Herne. . In der Notunterkunft lernte die 38-jährige Huda die ersten Worte. Nun besucht sie einen VHS-Kurs und arbeitet an ihren Sprachkenntnissen.
Es war der 9. September 2015, als Huda mit dem Zug in Düsseldorf eintraf. Eine lange Reise lag hinter der 38-jährigen Syrerin. Wie Tausende in jenen Tagen hatte sie ihr Land verlassen, allein, war von der Türkei mit einem Boot übers Mittelmeer nach dramatischer Fahrt in Griechenland gelandet und hatte ihren Weg nach Deutschland über den Balkan fortgesetzt. „Ich ging zur Polizei, zeigte meinen Pass und bat um Asyl“, sagt sie in perfektem Englisch. Geflohen aus Damaskus vor dem Krieg und vor einer ganz konkreten Bedrohung: Zweimal hatten Männer versucht, die Hochschuldozentin zu kidnappen, die Bildung als ihre „Mission“ begriff. Ihr Name soll aus Sicherheitsgründen deshalb nicht genannt werden.
Erste Station Sportpark Eickel
Noch am gleichen Tag kam Huda in der Sporthalle in Wanne-Süd an, die zu dieser Zeit in ein Erstaufnahmelager für mehr als 100 Flüchtlinge umfunktioniert worden war und die für die nächsten Wochen ihr Zuhause werden sollte. Notdürftig von der Menge abgetrennt, teilte sich Huda einen Bereich mit drei anderen Frauen, die wie sie allein unterwegs waren, aus China, dem Irak und Syrien. „Die Halle war schmutzig und laut“, sagt sie. Eine Spannung sei spürbar gewesen. So viele Leute, unterschiedliche Mentalitäten, die Kinder gingen nicht zur Schule. Und trotzdem: „Ich hatte Glück.“
Das Glück, unter den Ehrenamtlichen in dem Lager Menschen zu finden wie eine Ärztin und deren Umfeld, die sie ihrem Ziel ein Stück näher brachten: Fuß zu fassen in Deutschland, die Sprache möglichst schnell zu lernen und dann hoffentlich irgendwann wieder als Wirtschaftswissenschaftlerin unterrichten zu können oder eine andere Arbeit zu finden.
Schon in der Turnhalle lernte Huda die ersten Worte Deutsch. Eine pensionierte Lehrerin und gelegentlich ein Student unterrichteten sie und andere Flüchtlinge. Ein strukturierter Sprachunterricht, wie ihn Huda sich wünschte, scheiterte allerdings an den Bedingungen. Immer wieder seien Neue dazu gekommen, man kam nicht weiter. Der Zugang zu einem Volkshochschulkurs allerdings sollte ihr verwehrt werden bis zur Registrierung, die noch nicht geschehen war. „Was für eine Zeitverschwendung“, sagt Huda.
Mit privater Unterstützung klappte es dann doch noch: Mitte November besuchte Huda ihren ersten Deutsch-Kurs in der Volkshochschule Wanne-Eickel, den sie dank ihrer Lernfortschritte schon bald gegen einen anderen eintauschen konnte. Inzwischen lernt sie in der Herner Volkshochschule, zusammen mit Menschen aus Polen, Rumänien, Syrien. Als „Grammatik-Freak“, wie sie sich selbst lachend bezeichnet, löst sie nebenbei noch Übungen in einem Lehrbuch, auch die Kinderseite in der Zeitung und das Radio helfen beim Deutsch lernen.
„Deutsch ist wichtig“, weiß sie, die sich nach einem Studium der Wirtschaftswissenschaften mit Masterabschluss und Promotion in London im Englischen gewandt ausdrückt. So flüssig, wie sie es auf Deutsch auch gerne könnte.
Wohnung in Holthausen
Auch eine kleine Wohnung hat sie inzwischen angemietet, in Holthausen, in einem ganz normalen Mietshaus mit deutschen Nachbarn. „Ich wollte einen ruhigen Ort finden, wo ich lernen kann“, sagt sie. Etwas Sicherheit in einer unsicheren Zeit. „Ich mag keine Ungewissheit.“ Aber genau damit muss sie umgehen. Nicht zu wissen, was noch auf sie zukommt als Flüchtling in Deutschland, kein System zu erkennen.
Ihr nächstes Ziel heißt B1: ein mittleres Sprachniveau, das schon eine recht anspruchsvolle Kommunikation zulässt. Im Oktober will sie soweit sein. Für B2, die nächste Stufe, rechnet sie mit weiteren sechs Monaten.
Ob sie irgendwann zurückkehren kann in das Land, in dem Bruder und Eltern noch leben? „Ich hoffe es, aber es scheint unmöglich“, sagt Huda. Weder der Regierung noch der bewaffneten Opposition zugeneigt, sieht sie „keinen Platz für Leute wie mich“. Leute, die ein funktionierendes Gesundheitssystem, Frauenbildung und Bildung für Kinder fordern und gegen Korruption kämpfen.
Auch wenn sie dankbar ist für das, was sie mit viel freundschaftlicher Unterstützung bisher geschafft hat, ist Huda oft traurig. „Ich bin sicher, aber ich möchte ein Leben haben.“ Mehr als essen und schlafen, eine Aufgabe. Das ist ihre große Sehnsucht. Als Hochschuldozentin in leitender Funktion hatte sie nie Zeit, acht Jahre lang. Jetzt erlebt sie „lange lange Ferien. Das ist hart für mich.“