Berlin. SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier startet seine bundesweite "Sommerreise" am heutigen Dienstag in NRW. Auf rund 60 Veranstaltungen in 14 Bundesländern wirbt Steinmeier für sein umstrittenes Konzept zur Schaffung von vier Millionen Arbeitsplätzen.
Zum Auftakt seiner "Sommerreise" besucht der SPD-Vize und Außenminister ein Wissenschaftszentrum in Herten, einen Mittelständler in Menden, ein Arge-Projekt und ein Technologiezentrum in Dortmund sowie ein Kulturzentrum in Köln.
SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat seine Ankündigung, bis 2020 Vollbeschäftigung zu erreichen, gegen Kritik verteidigt. Sein Konzept, bis 2020 insgesamt vier Millionen neue Arbeitsplätze zu schaffen, sei realistisch, bekräftigte Steinmeier am Montagabend im ZDF-«heute journal». Die Politik müsse dafür aber die richtigen Weichen stellen. Er verwies auf die geplanten eine Million Jobs in der Gesundheitswirtschaft. Angesichts der älter werdenden Gesellschaft und einem zusätzlichen Bedarf bei Betreuung und Pflege sei diese Zahl plausibel.
Wirtschaftsexperten und Arbeitgeber bleiben skeptisch
Die Pläne zur Schaffung von vier Millionen Arbeitsplätzen bis 2020 stoßen bei Wirtschaftsexperten auf Skepsis. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wolfgang Franz, nannte die Pläne in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» eine «riskante Strategie». Eine beschäftigungsfreundliche Politik müsse vor allem die Rückführung der Neuverschuldung in den kommenden Jahren, höhere Investitionen in die Bildungs- und Innovationspolitik sowie eine weitere Flexibilisierung am Arbeitsmarkt verfolgen.
Die Arbeitgeber äußerten sich ebenfalls kritisch. «Es ist unrealistisch, den Menschen vier Millionen neue Arbeitsplätze in den nächsten zehn Jahren zu versprechen, ohne ein klares Bekenntnis zu besseren Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung abzugeben», sagte Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt und verlangte eine Rückkehr zum Reformkurs der Agenda 2010.
"Keiner weiß, wo wir 2020 stehen."
Der Vizedirektor des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Ulrich Walwei, zeigte sich ebenfalls skeptisch. Der «Thüringer Allgemeinen» sagte er: «Ich halte es für gewagt, Vollbeschäftigung zu einem bestimmten Zeitpunkt in Aussicht zu stellen. Keiner weiß, wo wir 2020 stehen und konjunkturelle Schwankungen wird es auch in Zukunft geben.» Allerdings drängten bis 2020 aus demografischen Gründen ohnehin ein bis zwei Millionen Arbeitskräfte weniger auf den Markt, fügte er hinzu.
IG-BCE-Chef Hubertus Schmoldt lobte dagegen den «Deutschland-Plan». Der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung» sagte Schmoldt: «Ein ganz wichtiger Vorteil seines Konzepts ist, dass es der Realwirtschaft die zentrale Stellung zuweist.« Eine Wahlempfehlung für die SPD will Schmoldt dennoch nicht aussprechen.
Der Gesundheitssektor als Jobmotor
Zwei führende Manager begrüßten ebenfalls den Plan von Kanzlerkandidat Steinmeier. «Die Pläne Steinmeiers, Deutschland im Bereich der Software zu stärken, finde ich sehr gut», lobte SAP-Chef Leo Apotheker, besonders weil sie bei der Bildung ansetzten und auch die Frauen im Fokus hätten. «Hier haben wir gegenüber den USA und Indien großen Nachholbedarf. Software hilft allen Branchen wettbewerbsfähiger zu werden», sagte Apotheker der »Financial Times Deutschland".
Emanuele Gatti, Vorstandsmitglied beim Medizintechnikhersteller Fresenius Medical Care, sieht wie Steinmeier den Gesundheitssektor als einen Jobmotor. «Im Gesundheitssektor sehe ich ein großes Wachstumspotenzial, das auch zur Schaffung einer hohen Anzahl neuer Arbeitsplätze beitragen wird», sagte Gatti. (ddp)