Essen. . Umstrittener Gesetzentwurf des Bundes spaltet die Gesundheitsbranche. Zahlreiche Kinderkrankenschwestern fürchten nun um die Qualität ihres Berufs.
Das Leiden geht durch die gesamte Branche. Die geplante Reform der Pflegeberufe spaltet Klinikbelegschaften und Ärztevertreter. Zur Schmerzlinderung bleibt nicht mehr viel Zeit. Noch in diesem Jahr wollen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) das neue Pflegeberufsgesetz durch die Gremien bringen. Das Bundeskabinett hat den Entwurf schon abgesegnet. Ende Februar berät der Bundesrat.
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Aus Sicht der Berliner Koalition ist das Gesetz eine Art Allheilmittel gegen den Personalnotstand im Pflegebereich. Der „Zukunftsberuf Pflege“ werde „noch attraktiver“, ist sich Minister Gröhe sicher. Im Kern geht es darum, die bisher getrennten Ausbildungswege zur Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflegekraft zu einer einheitlichen Pflegeausbildung zu verschmelzen. Wer sich für den Pflegeberuf entscheidet, dem soll damit nach dem Willen der Bundesregierung „eine qualitativ hochwertige und zukunftsfähige Ausbildung geboten werden, die ein breites Spektrum an Einsatz- und Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet“. Kritiker sprechen dagegen von einer Schmalspurausbildung.
Kinderkrankenschwestern als Verlierer der Reform?
Heftiger Widerstand kommt aus der Kindermedizin. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte warnt davor, die bisher spezialisierte Fachausbildung zur Kinderkrankenschwester „kaputt zu reformieren“. Der Verband unterstützt eine Bundestagspetition zum Erhalt des bestehenden Ausbildungssystems. Der Eingabe schlossen sich bundesweit 80 000 Unterstützer an.
Eine einheitliche Meinung gibt es auch in der Gesundheitsszene des Ruhrgebiets nicht. Auf Nachfrage möchten Kliniken der Region offiziell keine Stellung beziehen. Die Belegschaften seien im Für und Wider der Reform gespalten. Eine Kinderkrankenschwester in leitender Position möchte dennoch Gehör finden, ihren Namen aber lieber nicht in der Zeitung lesen. Kinderkrankenpflege, betont die Frau mit jahrelanger Berufserfahrung im Gespräch mit unserer Redaktion, brauche eine besondere Ausbildung, und zwar von Anfang an.
Hartnäckiger Widerstand aus NRW gegen geplante Reform
Die Reform aber führe dazu, dass angehende Pflegekräfte erst im dritten Ausbildungsjahr eine Kinderklinik von innen sähen und vorher noch nie einen Säugling auf dem Arm gehabt hätten. „Das grenzt an eine Katastrophe“. Die Vereinheitlichung der Pflegeausbildung hält sie zudem für zu „arbeitgeberfreundlich“, weil Klinikleitungen verleitet werden könnten, die einheitlich ausgebildeten Pflegekräfte künftig eher nach Stellenbedarf einzusetzen, denn nach Qualifikation.
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Auf politischer Ebene kommt der hartnäckigste Widerspruch aus NRW. Landesgesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) gilt als überzeugte Gegnerin des Gesetzesvorhabens in derzeitiger Form. „Der Schnellschuss bei der Reform der Pflegeberufe gefährdet die pflegerische Versorgung“, ist Steffens überzeugt. Der Bund müsse das Gesetzgebungsverfahren stoppen.
Wie der Kinderärzte-Verband sieht auch die Grünen-Ministerin besonders die Zukunft der Kinderkrankenpflege gefährdet. „Kinderkrankenpflege kann man nicht mit Alten- und Krankenpflege in einen Topf werfen. Sie ist ein ganz eigener Bereich. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen“, so Steffens. Die Landesministerin sieht durch das Reformvorhaben Probleme auch auf die Altenpflege zukommen, die laut Bundesgesundheitsministerium gerade gestärkt werden soll.
Sorge um Lehrstellen
Knackpunkt aus Sicht des NRW-Gesundheitsministeriums ist der Umbau in der Ausbildungsfinanzierung. Weil ambulante Pflegedienste durch die Anrechnung von Arbeitszeiten der Azubis künftig auf nahezu einem Viertel der Ausbildungskosten sitzen bleiben würden, fürchtet Steffens den Ausstieg vieler Betriebe aus der Ausbildung. Das treffe NRW besonders hart. Denn durch die Einführung eines Umlagesystems sei es hier gelungen, viele ambulante Dienste als Ausbildungsbetriebe hinzuzugewinnen und die Zahl der Ausbildungsplätze in der Altenpflege innerhalb von drei Jahren von unter 10 000 auf über 17 000 zu erhöhen. Steffens: „Diese Steigerung der Ausbildungszahlen zu gefährden, wäre ein Super-GAU für die pflegerische Versorgung in NRW.“
Ob sich die Ministerin in den anstehenden Beratungen durchsetzen wird, ist indes fraglich. So deutlich wie NRW stellt sich derzeit kein anderes Bundesland gegen die Gröhe-Reform. Auch an Rhein und Ruhr ist Steffens’ harte Haltung nicht unumstritten. Der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Theodor Windhorst, hält Korrekturen am Entwurf mit Blick auf die Qualität der Pflege zwar für erforderlich, begrüßte die Ausbildungsreform gegenüber dieser Zeitung aber als überfälliges „Signal zur Aufwertung der Pflegeberufe“.