Düsseldorf. Gab es Order “von oben“, die Schrecken der Kölner Silvesternacht herunterzuspielen? Das will der Untersuchungsausschuss in einer Sondersitzung klären.
Hat ein Anrufer im Auftrag des Innenministeriums Druck auf die Kölner Polizei ausgeübt, um das Wort "Vergewaltigung" aus einem Bericht zur Silvesternacht zu streichen? Mitten in der parlamentarischen Sommerpause nimmt der "Untersuchungsausschuss Silvesternacht" des nordrhein-westfälischen Landtags erneut Anlauf, um diese Frage in einer Sondersitzung zu klären. Am Dienstag soll sie stattfinden.
Silvester-ÜbergriffeSollte sich der Vorwurf bestätigen, würde es brenzlig für NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Allerdings ist die Lage unklar. Es steht Aussage gegen Aussage. Gesicherte Daten liegen nicht vor.
Anrufer soll Stornierung der Meldung gefordert haben
Die Fakten: Anfang Mai berichtete ein Kölner Hauptkommissar dem Ausschuss als Zeuge von einer versuchten Einflussnahme auf eine sogenannte WE-Meldung über "wichtige Ereignisse". Darin hatte die Kölner Polizei über eine Vergewaltigung einer jungen Frau berichtet, die angezeigt hatte, ihr seien inmitten eines aus rund 50 ausländischen Männern bestehenden Pulks Finger in den Körper eingeführt worden.
Nach der WE-Meldung habe am Neujahrstag ein Beamter der Leitstelle in der Kölner Kriminalwache angerufen, berichtete der Kommissar. In barschem Ton habe der Anrufer gesagt: "Das sind doch keine Vergewaltigungen. Das streicht ihr. Storniert die WE-Meldung." Als der Kommissar sich über den Ton und das Ansinnen beschwert habe, habe der Anrufer erwidert: "Ja, das sind Wünsche aus dem Ministerium. Ich gebe das jetzt auch nur so weiter."
NRW-Polizeiinspekteur Bernd Heinen hatte allerdings einen solchen Anruf aus der Leitstelle ausgeschlossen. Und der Kommissar hatte sich keinen Namen notiert. Am Ende war die WE-Meldung unverändert geblieben.
Geheimnisvoller Anrufer kann nicht identifiziert werden
Weitere Zeugen des Kölner Polizeipräsidiums konnten die Aussage des Kommissars ebenfalls nicht belegen. Ein Kollege hatte lediglich Antworten des Kommissars auf den Interventionsversuch mitbekommen. Wer tatsächlich am anderen Ende der Leitung war, konnte der Kollege aber auch nicht sagen.
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An einen gesteuerten Vertuschungsversuch aus dem Innenministerium glaubte er aber nicht. "Da hat sich ein Einzelner überhöht, weil er in einer Landesoberbehörde ist - fachlich völlig neben der Kappe", hatte er im Ausschuss zu Protokoll gegeben. Auch die damalige Kölner Kripo-Chefin konnte sich zwar an den Ärger ihres Kollegen erinnern, den geheimnisvollen Anrufer aber ebenfalls nicht identifizieren.
Relevante Telefondaten nicht rechtzeitig gesichert
Dies liege vor allem daran, dass das Innenministerium es unterlassen habe, alle relevanten Telefondaten rechtzeitig zu sichern, kritisiert die Sprecherin der CDU im Untersuchungsausschuss, Ina Scharrenbach. Erst am 2. Juni seien die Verbindungen der Kölner Kriminalwache gesichert worden - allerdings erst die ab dem 3. Januar. Die entscheidenden Daten der Tage davor seien gelöscht worden. Ob dies ein automatisierter Vorgang ist oder politische Absicht dahintersteckt, will die Opposition klären.
Als Zeugen sind für Dienstag erneut der Staatssekretär des Innenministeriums und der Landeskriminaldirektor geladen. Auch ein leitender Beamter des Polizeipräsidiums Köln wird erwartet.
SPD und Grüne sehen hingegen gar keinen Anlass für die Sondersitzung. Aus ihrer Sicht geht es CDU und FDP nicht um Opferschutz und Aufklärung. "Stattdessen wird mit haltlosen Unterstellungen und wüsten Vermutungen der Vorwahlkampf eingeläutet", kommentierte SPD-Vizefraktionschef Hans-Willi Körfges kürzlich den Oppositionsantrag. (dpa)