die mit dem Namen Oskar Lafontaine verbunden ist. Das Saarland war lange Oskar-Land, er war Oberbürgermeister in Saarbrücken und 13 Jahre Ministerpräsident. Auch Lafontaine ist ein jovialer, barocker Typ und in diesem Punkt Müller viel ähnlicher als Maas. Wenn er durch „sein” Saarbrücken schreitet, gibt er sich gar nicht die Mühe, mit den Menschen auf der Straße inhaltlich ins Gespräch zu kommen. Der frühere SPD-Chef und jetzige Bundesvorsitzende der Linken ersetzt Politik durch Sofortbild – nebst Autogramm.
Lafontaine mit Heimvorteil
Selbst wenn Lafontaine seinen Innenstadt-Spaziergang sorgsam inszeniert hat, offenbart sich schnell: Man kennt sich und man schätzt sich. Bei dieser nachwirkenden Popularität wundert es nicht, dass SPD-Mann Maas unlängst scherzte, selbst die Partei Bibeltreuer Christen würde mit Lafontaine an der Spitze locker die Fünf-Prozent-Hürde nehmen. Als der Linken-Chef beim Schlendern durch die Altstadt einen offenbar geschätzten sozialdemokratischen Weggefährten aus alten SPD-Zeiten trifft, wird Lafontaine nostalgisch: „Wenn es mehr von deiner Sorte gäbe, wäre ich wohl noch dabei.” Die zufällige Begegnung mit dem SPD-Generalsekretär Reinhold Jost wenig später gerät fast zu einer rot-roten Annäherung.
Lafontaines inzwischen zehnjähriger Rachefeldzug gegen die SPD wirkt an der Saar gnädiger. Zwar inszeniert sich Lafontaine auch hier als der bessere, ja der einzig wahre Sozialdemokrat und weckt mit dem Plakatslogan „Oskar wählen” demonstrativ Erinnerungen an das berühmte „Willy wählen” aus dem Brandt-Wahlkampf von 1972. Dennoch sei, lobt Lafontaine, die SPD an der Saar eine andere als im übrigen Land. Das zeige sich etwa an der Person des Bundestagsabgeordneten Ottmar Schreiner, den Maas an seine Seite holte. Schreiner ist bis heute ein Freund Lafontaines und hatte als Mann des linken SPD-Flügels die Agenda 2010 stets scharf kritisiert – ein Brückenbauer zwischen SPD und Linken.
Beim Sommerfest der Linken knöpft Lafontaine sich dann auch nicht Maas, sondern in erster Linie Ministerpräsident Müller vor, um ihm Versagen auf allen Feldern vorzuwerfen. Für seinen Gegenentwurf schöpft „Oskar” in vollen Zügen aus seiner sozialdemokratischen Vergangenheit und beruft sich immer wieder auf „unsere erfolgreiche Arbeit” im Land. Müller, das überrascht wenig, sieht das komplett anders. Als er das Saarland 1999 übernahm, sei man bei Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätzen hinter dem Bundesdurchschnitt hergehinkt, jetzt bewege man sich in der Spitzengruppe.
Müller liegt vor Maas
Während es eine Weile so aussah, als könne die Saar-Linke die Saar-SPD überholen und damit demütigen, liegt Maas in den Umfragen mittlerweile klar auf Platz zwei hinter der CDU. Dass Lafontaine jemals ernsthaft erneut Regierungschef werden wollte, wird aber ohnehin von Leuten, die ihn gut kennen, bestritten. „Er ist ein Spieler”, urteilt Maas.
Der vormalige „Napoleon von der Saar” schließt andererseits klar aus, unter einem möglichen Ministerpräsidenten Heiko Maas als Juniorpartner einen Kabinettsposten zu bekleiden: „Maas war bei mir Staatssekretär”, so Lafontaine vielsagend. Soll wohl heißen: Der Lehrer ordnet sich seinem Schüler niemals unter.