Essen. . Flüchtlinge sollen schneller Deutsch lernen. Sprachtrainer von Kirchen, Organisationen und Vereinen ließen sich in einer besondere Methode schulen.
- Methode „Neues Lernen“ aus Liechtenstein soll Flüchtlingen beim Deutsch lernen helfen
- Den Modellsprachkurs sollen auch ehrenamtliche Trainer leicht erlernen und weitertragen können
- Die Methode setzt stark auf Pantomime und Zeichnungen
Herr Helmut Müller aus Tschetschenien und Frau Caroline Ackermann aus Syrien formen zusammen auf dem Boden Knetmännchen. Mutter, Vater, Cousine, ganz wichtig: der Großvater – heile Familie, heile Welt, so lässt es sich leichter lernen als in der schmerzhaften Realität. Denn tatsächlich heißt Frau Ackermann Jihan al Abbas und ist zu Beginn der heutigen Deutschstunde kurz ohnmächtig geworden aufgrund einer Kriegsverletzung am Kopf. Wie alle Flüchtlinge im Kurs trägt die 27-jährige ehemalige Kunststudentin aus Al-Hasaka einen Fantasienamen, berichtet über ihre Fantasiefamilie und tut spielend die ersten Schritte in einer neuen Sprache.
Diesen Modellsprachkurs sollen auch ehrenamtliche Trainer leicht erlernen und weitertragen können, und so könnte er sich im „Schneeballsystem“ schnell in Deutschland etablieren – hofft Prinz Stefan von und zu Liechtenstein. Das ist keineswegs ein Fantasietitel, der Prinz ist tatsächlich ins Gemeindeheim St. Josef zu Essen-Kupferdreh angereist, um die Methode „Neues Lernen“ bekannter zu machen. Die ist gewissermaßen ein Exportartikel des kleinen Alpenstaates (37 000 Einwohner, circa 145 Flüchtlinge) und wird dort seit über zwei Jahrzehnten in der Grundschule eingesetzt. „In Costa Rica und Peru wird mittlerweile auch so Englisch unterrichtet“, sagt Prinz Stefan.
Bei einer Diskussionsveranstaltung mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland kam man dann vor einem Jahr gemeinsam auf den Gedanken: Was in der Grundschule gut funktioniert, wird wahrscheinlich auch Flüchtlingen helfen. Die Liechtensteiner machten sich daran, die Unterrichtsmaterialien anzupassen und einen zweiwöchigen Kurs maßzuschneidern, erweiterbar um nochmals zwei Wochen. Dass der erste überhaupt nun in Kupferdreh (11 560 Einwohner, 103 Flüchtlinge) stattfindet, liegt an dem dort heimischen Professor Jürgen Gramke, der das Modell mit seinem Institute for European Affairs im deutschsprachigen Raum verbreiten will.
Motto: „Train the trainer“
Und die Chancen stehen offenkundig gut. Denn in Kupferdreh werden nicht nur Flüchtlinge unterrichtet, sondern auch Trainer, entsendet von den Kirchen und muslimischen Verbänden, von den Maltesern, der Lehrstelleninitiative Joblinge, dem evangelischen Erwachsenenbildungswerk, der Firma „European Homecare“, die sehr viele Flüchtlingsheime im Auftrag betreibt, und und und. „Ich war unsicher, ob der spielerische Ansatz bei unseren Leuten gut ankommt“, sagt Laila Taji Rochd vom Islamischen Kulturverein Bochum. „Aber jetzt bin ich hundertprozentig überzeugt.“
Sie hat mit ihrer Gruppe bis zu 800 Vokabeln pantomimisch erkundet, hat Sprache mit Rollenspielen, Zeichnungen und Liedern dargestellt. „Man ist mehr Animateur als Lehrer“, sagt Martin Beck vom Liechtensteiner Verein Neues Lernen. „Wir versuchen ohne Schrift auszukommen, da einige Teilnehmer nur arabisch schreiben können. Die Syrer können aber oft englisch und sind scharf auf Schrift.“
Alle neuen Trainer, die Beck und seine Kollegen nun zertifiziert haben, sagen, sie wollen weitere Sprachlehrer in ihren Organisationen schulen. Zwei Wochen dauert ein solcher Kurs, sechs Stunden täglich. Wer dann Flüchtlinge unterrichtet (drei Stunden täglich), kann sich die Arbeit aber gut im Dreierteam teilen – so ist das Angebot aufgebaut.
Was es den Flüchtlingen gebracht hat? Frei berichten kann Caroline Ackermann noch nicht auf deutsch. „Ich traue mich noch nicht.“ Aber Spielplatz, Backofen, Eltern – hunderte solcher Wörter kennt sie nun. Kreisverkehr, Rauchverbot und ganz wichtig: Schokolade.
Kontakt für Interessenten
Wer sich für das „Neue Lernen“ interessiert, kann sich beim Institute for European Affairs in Essen vormerken lassen: 0201/81414212.
Mehr Infos auch auf: www.liela.li