Düsseldorf. “Erdogan will nicht versöhnen“: Im Interview nach dem Putschversuch spricht Hagens Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf (CDU) über ihre Bedenken.

Die Hagenerin Cemile Giousouf sitzt für die CDU im Bundestag. Im Kurz-Interview zum Putschversuch in der Türkei äußert die Abgeordneten Bedenken: Sie fürchtet, dass unter den Folgen alle Oppositionellen und Kritiker leiden müssen.

Frau Giousouf, kam dieser Putschversuch wirklich völlig überraschend?

Cemile Giousouf: Bereits seit mehreren Wochen gab es in der Türkei vage Vermutungen über einen bevorstehenden Putschversuch. Es verdichteten sich die Hinweise auf eine bevorstehende Verhaftungswelle gegen Kritiker der Erdogan-Regierung. Der Putschversuch könnte ein letzter Versuch gewesen sein, die Regierung abzusetzen, bevor Regimegegner massenhaft verhaftet werden.

Gibt es in der Türkei auch Rückhalt für die Putschisten?

Giousouf: Die Menschen in der Türkei sind geschockt. Die türkische Regierung schränkt die Pressefreiheit ein und handelt immer undemokratischer- das ist traurige Realität. Aber ein Putsch ist der falsche Weg. Selbst Erdogan-Kritiker wie die Anhänger der prokurdischen HDP sind gegen einen gewaltsamen Regierungswechsel durch das Militär. Über einen Regierungswechsel wird in einer Demokratie an der Wahlurne entschieden.

Was passiert jetzt?

Giousouf: Wir erkennen an der Rhetorik Erdogans und an der Verhaftungswelle, die nun anrollt, dass Erdogan nicht versöhnen will. Er hat angekündigt, hart gegen seine Gegner vorzugehen. Ich bin in Sorge, dass darunter alle Oppositionellen und Kritiker leiden könnten. Es ist zu befürchten, dass sich die Türkei nun weiter von der Staatengemeinschaft entfernt.

Auch in NRW haben viele Menschen am Wochenende gegen die Putschisten protestiert. Haben Sie dafür Verständnis?

Giousouf: In NRW sind viele Menschen spontan auf die Straßen gegangen, um gegen die Putschisten zu demonstrieren, zum Beispiel in Bochum und Köln. Ich kann verstehen, dass sie so emotional reagieren, beobachte aber mit Sorge, dass es sich zum Teil um eine reflexartige Solidarisierung mit Erdogan handelt, trotz dessen Rhetorik. Im Sinne der Türkei sind sie aber auch gefordert, klare Kante gegen die antidemokratischen Tendenzen der Regierung zu zeigen. Nur eine starke Demokratie bringt Frieden.